Die Förderung von Kunst und Wissenschaft gehört zu unserem Selbstverständnis als Gemeinwesen, beide zu fördern, gehört zu unserer Identität. Dies haben wir entsprechend im Grundgesetz zum Ausdruck gebracht.
Kunst und Wissenschaft zu fördern heißt: Neues zu ermöglichen, Neues, das um seiner selbst willen hervorgebracht wird. Ob daraus ein praktischer Nutzen gezogen werden kann, bleibt dabei stets offen. Gestaltete Erkenntnis, sei es sinnliche in der Kunst, sei es begriffliche in der Wissenschaft ermöglicht Verstehen und Erfahrung. Erkenntnis um ihrer selbst willen heißt, Routinen aufzugeben; Selbstverständliches wie Fremdes zu betrachten, nur um zu verstehen, wie es zu dem geworden ist, was es ist, muss in Absehung davon geschehen, wozu es gut sein kann. Erst dann ist es frei davon, in den Dienst eines bestimmten praktischen Zweckes gestellt zu werden. Kunst und Wissenschaft kann es nur geben, wo ihre Erkenntnis und Erfahrung um ihrer selbst willen geachtet und ermöglicht werden.
Da Kunst und Wissenschaft nicht an Verkauf und Absatz orientiert sind, sich also nicht selbst unterhalten können, bedürfen sie einer Alimentierung. Diese Alimentierung eröffnet einen Schonraum das zu tun, was beide auszeichnet. Der heute verschmähte und als Überbleibsel der Vergangenheit gescholtene Elfenbeinturm ist nichts Verdammenswertes, er ist für Wissenschaft unerlässlich – er bildet diesen Schonraum, in dem nach eigenen Regeln methodisch diszipliniert über die Geltung von Hypothesen gestritten werden kann. Das muß keineswegs heißen, dass Probleme der Gegenwart in ihn nicht hereingelassen werden. Sie werden dort aber nicht praktisch gelöst, sondern nur erforscht.
Wie sieht es in unserem Gemeinwesen aus, fördern wir Kunst und Wissenschaft so, wie es angemessen wäre?
Wer heute künstlerisch oder wissenschaftlich tätig sein will, sieht sich vielen Unwägbarkeiten und Hindernissen gegenüber. Verläßliche Einkommen erzielen nur diejenigen Künstler, die eine Dauerstelle an einer Hochschule innehaben, sehr bekannt sind, stetig Engagements erhalten (z.B. bei Ausstellungen, Theater, Oper, Film und Fernsehen) oder ihre Werke aufgrund großer Nachfrage einkömmlich verkaufen können. Das ist eine Minderheit. Andere müssen ihre Werke verkaufen oder einen Nebenberuf ergreifen, wenn sie künstlerisch tätig sein wollen. Wieder andere können froh sein, wenn sie eine Förderung (Stipendien usw.) erhalten, die ihnen den Freiraum gewährt, künstlerische Werke zu schaffen. Die Unsicherheit, ein Einkommen zu erzielen, ist in diesem Beruf besonders groß.
Für Wissenschaftler ist die Lage ähnlich. Nur Dauerstellen an Universitäten, Hochschulen oder Forschungsinstituten erlauben heute eine kontinuierliche, von Modediskussionen und der Wissenschaft äußerlichen Zwecken unabhängige Forschung. Wer eine solche Stelle nicht in Aussicht hat, ist auf befristete Verträge angewiesen, während deren Laufzeit (meist 2-3 Jahre) schon die Finanzierungsmittel für Folgeverträge eingeworben werden müssen. Wer solche Verträge nicht erhält, kann auf befristete Stipendien hoffen, die ihm eine Verschnaufpause im Rattenrennen um die Forschungsfinanzierung verschaffen. Aber, wie soll geforscht werden, wenn kurz nach Projektbeginn schon wieder Mittel eingeworben werden müssen? Ist Muße unter diesen Bedingungen überhaupt möglich oder wird Wissenschaft zu Wissenschaftsmanagement?
Und die anderen? Viele Forscher, heute insbesondere die jungen, die ja bekanntlich unsere Zukunft sein sollen, warten Jahre darauf, falls sie überhaupt einmal auf eine Professur berufen werden – das ist der Gang der Dinge. Eine wissenschaftliche Karriere ist riskant wie kaum eine andere. Einige verlassen die Universitäten und müssen ein Einkommen für ihren Lebensunterhalt außerhalb von Forschung und Lehre erzielen. Nicht einmal Lehraufträge vergüten wir angemessen (30 € pro Semesterwochenstunde, Vor- und Nachbereitung inklusive). An anderen Ländern nehmen wir uns gerade in dieser Frage kein Beispiel, wo wir uns doch sonst nicht scheuen, sie als Vorbild zu nehmen. In der Schweiz z.B. ist die Vergütung für Lehraufträge bis zum Zehnfachen höher als bei uns. Kunst und Wissenschaft, können wir daraus schliessen, sind uns wenig wert, auch wenn Sonntagsreden anderes verkünden.
Ein Bedingungsloses Grundeinkommen würde auch in diesem Zusammenhang enorme Möglichkeiten schaffen. Sicher, an der inneren Verfasstheit von Wissenschaft und Kunst änderte es nichts, dafür müssen Wissenschaftler und Künstler selbst sorgen. Doch mit einem BGE wären sie zumindest davon entlastet, in Hochschulen streben zu müssen, um ein Einkommen zu erzielen. Sie könnten gar ihre Stellen aufgeben, wenn wie heute – u.a. durch die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen – die Vernichtung der Wissenschaft betrieben wird.
Gäbe es ein BGE, müßten Universitäten und Kunsthochschulen vielmehr um gute Mitarbeiter werben. Wer heute eine Stelle aufgibt, gibt damit beinahe automatisch auch Forschung und Lehre auf, denn er muß nun auf anderem Wege ein Einkommen erzielen. Mit einem BGE wäre dies anders. Eine Stelle aufzugeben, wie manche Professoren (Frühpensionierung) es heute schon tun, um wieder forschen zu können, wäre einfach. Junge Wissenschaftler müßten sich nicht bieten lassen, was ihnen heute abgefordert wird. Auf der Grundlage eines BGEs könnten sie forschen, Künstler könnten Werke schaffen. Sich mit Kollegen zu assoziieren, ohne in einer Forschungseinrichtung angestellt zu sein, wäre selbstverständlich. Wissenschaftler wie Künstler wären freier, auch Stipendien abzulehnen, die sie zu sehr gängeln.
Ein BGE fördert Vielfalt, Kunst und Wissenschaft könnten auch unabhängig von festen unbefristeten Arbeitsstellen betrieben werden. Zugleich schätzten wir damit Bildung um ihrer selbst willen wert. Mit einem BGE machten wir ernst mit der Freiheit von Forschung und Lehre. Zwar könnte es die Umwandlung von Universitäten und Hochschulen in Lernfabriken, die sich gegenwärtig vollzieht, nicht verhindern, es schüfe aber ein Gegengewicht.
Sascha Liebermann