Kardinal Marx erhält verständnisvolle Unterstützung angesichts der einseitigen Grundeinkommensbefürworter…

…von Ulrich Schäfer in der Süddeutschen Zeitung. In seinem Beitrag „Die Kritik des Kardinals“ springt Schäfer Marx zur Seite und attestiert ihm, dass er zu Recht gegen das Bedingungslose Grundeinkommen sei, denn man dürfe den Menschen nicht signalisieren „Ihr werdet eh nicht mehr gebraucht!“. Doch die Grundeinkommensbefürworter hätten nur die Zeile „das Ende der Demokratie“ gesehen. Nun, stammte diese Zeile denn nicht von der Süddeutschen Zeitung? Und hatte Marx das im Interview etwa nicht gesagt? Und war diese Verknüpfung von Erwerbsarbeit, denn nur um diese ging es, und Demokratie etwa nicht sonderbar?

Schäfer wirft „den“ BGE-Befürwortern folgende Haltung vor:

„Wenn Millionen Menschen ihren Job verlieren, weil hochintelligente Maschinen ihre Arbeit übernehmen, dann müssen sie aufgefangen werden – und zwar am besten mit einem bedingungslosen Grundeinkommen. Bedingungslos deshalb, weil es jeder bekommen soll, unabhängig davon, ob er Geld verdient oder nicht; wer arbeitet, muss also keine Angst mehr vor dem Absturz haben, und wer seinen Job verliert, hat auch dann noch genug zum Leben.“

Was spricht nun gegen diese Vorsorge? Sie ist doch nicht zugleich mit einem Arbeitsverbot verbunden. Es ist misslich, dass ständig diese Verknüpfung zwischen BGE und Digitalisierung – leider auch von den BGE-Befürwortern – hergestellt wird, obwohl sie für nicht notwendig ist. In der Tat lässt sich ein BGE damit nicht gut begründen. Das heißt aber nicht, dass dieses Argument das einzige sei, welches für ein BGE vorgebracht würde. Das weiß Schäfer sicher auch angesichts der vielen Artikel, die in der Süddeutschen schon erschienen sind.

Erläuternd stärkt er Kardinal Marx dann den Rücken:

„Der Kardinal beruft sich dabei auf die katholische Soziallehre, wonach der Mensch sich nicht nur über den Glauben an Gott definiert, sondern auch über seine Arbeit, mit der er sich in die Gesellschaft einbringt. Papst Johannes II. hat das schon 1981 in seiner Enzyklika „Laborem exercens“ ausgeführt. Arbeit, schrieb er damals, sei aktive Teilhabe am Schöpfungswerk Gottes. Es sei wichtig, dies dem Menschen auch dann zu ermöglichen, wenn immer mehr Arbeitskräfte durch Maschinen ersetzt werden.“

Von welcher Arbeit ist hier die Rede? Nur Erwerbsarbeit? Eine BGE würde doch gerade schöpferische Tätigkeit jenseits davon ermöglichen. Doch es scheint, dass die katholische Soziallehre den Arbeitsbegriff eben schon auf Erwerbsarbeit verengt und andere Leistungsformen unter den Tisch fallen lässt. Die katholische Soziallehre führt in ein Dilemma, wenn sie den Zweck von Erwerbsarbeit, die Wertschöpfung durch Bereitstellung von Problemlösungen, aus dem Auge verliert. Wenn es dazu weniger menschlicher Arbeitskraft benötigt, wäre es dann aus ihrer Warte sinnvoller, Möglichkeiten der Steigerung von Wertschöpfung nicht zu nutzen, nur um Beschäftigungsmöglichkeiten zu erhalten? Automatisierungschancen sind gerade das Resultat der schöpferischen Fähigkeiten des Menschen, mittels derer er Lebenszeit zurückgewinnen kann für den schöpferischen Einsatz seiner Fähigkeiten außerhalb von Erwerbstätigkeit, für den Teil also, den Automaten nicht übernehmen können. Dabei geht es um Tätigkeiten, die für gemeinschaftlichen Charakters sind. Hier bietet die Soziallehre offenbar keinen Ausweg und die von Schäfer erwähnte Enzyklika Laborem Exercens steckt im selben Dilemma fest.

Was schreibt er noch:

„Tatsächlich geht es Marx aber nicht so sehr um das Instrument Grundeinkommen, sondern um die Haltung, die hinter der Forderung danach steht. Es ist dies eine höchst defensive Haltung, sie unterstellt, dass die Arbeit mehr oder weniger verschwinden wird und dies unausweichlich ist. Sie unterstellt, dass schlaue Roboter die allermeisten Jobs zunichte machen und stattdessen nichts Neues entsteht – eine Angst, die schon während der ersten industriellen Revolution umging, als die Dampfmaschine aufkam und große Fabriken entstanden.“

In der Tat wird diese Debatte um die Digitalisierung polarisiert geführt, die einen verbreiten Horrorszenarios, die anderen – Schäfer auch – neigen dazu, etwaige Folgen kleinzureden. Doch, was genau kommen wird, wissen wir nicht. Insofern wäre Zurückhaltung geboten und zugleich die Frage zu beantworten, was denn nötig wäre, um präventiv solche etwaige Folgen abfangen zu können?

(siehe auch „Geht der Gesellschaft die Arbeit aus?“)

Was schlägt Schäfer vor?

„Hier gibt es großen Handlungsbedarf, gerade in der Aus- und Weiterbildung. Aber das Leitbild sollte sein, möglichst viele Menschen zurück in Arbeit zu bringen. Und nicht, ihnen zu signalisieren: Ihr werdet eh nicht mehr gebraucht!“

Möglichkeiten für Entfaltung schaffen, da würde keiner widersprechen, wenn jedoch (Erwerbs-)Arbeit ihres Sinnes entleert wird, um Arbeitsplätze zu schaffen, was wäre dann gewonnen. Es ist eben bezeichnend für die Verengung des Blicks, dass die „Arbeit“ jenseits“ der Erwerbsförmigkeit gar nicht in den Blick genommen wird. Entsprechend wird Bildung nur als „Aus- und Weiterbildung“ verstanden, aber zu welchem Zweck? Um schöpferische Kräfte entfalten zu können oder der Emloyability wegen?

Und das „Ende der Demokratie“? Nun, wer die Demokratie auf Arbeit, also Erwerbsarbeit, stützen will, statt auf politische Vergemeinschaftung von Bürgern, auf Bürgerrechte und Souveränität des Volkes, der hat ein eigenwilliges Verständnis von Demokratie (siehe hier und hier).

Sascha Liebermann