„Sozialbürokratie ausdünnen“ – Thomas Straubhaar will bedarfsgeprüfte Leistungen abschaffen…

…so zumindest sagt er es in einem Interview, das er dem Weser-Kurier gegeben hat.

Unstrittig ist, dass ein BGE in entsprechender Höhe zahlreiche Leistungen ersetzen kann, manche benennt Straubhaar auch. Das Wohngeld aber ganz auszusetzen würde bedeuten, dass ein BGE sicherstellen müsste, in jeder Region auskömmlich leben und die Miete bezahlen zu können, das gälte für Ein- wie für Mehrpersonenhaushalte. Die Beträge, die Straubhaar bislang genannt hat, reichen dafür aber wahrscheinlich nicht aus. Für eine vierköpfige Familie stellt sich die Lage ganz anders dar als für Alleinstehende, es erstaunt, dass er das nicht thematisiert. Allerdings würde Wohngeld erheblich weniger beansprucht werden müssen, wenn mehrere Personen in einem Haushalt leben und schon ein BGE hätten.

Wenn er eine Vorsorge für’s Alter vorsieht, die dann jedem überlassen wäre, scheint er hier auf private Vorsorge zu setzen. Weshalb aber stattdessen ein Umlagesystem beibehalten, wenn es denn Leistungen oberhalb eines BGEs geben soll? Erfahrungsgemäß sind die Verwaltungskosten dafür gering, es müssen keine Provisionen gezahlt werden usw. wie es bei privaten Versicherungen der Fall ist.

Sascha Liebermann

„Denn wie soll Vertrauen entstehen, wenn die Menschen wissen, wir haben die Macht, ihnen ihr Existenzminimum zu kürzen?“…

…fragte Susanne Ahlers, Leiterin des Jobcenters Bremen, in einem Interview mit dem Weser-Kurier. Die nüchterne Einsicht einer Praktikerin teilt sich auch hier mit:

„Sanktionen treffen häufig die Menschen, die schwächer sind, die beispielsweise psychische Probleme haben. Wer unsere Leistungen tatsächlich missbrauchen will, den treffen wir damit sowieso nicht.“

Das müsste eine Erfahrung sein, die in allen Jobcentern gemacht wird, wie sie jedem Sozialarbeiter vertraut sein müsste und jedem Sozialwissenschaftler, der sich mit der Frage, welche Gründe ein vermeintlicher „Missbrauch“ von Leistungen hat. An einer Stelle sagte sie auf die Frage, weshalb nun über die Sanktionen diskutiert wird:

„Denn wie soll Vertrauen entstehen, wenn die Menschen wissen, wir haben die Macht, ihnen ihr Existenzminimum zu kürzen?“… weiterlesen

„„Fördern und Fordern“ ist eine Anmaßung“…

…schreibt Karoline Linnert (Bündnis 90/ Die Grünen, Senatorin für Finanzen in Bremen) im Weser-Kurier.

Ein interessanter Beitrag, der – wie selten genug geschieht – auf die Kontinuität hinweist, dass auch vor der Agenda 2010 Arbeitsbereitschaft erwartet wurde und es unsinnige Ämterbesuche gab. Die Willkür der Sachbearbeiter war groß, die Hilfen waren jedoch stärker am Einzelfall ausgerichtet. „Fördern und Fordern“ suggeriere, Leistungsbezieher müssten erzogen werden – treffend bemerkt. Aber am Ende überrascht die Autorin damit, in einem Bedingungslosen Grundeinkommen nur eine Fortsetzung des Pauschalierungsproblems von Hartz IV zu sehen, das das heutige Leistungsangebot auszeichne. Dabei ist es keineswegs nötig, für ein BGE auf einzelfallspezifische Hilfen zu verzichten. Allerdings stellt sich die Frage, in welchem Umfang sie angesichts eines BGEs als Individualanspruch noch in Anspruch genommen werden müssten, wenn durch Kumulation von BGE in einem Haushalt das Haushaltseinkommen steigt. Siehe dazu auch einen früheren Beitrag von mir hier.

Sascha Liebermann