„Soll Deutschland ein bedingungsloses Grundeinkomen einführen?“ – Für Experimente: Jürgen Schupp, dagegen: Dominik Enste…

…beide Beiträge befinden sich auf der Website des Instituts der deutschen Wirtschaft.

Jürgen Schupps Position zusammengefasst:

„Sämtliche Initiativen werden wissenschaftlich begleitet und sollen ergebnisoffen evaluiert werden. Womöglich kommt am Ende dabei raus, dass ein bedingungsloses Einkommen im Saldo eher kontraproduktiv ist. Aber vielleicht auch, dass statt eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle eine hybride Form genau das ist, was unsere Sozialsysteme brauchen.“

Schupp überschätzt in meinen Augen die Leistungsfähigkeit solcher Experimente, wenn auch sein Plädoyer für eine offene Diskussion sympathisch ist. Er unterschätzt aber zugleich etwas ganz Entscheidendes, die Autonomiezumutung, die unserer politischen Ordnung innewohnt, weil sie die Mündigkeit (siehe auch hier) eines jeden Bürger nicht nur voraussetzt und anerkennt, sie fordert sie ihm auch ab. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen setzt nichts Anderes voraus und mutet genau dasselbe zu. Was heute schon vorausgesetzt wird, kann nicht Gegenstand einer Prüfung sein, es sei denn, man wolle prüfen, ob das Bestehen der Demokratie eine gute Idee ist.

Dominik Enste in Kurzform:

„Zudem fördert das Grundeinkommen eine Subventionsmentalität, deren negative Auswirkungen in vielen anderen Bereichen beobachtet werden können, weshalb dort verstärkt zu anderen Maßnahmen gegriffen wird. So geht es zum Beispiel in der Entwicklungszusammenarbeit heute vor allem um Hilfe zur Selbsthilfe und um den Aufbau von Systemen, die Eigenständigkeit und Selbstversorgung fördern.

Der Wunsch, etwas ohne Gegenleistung zu bekommen, ist verständlich. Doch bestenfalls die Liebe der Eltern zu ihren Kindern ist bedingungslos – und selbst in diesem Fall fällt das Geben leichter, wenn die Kinder diese Fürsorge wenigstens ab und zu mit einem Lächeln belohnen.“

Enste hat sich in den letzten Jahren immer wieder ähnlich lautend geäußert. Im ersten Absatz des Zitats fällt der Vergleich ins Auge, der unhaltbar ist. Während es bei der Frage eines BGE darum geht, dass eine politische Gemeinschaft von Bürgern sich dazu entscheidet, eine solche Leistung einzuführen und aus eigenen Mitteln zu finanzieren, verhält es sich mit der Entwicklungshilfe in vielerlei Hinsicht anders. Überraschend, dass Enste meint, beides miteinander vergleichen zu können. Ein BGE ist Hilfe zur Selbsthilfe, es fördert Eigenständigkeit, weil nicht eine Lebensentscheidung, die der Einzelne zu treffen hat, ihm vom BGE abgenommen wird. Es fördet zugleich aber Verantworungsbewusstsein, da sich jeder fragen muss, was er beitragen kann, sonst ist eine Gemeinschaft nicht lebensfähig auf Dauer.

Der zweite Absatz ist aufschlussreich oder sollte es eher heißen bezeichnend? Dieselbe Äußerung habe ich schon einmal kommentiert, siehe hier.

Sascha Liebermann