„Das Versagen der Vordenker“…

…so Matthias Oppliger in der Tageswoche über die bisherige Diskussion zur Eidgenössischen Volksinitiative. Ein Blick auf die Sache, der allerdings unter Einseitigkeit leidet.

In der langen Nacht des Grundeinkommens in Basel z.B. war das Publikum sicher auf der Seite der Volksinitiative und von daher einseitig. Allerdings kann daraus nicht geschlossen werden, dass es keine guten Argumente für das BGE gegeben hätte. Sowohl die Diskussion zwischen Andi Gross und Kathy Riklin über „Machtumverteilung“ und Demokratie, als auch die zwischen Rudolf Minsch und Anita Fetz über „Sozial ist, wer Arbeit schafft“ machten deutlich, worin sich der Blick der Diskutanten unterschied. Besonders Kathy Ricklin bestach durch ein Misstrauen in die Mündigkeit der Schweizer Bürger, die einen angesichts der praktizierten direkten Demokratie befremden konnte.

Was Oppliger übergeht, wenn er sich darüber beklagt, dass die Gegner ausgebuht worden seien, ist deren Auftreten. Reiner Eichenberger von der Universität Fribourg wie auch Lukas Rühli fielen durch besondere Aggressivität und Zynismus in ihren Stellungnahmen auf. Rühli nahm sich entgegen des Programms schlicht heraus, seine Stellungnahme zeitlich derart auszudehnen, bis ihm die Moderatorin, nachdem er wiederholt auf ihre Intervention nicht reagiert hatte, das Wort nahm. Da nicht die Befürworter in der öffentlichen Diskussion in der Mehrheit sind, sondern die Kritiker, war es erstaunlich genug, dass beide so aufgetreten sind. Es geht beim BGE offenbar ans Eingemachte, wenn man es salopp ausdrücken will.

Wenn Oppliger die Häme konstatiert, die Beiträge z. B. in der Neuen Zürcher Zeitung über das BGE ausschütten, dann wäre es wert gewesen zu erwähnen, wie widersprüchlich und grotestk teil deren Einwände sind.

Durchaus beklagenswert ist es, wenn immer wieder Argumente pro gebraucht werden, deren Triftigkeit behauptet wird, aber keineswegs klar ist (siehe hier), wie es sich mit ihnen tatsächlich verhält. Dazu zählt z. B. die wiederkehrende Behauptung, wir bräuchten ein BGE wegen der Folgen der Digitalisierung – das war auch bei der Future of Work-Konferenz im GDI der Fall. Die häufig zitierte Studie von Carl Frey und Michael Osborne – die in ihren Schlussfolgerungen vorsichtiger ist als viele Rezipienten – bezieht sich auf die USA und kann so z. B. nicht auf Deutschland übertragen werden. Genau diese Argumente meint Oppliger offenbar aber nicht, wenn er von schwachen spricht, er hält sie hingegen für sehr gewichtig.

Das soll nun nicht heißen, etwaige Folgen der Digitalisierung seien nicht bedenkenswert, das sind sie sehr wohl. Und in der Tat würde ein BGE uns ganz anders darüber diskutieren lassen, wenn wir auf einem sicheren Fundament stehen könnten. Heute ist die Diskussion hingegen von der Sorge bestimmt, es werde nicht mehr genug Arbeitsplätze geben. Dabei wäre es viel wichtiger, sich die Frage zu stellen, was wir für wichtig halten im Leben und entsprechend die Möglichkeiten ergreifen, die es gibt, genau dies zu gestalten. Ein BGE wäre eine sehr weitreichende Möglichkeit, kein Allheilmittel.

Sascha Liebermann