…darüber kann man wieder staunen, denn der Beitrag von Patrick Bernau in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung beginnt genau damit:
„Die Krise haucht vielen alten Ideen neues Leben ein – das bedingungslose Grundeinkommen ist eine der populärsten: die Idee, dass jeder monatlich einen Grundstock an Geld bekommt, egal ob er arbeitet oder nicht, egal ob er es braucht oder nicht.“
Das BGE, eines seiner wichtigen Kriterien, ist eben von Bedürftigkeit nicht abhängig, genau dasselbe gilt für den Grundfreibetrag in der Einkommensteuer oder auch die Freibeträge für Kinder. Ein BGE behandelt alle gleich, wie es die Freibeträge auch tun, allerdings mit einer Einschränkung. Wer kein steuerbares Einkommen hat, für den bleiben die Freibeträge wirkungslos. Stattdessen ist er dann auf Grundsicherung angewiesen, um sein Existenzminimum zu sichern. Bernau sieht nicht, dass ein BGE genau diese Sicherungsfunktion viel besser leisten kann, zielgenau, ohne deutende bzw. deutend intervenierende Instanzen wie die Agenturen für Arbeit bzw. die Jobcenter. Beim Existenzminimum geht es nicht um Bedürftigkeit, nicht per se. Nur die Form, in der wir es heute in Gestalt der Grundsicherung bereitstellen, setzt Bedürftigkeit voraus. Bedürftigkeitsgeprüfte Leistungen würden sich erst auf Bedarfe oberhalb des Existenzminimums richten.
Dann heißt es:
„Dauerhaft leisten könnte sich das Land so eine Wohltat nur, wenn alle anderen Sozialleistungen wegfielen. Auch die Renten. Leuten mit größerer Lebensleistung mehr zu bezahlen wäre nicht mehr drin. Personen mit höherem Bedarf mehr zu bezahlen, ginge nicht mehr. Sozial ist das nicht.“
Warum ginge das nicht mehr, auf welche Größen bezieht sich Bernau hier? Es darf nicht vergessen werden, dass durch ein weiteres wichtiges Kriterium für ein BGE, das Individualprinzip, der Sachverhalt für die Deckung anderer Bedarfe, je nach Haushaltskonstellation, wegfiele. Ein Haushalt mit vier Personen, zwei Erwachsenen und zwei Kinder, stünde mit einem BGE anders da als andere Haushaltskonstellationen mit weniger Personen. Folglich – das hängt von der Kaufkraft des BGE-Betrags ab – wären weitere bedarfsgeprüfte Leistungen, die heute noch benötigt würden, nicht mehr notwendig und die Bezugsbedingungen dafür auch nicht mehr erfüllt – je nach Haushaltskonstellation. Das sollte zumindest berücksichtigt werden.
Später heißt es:
„Aber wäre die Krise nicht die beste Zeit, die gewagte Idee einmal auszuprobieren? Nein. Die Gefahr am bedingungslosen Grundeinkommen ist ja vor allem, dass ein Teil der Menschen die Arbeit aufgibt und antriebslos in der sozialen Hängematte liegenbleibt.“
So dahergesagt oder in irgendeiner Form belegt? Eher ersteres. Was heißt „ein Teil der Menschen“? Sind das viele, von welchen Größen wird gesprochen? Sind es diejenigen, die auch heute schon in einem Unternehmen am falschen Platz sind?
Und am Ende so etwas:
„Aber es gibt zu viele Modedesigner und Künstler, die mit dem bedingungslosen Grundeinkommen mehr Freiheit für unprofitable Projekte gewinnen möchten. Sie sollten sich ernsthaft eine Frage stellen: ob wirklich die Mitmenschen ihre Selbstverwirklichung finanzieren sollen.“
„Brauchen“ wir solche Diskussionsbeiträge? Klären sie etwas? Leisten sie wenigstens einen Differenzierungsgewinn?
Sascha Liebermann