…schreibt Bruno S. Frey in der Neuen Zürcher Zeitung. Darin findet sich manch interessante Einschätzung auf der Basis standardisierter Befragungen, die Grenze dieses Vorgehens gibt sich allerdings auch schnell zu erkennen. Wenn Frey z. B. schreibt:
„Es ist nicht gleichgültig, wie man sein Einkommen bezieht. Geld ohne Gegenleistung mindert zwar die täglichen Sorgen um den Lebensunterhalt, macht aber weniger glücklich als ein Einkommen, das man sich selbst verdient hat. Arbeitslose, die über längere Zeit vom Staat monetär versorgt werden, sind mit ihrem Leben weniger zufrieden (bei konstant gehaltenen anderen Faktoren, insbesondere dem Einkommen). Sie fühlen sich von der Gesellschaft ausgeschlossen, und ihr Selbstwertgefühl leidet.“
Damit diese Feststellung nicht positivistisch verkürzt wird, wäre zu fragen, weshalb das so ist? Doch Frey bietet hierfür keine Erklärung an, damit muss es unverstanden bleiben, weshalb öffentlich bereit gestelltes Einkommen diese Folge heute hat. „Verdient“ man denn den Lohn „selbst“, der zufriedener machen soll?
Frey reproduziert hier eine naive Deutung des Zusammenhangs von Tätigkeit und Einkommen, die tatsächlich eine Abstraktion darstellt, und zwar eine Abstraktion von den komplexen Abhängigkeiten innerhalb derer jeder steht, auch der Erwerbstätige, der sein Einkommen auf diese Weise erzielt (siehe meinen Kommentar dazu hier). Dass in der öffentlichen Debatte dieser Zusammenhang oft übergangen und im Alltag ebenso oft übersehen wird, sollte nicht Anlaß sein, ihn für nicht-existent zu erklären. „Verdienst“ ist eine willkürliche Vereinbarung über eine pauschale Form der Gratifikation in Gestalt eines Lohnes – weder bildet sie Leistung ab, noch die individuelle.
Woher rührt das ungute Gefühl, die stigmatisierende Seite öffentlich bereitgestellter Einkommen, die Erwerbseinkommen ersetzen? Das hat mit ihrer normativen Seite zu tun, d.h. welcher Stellenwert ihnen eingeräumt wird (siehe auch hier und hier). Durch die festsitzende Vorstellung, legitimes Einkommen soll (normativ, ein Gebot) über Erwerbseinkommen erzielt werden, wird ein bestimmtes Handeln als wünschenswert erachtet und herausgehoben. Wer ihm folgt, tut Gutes, wer ihm nicht folgt, muss sich erklären, selbst wenn er Sinnvolles tut. Doch dieses Sinnvolle verblaßt vor dem Gebot, demzufolge Erwerbstätigkeit über allem steht.
Sascha Liebermann