Beschäftigung statt Wertschöpfung und die Sorge davor, mit dem Bürgergeld drohe das Bedingungslose Grundeinkommen

Stephan Stracke, arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, legt in einer Pressemitteilung nach (siehe auch hier). Seine Sorge richtet sich darauf, dass der von Bundesarbeitsminister Heil vorgelegte Gesetzentwurf für ein Sanktionsmoratorium bis zum Jahresende einem Bedingungslosen Grundeinkommen Tür und Tor öffne:

„Mit der geplanten Aussetzung der Sanktionen in der Grundsicherung haben die Jobcenter in Zukunft keine wirksame Handhabe mehr, wenn Arbeitssuchende ohne wichtigen Grund zumutbare Beschäftigungen ablehnen oder trotz Terminvereinbarungen im Jobcenter nicht erscheinen.

Damit hebt Links-Gelb den Grundsatz des Förderns und Fordern auf. Dieses Prinzip ist aber nach wie vor richtig und muss für die Zukunft erhalten bleiben. Arbeitslose werden von unserem Sozialstaat auf vielfältige Weise darin unterstützt, möglichst schnell wieder Arbeit zu finden. Als Gegenleistung verlangt der Sozialstaat, dass Arbeitslose selbst auch alles unternehmen, um ihre Arbeitslosigkeit zu beenden. Das ist fair und eine gerechte Balance von Leistung und Gegenleistung. Daran halten wir als Union fest.“

Das Festhalten daran ist konsequent, wenn man der Auffassung ist, Sanktionsbewehrung sei hilfreich für den Arbeitsmarkt und Erwerbstätigkeit die einzig wichtige Leistung sowie Vorbehalte gegenüber einer Existenzsicherung bestehen, die unverfügbar sein soll – denn Sanktionen greifen genau diese Unverfügbarkeit an. Weshalb Stracke stellvertretend für die CDU/CSU der Auffassung ist, dass diese Haltung für Unternehmen hilfreich sein soll, bleibt jedoch ein Rätsel, denn aus deren Sicht sind Mitarbeiter, die dort arbeiten wollen, entscheidend.

Alleine ein Blick auf die geringen Sanktionsquoten im SGB II wirft allerdings die Frage auf, ob sie hilfreich sind. Berücksichtigt man dabei noch die Sanktiongsgründe werden sie noch fragwürdiger. Darauf hat wiederholt sogar der Vorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, aufmerksam gemacht. Welche Folgen das hat, scheint die CDU/CSU aber genauso wenig zu interessieren, wie es bislang die anderen Parteien interessiert hat. Unternehmen werden durch diese Haltung zu Erziehungsanstalten, als bestünde ihr Zweck nicht darin, Wertschöpfung zu erzielen, sondern Wohlverhalten zu bestärken.

„Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom November 2019 klargestellt, dass in der Grundsicherung der Grundsatz des Förderns und Forderns weiter gilt. Eine Abschaffung von Sanktionen hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich nicht gefordert.“

Das ist eine interessante Verdrehung, das Bundesverfassungsgericht hat lediglich eingeräumt, dass der Gesetzgeber Sanktionen vorsehen kann, nicht aber, dass er dies muss. Dabei folgen die Sanktionen und die Mitwirkungspflicht aus dem „Nachranggrundsatz“, wie Stefan Sell herausgestellt hat.

„Jetzt kommt noch die Abschaffung von Sanktionen bei der Verletzung von Mitwirkungspflichten von Arbeitssuchenden hinzu. Das bedeutet in der Gesamtschau nichts anderes als ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Einem solchen Vorhaben erteilt die Union eine klare Absage. Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist zutiefst ungerecht gegenüber all denjenigen, die arbeiten und auf eigenen Beinen stehen. Arbeit muss sich lohnen. Dafür stehen wir.“

Der Oppositionsrolle mag geschuldet sein, dass in Strackes Augen ein BGE schon vorliegt, obwohl es beantragt werden muss, das ist eine eigenwillige Deutung, denn nach wie vor gilt Bedürftigkeit als Zugangshürde. Aber man kann ja den Teufel an die Wand malen, obwohl er noch weit entfernt ist. Die CDU/CSU scheint sich erheblich bedroht zu fühlen vom Bevorstehenden.

Was schon beim Urteil des Bundesverfassungsgerichts erstaunen konnte, das Hin und Her zwischen Unverfügbarkeit und Antastbarkeit des Existenzminimums, zeigt sich bei vielen Stellungnahmen gegen ein BGE. Viel ist von der Würde des Menschen, von Anerkennung, Integration usw. die Rede, wenn es aber darum geht, diese Würde vorbehaltlos anzuerkennen und entsprechende sozialstaatliche Leistungen zu schaffen ist es damit vorbei. Da schert es nicht, dass es den Grundfesten einer Demokratie zuwider läuft, das Existenzminimum nicht vorbehaltlos gelten zu lassen und das Grundgesetz keine Erwerbsobliegenheit kennt.

Sascha Liebermann