„Ein feministischer Blick auf eine zukunftsfähige Versorgungsökonomie“ – und wie weiter?

In ihrem Beitrag auf Makronom weisen die Autorinnen Anja Peter und Christine Rudolf auf die Bedeutung der „Sorgewirtschaft“ – bezahlt wie unbezahlt – hin, deren Leistungen für ein Gemeinwesen häufig unterschätzt werden. Sie buchstabieren auch die Folgen aus, die dies für die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern hat. Dass Sorgearbeit nicht mit den üblichen Produktivitätskriterien zu messen und entsprechend nicht zu rationalisieren bzw. automatisieren ist, machen sie deutlich (siehe hierzu die Ausführungen Stefan Sells zum verengten Produktivitätsbegriff). Um aber sichtbar zu machen, welchen Umfang Sorgearbeit volkswirtschaftlich hat, halten die Autorinnen es für wichtig, diese zu „beziffern“, da wir in einer „geldgesteuerten Wirtschaft“ lebten. Das ist für die bezahlte Arbeit noch nachvollziehbar, sofern sie sich einigermaßen in Arbeitsstunden und Preisen erfassen lässt. Für die unbezahlte Arbeit ist das hingegen nicht so selbstverständlich, wie die Autorinnen schreiben. Denn zu ihrer Bezifferung muss erst ein Verechnungsmaßstab angelegt, also auch ein Preis bestimmt werden. Hierzu wird unbezahlte mit bezahlter Sorgearbeit verglichen, z. B. die Aufgabe von Eltern mit den Löhnen von Erziehern. Damit wird jedoch ein wichtiger Unterschied zwischen bezahlter und unbezahlter Sorgearbeit ausradiert, und zwar dass es sich um gänzlich verschiedene Beziehungsgefüge (siehe auch hier und hier) handelt.

Der Preis dafür, unbezahlte Arbeit ebenfalls zu quantifizieren, ist also der Verlust ihrer Qualität. Der methodische Zugang im Sinne einer Bezifferung führt – ganz ähnlich wie bei den Zeitverwendungsstudien des Statistischen Bundesamtes der Versuch einer Bestimmung des Stundenvolumens – zu einer folgenreichen Verkürzung. Weshalb folgenreich? Weil damit suggeriert wird, die Leistung der einen, hier z. B. der Eltern, sei mit der Leistung der anderen prinzipiell vergleichbar. Das ist sie aber aufgrund des Beziehungsgefüges gerade nicht. Wozu der schiefe Vergleich führt, ist in der sozialpolitisch undifferenzierten Förderung von Betreuungseinrichtungen und der Propagierung möglichst umfangreicher Erwerbszeiten von Eltern gut zu erkennen.

Welchen Ausweg sehen die Autorinnen nun aus dieser Lage? Am Schluss ihres Beitrags schreiben sie:

„Gesellschaftliche Organisation und Finanzierung von qualifizierter, gut bezahlter Sorgearbeit und von unbezahlter Sorgearbeit bedarf also vielfältiger und neuer Antworten. Es ist der bezahlte und unbezahlte Sorge-und Versorgungssektor, in dem ein wesentlicher Teil der Arbeit verrichtet wird, die grundlegend ist für unseren Lebensstandard. Im Zuge der Automatisierung werden viele Jobs verloren gehen. Klar ist hingegen, dass die Sorge- und Versorgungsarbeit, sei sie unbezahlt oder bezahlt, nicht weniger werden wird. Deshalb sehen wir die dringende Notwendigkeit, eben diese Arbeit mit der ihr angemessenen Bedeutung und Wertigkeit aufzuladen und in Überlegungen zukunftsfähiger Versorgungsökonomien einzubeziehen.“

Mit „Bedeutung und Wertigkeit“ aufladen – aber wie soll das geschehen? Auf den Unterschied zwischen bezahlter und unbezahlter Sorgearbeit im von mir genannten Sinne oben wird überhaupt nicht eingegangen. Genau darin aber liegt eine Gefahr der weiteren Substituierung solcher Sorgebeziehungen, in denen sich ganze Personen begegnen (z. B. familiale Sorgebeziehungen), durch solche, in denen Dienstleister und Dienstleistungsnehmer begegnen.

Gerade für die unbezahlte Arbeit bietet die Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen entscheidende Möglichkeiten, eine Kommodifizierung dieser Sorgebeziehungen zu verhindern. Auch davon kein Wort im Beitrag.

Sascha Liebermann