… Hans Hütt kommentiert die jüngste Sendung von Maybrit Illner, in der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) und Jens Spahn (CDU) zur Sozialpolitik Stellung bezogen. Der Titel des Beitrags von Hans Hütt bringt schon auf den Punkt, worum es politisch gehen müsste, nicht darum nämlich, was Sozialpolitik statistisch leistet, sondern was sie dem Individuum für Möglichkeiten bietet, sein Leben zu leben. Die Gesetzgebung hat ein Mahlwerk geschaffen, in dem der Einzelne vom herrschenden Verständnis der „Einzelfallgerechtigkeit“ zerrieben wird. Dass weder die Bundesarbeitsministerin noch der Staatssekretär den Blick darauf richten, was die Sozialgesetzgebung konkret für den Einzelnen bedeutet, welche Geringschätzung sie zum Ausdruck bringt, ist nichts Neues. (Siehe auch unseren Kommentar „Jedes Leid hat einen Namen“ und „Die Soziologin spricht über das Leben – und verwechselt es mit Statistik“).
Jens Spahn gab vor wenigen Wochen ebenfalls bei Maybrit Illner in der Sendung „Zurück in die Zukunft – weniger Agenda, mehr Gerechtigkeit?“ deutlich zu erkennen, wo er sozialpolitisch steht:
„…natürlich brauchen wir auch – wir sind doch alle Menschen, ist doch auch so, en bißchen Druck braucht jeder von uns, ich habe früher auch Druck gebraucht, um morgens aufzustehen…“ (Ab Minute 55)
Wer von sich auf andere schließt und auf diese Weise ein Rezept für alle entwirft, setzt sich über sie hinweg. Wenn Jens Spahn Druck gebraucht hat, um morgens aufzustehen, dann heißt das noch lange nicht, dass andere ihn ebenfalls benötigen. Und selbst wenn sie ihn benötigten, wäre es doch an ihnen, sich einen Druckmacher zu besorgen, statt ihn allen gleichermaßen zu verordnen. Spahn schloss aus seiner Schulerfahrung und den Mühen, die er hatte auf andere, ohne überhaupt die Frage zu stellen, woher diese Mühen den kamen, ob sie etwas mit der Schule, der Lebensphase oder seiner persönlichen Situation zu tun gehabt haben könnten. Und wären all diese Gründe nicht legitim? In Spahns Augen offenbar nicht, deswegen braucht es Druckmacher (ganz ähnlich argumentierte Anke Hassel, Direktorin im WSI der Hans Böckler Stiftung vor wenigen Monaten).
Mit Andrea Nahles befindet Spahn sich in guter Gesellschaft, denn ihre Haltung gegenüber Leistungsbeziehern unterscheidet sich von seiner unwesentlich, wenn überhaupt. Was lässt das für die Bundestagswahl erwarten? Weiter so, es geht uns doch gut.
Sascha Liebermann