…damit befasst sich Stefan Sell und wirft ein Licht auf die Ambivalenzen von Kurzarbeit, die angesichts der konjunkturellen Verschlechterung wieder in der Diskussion ist. Insbesondere diese Passage gegen Ende ist aufschlussreich:
„Letztendlich berührt das vorgeschlagene Transformations-Kurzarbeitergeld eine ganz entscheidende Grundsatzfrage: Wenn es richtig ist, dass zwar viele heute bestehende Arbeitsplätze wegfallen werden aufgrund der technologischen Entwicklung im Zusammenspiel mit der Verschiebung von Produktlinien, gleichzeitig aber auch zahlreiche neue Jobs entstehen, dann muss man das Problem lösen, die (Noch)Beschäftigten in die neuen Tätigkeitsfelder zu qualifizieren und sie dann dort auch zu platzieren. Aber ob das in einem über die neue Leistung aus öffentlichen Mitteln subventionierten Teil des bisherigen Unternehmens gelingen wird und kann, ist eine offene und zu diskutierende Frage. Und die damit verbundene Frage wird noch weiter angereichert, wenn man zu bedenken gibt, dass überhaupt erst einmal klar sein müsste, wohin man denn die Betroffenen qualifizieren soll und kann. An dieser Stelle kann man derzeit zahlreiche skeptische Fragezeichen anbringen. Summa summarum wird das Instrument der Kurzarbeit hier – möglicherweise – deutlich überdehnt und man könnte die erheblichen öffentlichen Mittel anders einsetzen.“
Sell resümiert seinen Beitrag über die Ambivalenz von Kurzarbeit, wodurch eines wieder einmal deutlich wird. Wenn Einkommensabsicherung in einer verlässlichen Weise als legitime Dauerabsicherung nicht zur Verfügung steht (das wäre ein Bedingungsloses Grundeinkommen), sondern nur über Erwerbstätigkeit als legitim erachtet wird, dann stellt sich immer die Frage, wie Arbeitsplätze erhalten oder geschaffen bzw. Qualifikationen für diese erworben werden können. Sells Beitrag lässt erkennen, inwiefern hier Strukturwandel verhindert, auf offensive, radikale Automatisierung womöglich verzichtet wird, weil die Folgen unliebsam wären. Vor vielen Jahren schon habe ich dafür Hinweise in Interviews mit Vorstandsvorsitzenden gefunden, dass auch sie von der Frage, was aus Arbeitsplätzen wird, keineswegs frei sind – es war ihnen nicht einmal bewusst, wie sehr es sie beschäftigt (siehe hier). Dass solche Einsichten manchen nicht in den ideologischen Kram passen, steht auf einem anderen Blatt. Zu diesem defensiven Umgang mit Automatisierung passt, was in jüngerer Zeit von Arbeitgeberseite ganz un-unternehmerisch geäußert wurde, als seien Unternehmen Erziehungsanstalten.
Es ist diese geradezu leistungshemmende Seite heutiger Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, die für das Wohlergehen unseres Landes eine Gefahr darstellt. Wenn vor allem zählt, wie viele Erwerbstätige wir haben, wie viel „Beschäftigung“ es gibt, statt sich zu fragen, wie viel Wertschöpfung wir haben könnten, wenn auf „Beschäftigungssicherung“ verzichtet würde und mehr Selbstbestimmung möglich wäre mit einem BGE, dann denken wir rückwärtsgewandt.
Sascha Liebermann