Wie kann man vor etwas warnen, das mit dem „Bürgergeld“ gar nicht einhergeht?

Jens Spahn agiert offenbar im Bemühen um dramatisierende Zuspitzung, damit die Opposition einen Stich in der Debatte machen kann. Wenn das „Bürgergeld“ ein BGE wäre, gäbe es manche Folgen gar nicht, die seit Wochen in Raum gestellt werden:

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„Ich habe weder das Wort ‚Strafe‘ benutzt, noch habe ich das Wort ‚faul‘ benutzt“…

…und dennoch ging es im Interview mit Jens Spahn (Deutschlandfunk, am 31. August) genau darum, welche Wirkungen dem Bürgergeld angesonnen werden. Die Wirkungen entstehen allerdings nur, wenn ein bestimmtes Menschenbild vorausgesetzt wird. Was hat Jens Spahn nun genau gesagt?

Zuerst fragt ihn die Interviewerin: „Herr Spahn, die geplante Erhöhung des Bürgergeldes ist das falsche Signal. Das sind Ihre Worte, dicht gefolgt von Ihrer Forderung nach mehr Strafen für arbeitsunwillige Erwerbslose. Welches Menschenbild steckt denn hinter solchen Aussagen?“.

Darauf entgegnet er:

„Spahn: Dahinter steckt ein einfaches Menschenbild, ein einfaches Prinzip. Wer arbeiten kann, sollte arbeiten.“

Wenn derjenige, der kann, das auch „sollte“, wird eine Handlungsmöglichkeit zum Gebot erhoben. Zugleich besteht die Gefahr der Abweichung davon, dass er nicht tut, was er tun sollte. Wenn die Abweichung vom Gebot, wie Spahn hervorhebt, nicht als wünschenswert gilt, dann muss ihr vorgebeugt bzw. im Fall des Eintretens entgegengewirkt werden. Möglich ist das, indem z. B. der Leistungsbezug unattraktiv gemacht wird, sei es durch Androhung der Streichung von Mitteln, sei es durch die Gewährung eines so niedrigen Betrages, dass der Bezieher nicht anders kann, als erwerbstätig zu werden (was allerdings mit der Verpflichtung des Staates, das Existenzminimum sicherzustellen kollidiert). Spahn geht eben davon aus, dass es am Bürgergeld und seiner Höhe liege, wenn Erwerbsfähige nicht erwerbstätig sind. Sie ziehen es nach Spahns Einschätzung vor, den einfachen Weg zu gehen, wenn sie denn Einkommen auch ohne Erwerbstätigkeit beziehen können. Wenn das das „einfache[…] Menschenbild“ ist, das Spahn hervorhebt, inwiefern unterscheidet es sich davon, die Bürger grundsätzlich für „faul“ zu halten bzw. ihnen anzusinnen, zur Untätigkeit zu neigen, wenn sie die Gelegenheit haben?

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Ein Versuch, aber irreführend,…

…die SPD ist nicht für ein Grundeinkommen, das Bürgergeld ist keines, und der Wert von Arbeit besteht nicht vor allem in der Einkommenserzielung, sondern darin, einen Beitrag zu leisten. Die Frage ist nur, weshalb es dazu einer Erwerbsverpflichtung bedürfen sollte.

Spahn hatte sich schon einmal auf interessant missverständliche Weise zum Bedingungslosen Grundeinkommen geäußert, siehe hier.

Sascha Liebermann

Ehrenamt und „Schmarotzer“ – ja, aber nicht so einfach, auch widersprüchlich

…denn denjenigen, die das Ehrenamt loben, fällt dann meist nicht auf, dass die Ehrenamtlichen das ja ganz ohne irgend eine relevante Einkommensaussicht machen. Sie müssen sich das Engagement aber leisten können. Jens Spahn ist gar nicht aufgefallen vor wenigen Jahren, dass er pro BGE argumentiert, zugleich aber der Auffassung ist, dass jeder von uns ein bißchen Druck brauche. Wie dann sogar Jens Spahn und Sahra Wagenknecht an einem Strang zu ziehen scheinen, wenn es um die Zumutbarkeit von Erwerbstätigkeit geht, siehe hier. Diese Widersprüche können einem BGE aber gerade auch die Tür öffnen.

Sascha Liebermann

„Den Mut zu haben, grundsätzlich zu denken“…

Website von Simone Menne
Anne Will Mediathek

Wie es nun um die Digitalisierung und etwaige Folgen steht, sei dahingestellt, aber, wie in dem Ausschnitt deutlich wird, wäre es angebracht, grundsätzliche Fragen zu stellen, ob denn der Sozialstaat heutiger Gestalt der Demokratie angemessen ist, ob denn unser Verständnis von Bildung und Employability wirklich Bildungsprozessen förderlich oder nicht eher hinderlich ist. Da kann Jens Spahn lange den Sozialstaat verteidigen, wenn er darauf keine Antworten bietet.

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„Arbeitswelt im Wandel“ – oder Unternehmen als Erziehungsanstalten?

Die Talksendung Anne Will (Kommentare zu früheren Sendungen finden Sie hier) befasste sich in der jüngsten Sendung mit der Diskussion über die heutige Konstruktion des Sozialstaats, die Sanktionen im Arbeitslosengeld und die verschiedenen Vorschläge, die sich die positiven Konnotationen des Wortes „Grundeinkommen“ zunutze machen wollen. Da sollte ein Bedingungsloses Grundeinkommen nicht fehlen, hierfür war Michael Bohmeyer eingeladen. Die einzige, die dafür gewisse Sympathien hatte und die Absurditäten der Sanktionen erkannte, war die Unternehmensberaterin Simone Menne. Die Sendung verlief wie so oft, die Einheitspartei aus Linke, SPD und CDU stritt an der Oberfläche, war sich aber einig, dass der status quo im Wesentlichen verteidigt werden müsse, d. h. an Sanktionen darf nicht gerüttelt werden.

Als die Runde auf das BGE zu sprechen kam, wurde im Einspieler von Anne Will sogleich darauf hingewiesen, dass ja bestimmte Personen dafür einträten, genannt wurden Unternehmer aus dem Silicon Valley (von denen oft nicht bekannt ist, was sie genau meinen), Joe Kaeser (Siemens, der sich nicht für ein BGE ausgesprochen hat) sowie Timotheus Höttges (Deutsche Telekom, der es tatsächlich für sinnvoll hält). Im Grunde war dieser Einstieg ein Versuch, den Vorschlag zu diskreditieren, denn, wenn Vorstände von Unternehmen bzw. Unternehmer dafür sind, kann es sich nicht um einen brauchbaren Vorschlag handeln. Entsprechend reagierten manche in der Runde. Andere wiederum sehen das als Adelung, wenn gerade sie dafür seien, dann müsse auch etwas dran sein. Michael Bohmeyer machte auf die vereinseitigende Darstellung aufmerksam. Wer sich ein wenig informiert, wird schnell herausfinden, dass die BGE-Diskussion seit 2004 öffentlich geführt wird und von ganz anderen als Unternehmern angestoßen wurde (Götz W. Werner ist eine Ausnahme). Unterstützer finden sich in den meisten Parteien, mal mehr, mal weniger, je weiter man in der Funktionshierarchie herabsteigt.

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„Ist die Pflege noch zu retten?“ – welchen Beitrag könnte ein Bedingungsloses Grundeinkommen leisten…

…diese Frage stellte sich unwillkürlich angesichts der Sendung Maybrit Illner Spezial, in der es um die Situation in der Pflege ging und die Tatsache, dass 73 % der Pflegebedürftigen zuhause durch Angehörige versorgt werden. Würden alle Pflegebedürftigen in Einrichtugnen versorgt werden müssen, bräche das System zusammen, das gestand Jens Spahn, Bundesminister für Gesundheit, offen ein. Nicht nur gehen diejenigen ein hohes Risiko bezüglich langfristiger Einkommenssicherung ein, die diese Pflege übernehmen; die Leistungen der Pflegeversicherung sind unübersichtlich, der Verwaltungsaufwand ist hoch und das Ringen darum, Leistungen auch wirklich zu erhalten erfordert Beharrlichkeit.

Es stellt sich also die drängende Frage, wie denn die häusliche Pflege durch Angehörige gestärkt, wie sie besser unterstützt werden kann. Das Bedingungslose Grundeinkommen kann hierzu einen Beitrag leisten, nicht nur, weil es eine Einkommensabsicherung nach unten bedeutete. Ein Gemeinwesen würde durch die Bereitstellung signalisieren, dass die Entscheidung für die Pflege erwünscht ist. Aus den „stillen Helden“ des Alltags würde eine durch das Gemeinwesen erkannte, anerkannte und tatsächlich unterstützte Leistung dadurch, dass der Einzelne um seiner selbst und um des Gemeinwesens willen wertgeschätzt würde. Das BGE als Ermöglichungsstruktur.

Siehe frühere Kommentare von uns dazu hier. Siehe auch den Kommentar von Hans Hütt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Sascha Liebermann

Wer wenig Geld hat, soll sich auch bescheiden…

…so könnte ein Leserbrief im Generalanzeiger aus Bonn zusammengefasst werden, auf den Michael Opielka hinweist. In ihm berichtet eine ehemalige Landtagsabgeordnete der Grünen über ihre Erfahrungen in der Beratung und Unterstützung von Familien, die Hartz IV beziehen. Sie belegt damit, entgegen ihrer Absicht, dass Armut eben relativ zu betrachten ist, relativ zum Wohlstand eines Landes. Die Beispiele, die sie nennt, dass Bezieher ein Iphone und ein neues Auto angeschafft hätten, soll wohl dazu dienen, Bescheidenheit zu predigen. Man könnte aber genauso andersherum fragen: weshalb steht nicht jedem, der einen entsprechenden Aufenthaltstitel hat, eine Prämie am generationenübergreifenden Erfolg zu? Deswegen wäre ein Bedingungsloses Grundeinkommen eben vernünftig und solche Leserbriefe würden der Vergangenheit angehören.

Sascha Liebermann

„Man kann davon überleben“…

…wer nun meint, dieser Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wolle Jens Spahn und anderen zur Seite springen, die leichtfertig darüber reden, was das Arbeitslosengeld II zu leisten vermag, lese genau und übertrage, wovon Sandra S. berichtet, auf seine eigene Haushaltssituation. Eine bittere Einsicht darein, welchen Sozialstaat wir uns angesichts des Wohlstandes leisten. Deutlich wird auch, um wieviel besser Sandra S. dastünde, wenn es ein BGE als Leistung pro Person gäbe, denn sie hat einen Sohn.

Siehe auch meinen Kommentar zur Armutsdiskussion im Anschluss an die Äußerungen Jens Spahns.

Sascha Liebermann