Frage beantwortet? Fabio de Masi nochmals zu Jobgarantie, Grundsicherung und unbezahlte Arbeit

Fabio de Masi hat auf Eric Manneschmidts Rückfrage geantwortet. Ohne nun einordnen zu wollen, ob diese Antwort darauf bezogen zutreffend ist, enthält sie dennoch Ansatzpunkte, die für die Diskussion um eine Jobgarantie wichtig sind. De Masi schreibt:

„Die Jobgarantie ist ein zusätzliches Angebot und soll Menschen, die arbeiten können und wollen, eine sinnvolle Tätigkeit verschaffen. Sie ersetzt selbstverständlich keine soziale Sicherung bei Arbeitslosigkeit. Darauf habe ich hingewiesen. Wenn Sie gerne persönlich keiner Erwerbsarbeit nachgehen wollen, verschafft Ihnen das nicht das Recht, anderen die Möglichkeit einer sinnvollen Tätigkeit zu verwehren.“

Welcher Art wäre denn diese Absicherung? Wäre sie wie heute konstruiert, also nur unter Bedingungen der Erwerbsbereitschaft zugänglich? Wäre sie auch ohne zugänglich, bliebe allerdings immer noch bestehen, dass sie nur als Noteinkommen im Fall wegfallenden Erwerbseinkommens greifen würde. Möglich ist das, aber das wäre ein Bruch mit dem bestehenden Gefüge, in dem Sanktionen dazu dienen, Leistungsbezieher „aktiv“ zu halten. Weshalb folgt daraus, nicht erwerbstätig sein zu können, dass Herr Manneschmidt anderen den Zugang zu „einer sinnvollen Tätigkeit verwehren“ will? Will er nicht gerade mittels BGE die Möglichkeit dafür schaffen, was sinnvoll ist, frei davon entscheiden zu können, ob es entlohnt wird?

Weiter schreibt de Masi:

„Und selbstverständlich haben Sie keinen unbegrenzten Anspruch darauf, dass andere Menschen für Sie arbeiten. Würde niemand mehr einer Erwerbstätigkeit nachgehen, wäre ja übrigens auch das von Ihnen gewünschte bedingungslose Grundeinkommen nicht finanzierbar. Ein Recht kann aber nur bestehen, sofern es für jeden existiert. Dies ist ein Widerspruch, den Sie beantworten müssen, nicht ich.“

Worin soll hier ein Widerspruch bestehen? Dann wäre auch die Sicherung des Existenzminimums ein Widerspruch, denn auf Arbeitslosengeld II, das dazu dient, besteht ein Rechtsanspruch, den jeder, allerdings müssen die Bezugsbedingungen erfüllt werden, geltend machen kann. Ein Rechtsanpruch verliert nicht seinen Status, weil er nicht erfüllbar ist. Allerdings, doch das ist trivial, ist ein Rechtsanspruch nicht mehr bedienbar, wenn mit dem bereitgestellten Einkommen keine Güter mehr erworben werden könnten, da niemand sie herstellte. Er würde nicht mehr erreichen können, was er erreichen will. Doch genau dieser Zusammenhang gilt für die Demokratie ganz grundsätzlich ebenso. Wenn keiner mehr bereit wäre, die politische Ordnung zu tragen und damit die Rechtsordnung zu garantieren, wäre sie für die Katz. Dennoch lebt die Demokratie gerade davon, diese Bereitschaft nicht erzwingen zu können. Versuchte sie es, würde sie ihre eigenen Grundlagen untergraben.

„Eine soziale Grundsicherung ist immer auch aus verfassungsrechtlichen Gründen zu garantieren und sollte nach meiner Vorstellung über die gegenwärtigen Leistungen des Hartz-IV-Systems hinausgehen. Allen voran die Zumutbarkeitskriterien, die Menschen in Jobs drängen, die sie gar nicht wollen, und nebenbei noch Arbeit unanständig billig machen, gehören abgeschafft.“

Dann stellt sich nur die konkrete Frage: unter welchen Bedingungen würde sie bereitgestellt werden, was müsste der Bezieher tun? Keine Sanktionen mehr? Das wäre ein Umbruch. Weshalb aber dann nicht gleich ein BGE?

„Seit dem Beginn der Lohnarbeit ist es Ziel – etwa der Arbeiterbewegung – gewesen, die Erwerbsarbeit zu humanisieren (Arbeitszeitverkürzung, Arbeitsschutz) und in bestimmten Bereichen auch gesellschaftlich darüber zu entscheiden, was und wie produziert wird (Wirtschaftsdemokratie). Arbeit ist nicht nur Einkommen, sondern kann auch soziale Kontakte und Sinn stiften.“

Ja, kann, wer würde dem widersprechen? Ein Einwand gegen ein BGE ist das auch nicht, denn „soziale Kontakte“ am Arbeitsplatz sind nicht die einzigen, die es gibt, heute sind sie aber von besonderer Bedeutung angesichts der Überhöhung von Erwerbstätigkeit.

„Wenn der Maßstab hierfür alleine ist, was Sie oder jemand anderes persönlich empfinden, braucht es keine Wirtschaftsdemokratie. Der eine findet Windräderbauen falsch, der andere Burgerbraten. Das muss eine Gesellschaft verhandeln. Für mich sind der Maßstab Kriterien des Gemeinwohl (etwa eine ressourcenschonende Produktionsweise) und gute Arbeit, die ein Leben frei von Existenzängsten ermöglicht.“

Wo liegt hier der Dissens? De Masi sagt doch selbst, dass darüber verhandelt werden müsse, dazu bedarf es entsprechender Verhandlungsmacht. Darüber, welche Arbeit der Einzelne „gut“ und „sinnvoll“ findet, ist dadurch nichts gesagt, deswegen muss er ja verhandeln können. Hier bleibt unklar, wie weit das bei de Masi gehen soll, weil nicht klar ist, unter welchen Bedingungen eine Grundsicherung bereitsteht.

„Ich achte unbezahlte Arbeit überhaupt nicht gering. Mein Anspruch ist es, viele Tätigkeiten, die derzeit unentgeltlich und privat verdichtet werden, ordentlich sozial abzusichern (z.B. Kinderbetreuungszeiten in der Rentenversicherung) bzw. in der Daseinsvorsorge zu organisieren. Wir bezahlen ja auch Altenpfleger*innen oder Beschäftigte in Kinderbetreuungseinrichtungen. Oder drängen wir diese Menschen in Erwerbsarbeit und soll dies nur noch privat verrichtet werden?“

Kinderbetreuungszeiten in der Rentenversicherung anzuerkennen (was jetzt schon der Fall ist), hilft in der Gegenwart, wenn diese Leistung erbracht wird, nicht. Daseinsvorsorge? Kann ich diese Betreuung dann selbst übernehmen und woher kommt mein Einkommen? Sollen Eltern bezahlt werden dafür, zuhause sein zu können? Zwar strebt ein BGE keine Bezahlung an, aber eine Ermöglichung auf der Basis von Einkommenssicherheit. De Masi wirft hier zwei Dinge in einen Topf: professionalisierte Dienstleistungen, die allgemein bereitstehen und abgerufen werden können auf der einen, persönliche Fürsorgebeziehungen, die nur für ganz bestimmte Personen erwogen werden, auf der anderen Seite. Am Ende ist nun unklar, wie er dazu steht, „unbezahlte Arbeit“ zu ermöglichen, es klingt doch nach Kommodifizierung bzw. Auslagerung persönlicher Fürsorgebeziehungen in Dienstleistungseinrichtungen – das ist aber nicht dasselbe.

Sascha Liebermann