„Radiokolleg Grundeinkommen für alle“ Teil 2 – Brüder im Geist und eine Verwirrung um Ulrich Beck…

…das unter anderem bietet das Radiokolleg im Österreichischen Rundfunk in seinem zweiten Teil, der sich mit der Historie der Diskussion befasst.

Hörenswert sind die Ausführungen von Norbert Bolz und Stefan Schulmeister, die auch im ersten Teil schon zu Wort kamen. Auf den ersten Blick scheinen beide weit auseinanderzuliegen, erweisen sich dann aber doch in mancher Hinsicht als Brüder im Geiste, denn eines gehe auf keinen Fall: dem Individuum Ausweichmöglichkeiten im Angesicht des Erwerbsgebots zu verschaffen.

Überraschend ist an anderer Stelle, dass Ulrich Beck zu denjenigen gehört haben solle, die ein BGE befürworten. Becks bekanntester Vorschlag war der einer „Bürgerarbeit“ in den 1990er Jahren, der mit einem BGE wirklich gar nichts zu tun hatte, mit dem Aktivierungsgedanken einer Gemeinwesenarbeit indes viel (siehe auch hier).

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Wer von der Gemeinschaft Geld bekommt…

…der muss demnächst „Bürgerarbeit“ leisten. Damit macht Bundesministerin von der Leyen ernst mit den Ankündigungen von Anfang dieses Jahres. Vielleicht ein später Erfolg des Soziologen Ulrich Beck, der Bürgerarbeit (siehe auch hier) einst ins Gespräch gebracht hat?

Über Reaktionen von Gewerkschaftsseite darf gestaunt werden. In einer Pressemitteilung des DGB heißt es: „Zudem kritisiert der DGB, dass die Bürgerarbeit nicht auf freiwilliger Teilnahme beruht, was in aller Regel Erfolg versprechender ist, sondern im Fall der Ablehnung scharf sanktioniert werden soll.“ – Bitte, lesen wir recht? Freiwillige Teilnahme? Das klingt beinahe so, als fordere der DGB bald ein bedingungsloses Grundeinkommen. Dabei kritisiert er etwas, das für ALG-I- und ALG-II-Bezieher das Selbstverständlichste ist: unter der Androhung von Sanktionen leben zu müssen. Hat er das vergessen? Willkommen in der Gegenwart.

Laut Leipziger Internet Zeitung wird von Ver.di und einer Stadträtin der Linkspartei das Workfare-Prinzip kritisiert, dem die Bürgerarbeit folge. Ihre Maxime sei, dass es „Keine Leistung ohne Gegenleistung“ gebe. Das aber gilt seit dem Bundessozialhilfegesetz 1961 und ist mit im Zuge der Agenda 2010 nur verschärft worden. Sozialhilfe war nie zum Ausruhen gedacht oder dazu herauszufinden, wie man leben will. Sie beinhaltete stets die Verpflichtung, wieder aus ihr hinauszugelangen.

Während Verdi nicht im Verdacht steht, ein bedingungsloses Grundeinkommen zu befürworten, denn nur mit ihm gäbe es keine Erwerbsverpflichtung, so gibt es bei der Linkspartei zumindest ein paar Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens. Doch davon ist in der Zeitungsmeldung nicht die Rede. Stattdessen wird der Bürgerarbeit eine repressionsfreie Mindestsicherung gegenübergestellt. „Repressionsfrei“ – klingt liberal. Tatsächlich handelt es sich um eine Leistung, die dem Bedürftigkeitsprinzip folgen soll. Sie ist zwar als Individualanspruch konzipiert, dennoch wird die Leistung mit dem Haushaltseinkommen verrechnet. Damit bleibt vom Individualprinzip nichts übrig. Selbst wenn es anders wäre, dann bleibt dennoch die Erwerbsverpflichtung als normatives Ideal erhalten – also würde sich auch damit nicht grundsätzlich etwas ändern. Wo „repressionsfrei“ drauf steht, muss also nicht Repressionsfreiheit drin sein.

All dies wäre der Erwähnung nicht wert, denn es handelt es nicht um Neuigkeiten von der Arbeitsfront. Indes sind sechs Jahre Grundeinkommensdiskussion vergangen und bei den Parteien hat sich nichts getan. Oder werden etwa die Grünen sich nun als Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens ‚outen‘? Da müssen wir keine Sorge haben, es gibt ja den Bundesvorstand.

Für die Befürworter eines bGEs kann das nur heißen: noch mehr öffentliche Veranstaltungen, Diskussionen, Filmvorführen, Info-Stände, Aktionen jeglicher Art organisieren, um auf das bGE aufmerksam zu machen. Es gilt, nicht zu verzagen, denn die Erfolge der Grundeinkommensdiskussion sind erheblich, das bGE hat seinen festen Platz in der öffentlichen Debatte, das war 2004 noch kaum vorstellbar. Das reicht aber nicht.

Sascha Liebermann

Bürgerarbeit und Grundeinkommen – Wie Ulrich Beck beides zusammenführt

In einem Interview mit NGZ-Online äußert sich der Soziologe Ulrich Beck zu Bürgerarbeit und Grundeinkommen. Vor etwa zwei Jahren sprach er sich für ein BGE aus und sorgte für Irritation, da er zuvor stets einer Bürgerarbeit das Wort redete, die eine Voraussetzung dafür war, Transferleistungen zu beziehen. Unklar war damit, wofür Beck nun eigentlich steht. Jetzt aber hat er die Verhältnisse wieder in Ordnung gebracht, wie an nachstehendem Zitat zu erkennen ist:

Frage: Als Ausweg plädieren Sie für Bürgerarbeit. Was heißt das?

Beck: Bürgerarbeit eröffnet den Menschen neben der Erwerbsarbeit eine zweite Perspektive: Ihnen wird ein Grundeinkommen für Arbeiten garantiert, die auf kommunale Belange ausgerichtet sind und von den Bürgern selbst organisiert werden. In vielen Kommunen gibt es solche Projekte schon, finanziert von Landesregierungen, von den Kommunen selbst und teilweise aus eigenen Einnahmen: Bürger organisieren ein Theater oder Café, sie arbeiten mit Einwanderern oder Lernbehinderten zusammen, sie kümmern sich um Umweltbelange. Das schafft Identität und Anerkennung. Auch Arbeitslose sollten ermutigt werden, solche Tätigkeiten zu übernehmen.

Beck hält also an alten Vorstellungen fest. Seine Vorstellung von Grundeinkommen hat mit dem BGE nichts gemein. Becks Bürgerarbeit ist also das, wofür sie schon lange gelten mußte, ein Helfer der Workfare-Politik.

Interessant ist in dem Interview auch eine andere Passage, in der Beck seine Kritik am nationalstaatlichen Denken wiederholt, die er seit Jahren vorträgt:

Beck Wir sind mit einer Entwicklung konfrontiert, in der die Sicherheiten des Nachkriegs-Sozialstaates überholt sind. Ein Grund ist, dass der Staat von der weltweiten Standortkonkurrenz der Unternehmen überfordert ist. Der Nationalstaat als Antwort auf soziale Verwerfungen hat ausgedient.

Wer aber sollte sonst Antworten auf diese Verwerfungen bieten? Bislang ist die einzige Instanz hierfür der durch die Bürger legitimierte Nationalstaat. Alle existierenden transnationalen Kooperationen sind Kooperationen zwischen Nationalstaaten und nur dadurch legitimiert. Einzig die Europäische Union (Lissabonvertrag) könnte nach bisherigen Entwicklungen eine solch transnationale Gemeinschaft werden, die an die Stelle des Nationalstaats zu treten in der Lage wäre. Aber, und hier ist auch das entscheidende Defizit auszumachen, man muss sich nur die Verfassungsverträge und die Praxis der EU anschauen: sie wird nicht vom Parlament im vollen Umgang kontrolliert, sie ist eben noch keine politische Union – darauf wird immer wieder hingewiesen. Beck gibt sich als Technokrat zu erkennen, wenn er vorschnell den Nationalstaat verabschiedet und an seiner Statt vom Volkssouverän nicht kontrollierte Instanzen zu Hilfe ruft. Ihm kommt gar nicht in den Sinn, daß das Hauptproblem der EU gerade das Demokratiedefizit sein könnte.

Sascha Liebermann