In der Sendung Markus Lanz vom 28. November waren u.a. Sarah Wiener und Jürgen Trittin zu Gast. Sarah Wiener war einst in die Lage gekommen, von Sozialhife zu leben, nachdem sie als junge Frau um die 20 ihren Sohn zur Welt gebracht hatte. Ihre Ausführungen sind interessant, weil sie die ganzen Widersprüchlichkeiten offenbaren, wenn heute über solche Leistungen gesprochen wird. Auf der einen Seite ist sie dankbar dafür, dass es Sozialhilfe gab, auf der anderen hält sie eine große Rede darauf, wie ungut eine solche Abhängigkeit ist, sie mindere das Selbstwertgefühl, bezieht sich dabei indes vor allem auf sich und überträgt dies nicht auf andere – das ist sympathisch bis dahin. Nun, wen wundert, was sie da beschreibt, wenn man bedenkt, dass nur Erwerbstätigkeit als sinnvoll galt und noch gilt, es gerade sie ist, die es unter anderem erlaubt, den Schritt aus dem eigenen Elternhaus heraus zu machen. Gerade für junge Leute wird sie damit zum Mittel für mehr Unabhängigkeit.
Ihre Schlussfolgerungen aus ihrer Erfahrung sind dann doch nicht mehr ganz persönlich, denn sie meint, es sei das Beste, jungen Leuten eine Stelle anzubieten und mit Sozialhilfe restriktiver (da kennt sie wohl die heutige Lage nicht) umzugehen. Damit ist das Stichwort für Jürgen Trittin gegeben, sich endlich wieder einmal gegen das Bedingungslose Grundeinkommen auszusprechen. Hilfe ja, aber: Fördern und Fordern. Angebote müssen mit Verpflichtungen zu Gegenleistung verbunden werden, Druck machen, selbständig zu werden. Dass ein BGE nun Menschen aus der Gesellschaft ausschließe, wie er meint, ist das alte Vorurteil, denn Gesellschaft wird hier gleichgesetzt mit Erwerbstätigkeit, „Teilhabe“ ist Teilnahme an Erwerbstätigkeit. Der Ausschluß ist einer, der heute über die Vergabebedingungen und die Geltung des Erwerbsideals zustandekommt. Wie viele aber genau dieser Verengung wegen aus der „Gesellschaft“ ausgeschlossen werden, all diejenigen, die andere Tätigkeiten für genauso wichtig erachten, und selbst die, die ohne Sozialhilfe gar nicht leben könnten, wird nicht thematisiert. Denn der Sozialhilfebezug bleibt auch für diejenigen stigmatisierend, die erwerbsunfähig sind.
Eine umfassendere Anerkennung im Gemeinwesen als durch ein BGE, eine Anerkennung, die Pluralität fördert und sie nicht auf Pluralität im Erwerbsleben verkürzt, ist kaum denkbar. Das sehen beide aber nicht. Was soll Frau Wiener mit einem Mitarbeiter im Restaurant, der dort nicht arbeiten will – ein Beispiel, das sie selbst einführt (und noch auf die schlechten Einkommensbedingungen zu sprechen kommt). Es darf natürlich der Hinweis von Markus Lanz auf „die Arbeitspsychologen“ nicht fehlen, die genau diese Eindrücke davon, wie wichtig Erwerbstätigkeit sei, bestätigten. Die anderen hätten man auch natürlich auch fragen können, die das nicht so sehen.
Sascha Liebermann