…so der Titel eines Interviews mit Franz Müntefering in den Ruhr Nachrichten. Müntefering hebt dabei die Bedeutung von Ehrenamtlichen für viele Aufgaben im Gemeinwesen heraus, die Haushaltstätigkeiten, die einen viel höheren Umfang an Stunden in Anspruch nehmen, erwähnt er nicht.
Siehe hier und eine ausführliche Fassung hier, einen Kommentar von Stefan Sell hier, von mir hier und hier.
Was sagt der ehemalige SPD-Vorsitzende zum BGE?
„Sollte ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt werden, damit mehr Menschen ehrenamtlich arbeiten können?
Ich bin ein entschiedener Gegner des bedingungslosen Grundeinkommens. Ich sehe darin eine große Falle: Es gibt ein Recht auf Bildung und es gibt ein Recht auf Arbeit. Die Menschen müssen ein Recht haben, in der Gesellschaft mitzumachen und nicht ausgehalten zu werden. Manche von denen, die das Grundeinkommen fordern, fordern im Grunde eine besser bezahlte Sozialhilfe. Wenn du mit 18 ein bedingungsloses Grundeinkommen kriegst und keiner nimmt dich, dann bist du mit 30 fertig. Solange ich kann, werde ich dafür streiten, dass jeder ein Recht hat, beschäftigt zu werden.“
Mitmachen versus Aushalten? Diese Unterscheidung ist schon aufschlussreich, sie entspricht dem Denken der Stilllegungs- bzw. Stillhalteprämie, so, als wäre das erste Problem unter allen, dass Bürger passiv werden, wenn sie ein BGE erhalten. Wenn sie aber doch mitmachen wollen, weshalb sollten sie sich das durch ein BGE nehmen lassen? Ein „Recht auf…“ kann nur bedeuten, dass Möglichkeiten geschaffen werden müssen – oder ist „Recht auf…“ gleichbedeutend mit „Pflicht zu…“? Das wäre die Wiederkehr der DDR. Alleine schon die Vorstellung, den „Menschen“ müsse ein Recht mitzumachen eingeräumt werden, ist erstaunlich, ja, haben sie es nicht ohnehin, da sie – als Bürger – das Gemeinwesen tragen? Münteferings Haltung ist die typische paternalistische Verkehrung der Verhältnisse. Denjenigen, die das Fundament bilden, wird von denjenigen, die sich vor ihnen rechtfertigen müssen, zugestanden, etwas zu dürfen. Das BGE eine „besser bezahlte Sozialhilfe“, da wäre wohl eine kleine Nachhilfe nötig. Es überrascht nicht, dass Müntefering dann am Ende der Passage ein „Recht“ darauf für wichtig hält, „beschäftigt zu werden“. Es ist ja im Grunde egal, was jemand macht, die Hauptsache, er ist beschäftigt.
Apropos Aushalten: wenn schon, dann konsequent, denn ein Gemeinwesen lebt davon, dass alle von allen ausgehalten werden, aus dieser Abhängigkeit kann niemand heraustreten.
Weiter heißt es:
„Aber tendenziell verschwinden immer mehr Arbeitsplätze …
Ja, einige sagen: „Mit der Digitalisierung gehen Jobs verloren.“ Aber: Als ich angefangen habe, als Industriekaufmann zu arbeiten, 1954, hatten wir eine 48-Stunden-Woche. Dann kamen die Gewerkschaften und sagten: 45-Stunden-Woche. Damals hatte ich eine Chefin, die gab mir ein Buch und darin war „bewiesen“, dass ein Land, in dem die Menschen nicht länger als 45 Stunden arbeiten, innerhalb von zehn Jahren pleite ist. Das kam anders, wie wir wissen. Heute sind wir bei 35 Stunden. Ich hab nichts dagegen, wenn es irgendwann auf 32 oder 30 geht, bei vollem Lohnausgleich. Wenn die Produktivität stimmt. Dann braucht man keine Gesellschaft, in der eine Gruppe gut verdient und eine am Rande aufs Grundeinkommen angewiesen ist.“
Hier wieder dieselbe Gegenüberstellung. Das BGE ist womöglich gerade deswegen ein solches Skandalon, weil es deutlich macht, wie sehr wir alle aufeinander angewiesen sind. In der Verklärung und Überhöhung der Vorstellung, von der eigenen Hände Arbeit zu leben, wollen wir nicht wahrhaben, dass es sich dabei um eine der größten Illusionen handelt, die man sich vorstellen kann.
Sascha Liebermann