…fragte Susanne Ahlers, Leiterin des Jobcenters Bremen, in einem Interview mit dem Weser-Kurier. Die nüchterne Einsicht einer Praktikerin teilt sich auch hier mit:
„Sanktionen treffen häufig die Menschen, die schwächer sind, die beispielsweise psychische Probleme haben. Wer unsere Leistungen tatsächlich missbrauchen will, den treffen wir damit sowieso nicht.“
Das müsste eine Erfahrung sein, die in allen Jobcentern gemacht wird, wie sie jedem Sozialarbeiter vertraut sein müsste und jedem Sozialwissenschaftler, der sich mit der Frage, welche Gründe ein vermeintlicher „Missbrauch“ von Leistungen hat. An einer Stelle sagte sie auf die Frage, weshalb nun über die Sanktionen diskutiert wird:
„Inzwischen wird aber auch gesehen, dass Hartz-IV-Empfänger und -Empfängerinnen keine Drückeberger sind, sondern unsere Unterstützung brauchen.“
Sehen kann man nur, was man sehen will, dazu besteht nun vielleicht wirklich die Bereitschaft. Erkenntnisse darüber, dass Leistungsbezieher keine Drückeberger sind, liegen mindestens seit den Untersuchungen von Georg Vobruba und Kollegen seit 2002 leicht zugänglich vor (siehe hier). Die Frage ist, ob man das wahrhaben will – das schien bislang vielfach nicht der Fall zu sein.
Zum Sozialgesetzbuch sagte sie:
„Das SGBII ist ein sehr restriktives Gesetz – und das wirkt sich auch auf die Arbeit im Jobcenter aus. Deswegen muss es reformiert werden. Das Menschenbild hinter diesem Gesetz ist eher eines von Drückebergern, das ist völlig absurd.“
Aufschlussreich ist auch diese Passage:
„Das Problem ist: Die meisten Initiativen, wie das neue Teilhabechancengesetz, enden irgendwann. Wenn die Menschen nach dieser Maßnahme keinen Anschlussvertrag bekommen, fallen sie in ein noch tieferes Loch. Das muss die Politik ändern: Die Betroffenen dürfen nicht aufs Abstellgleis. Wir müssen die Menschen belohnen, nicht bestrafen.“
Was aber heißt belohnen? Bedeutet es doch auch lenken? Warum können sie nicht einfach in dem unterstützt werden, was sie zu erreichen versuchen, aber nicht alleine erreichen können. Anerkennung, das würde ausreichen, den Einzelnen in seinem Bestreben ernstnehmen. Nun fehlte nur noch, dass Frau Ahlers sich für ein Bedingungsloses Grundeinkommen ausspricht, doch das ist nicht Gegenstand des Interviews, es ist aber zum Greifen nahe.
Sascha Liebermann