Die Nachdenkseiten sind für manches eine interessante Quelle, auch für ihre Anmerkungen zur Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen – aber nicht etwa wegen ihrer differenzierten Einwände, sondern wegen ihrer Einseitigkeit. Jens Berger kommentierte nun das kürzlich abgedruckte Gespräch zwischen Richard David Precht und Christoph Butterwegge so:
„Prechts Äußerungen sind wirklich erschreckend. Man fragt sich unweigerlich, womit er eigentlichen den Ruf eines kritischen Vordenkers verdient hat. Seine Aussagen zum Grundeinkommen schwanken jedenfalls zwischen Banalitäten, Dummheiten und ungeschminktem Sozialrassismus. Dazu passt diese Passage aus dem Gespräch, die im „philosophie Magazin“ abgedruckt wurde …“ [An dieser Stelle wird die Passage zitiert, die für Aufsehen gesorgt hat, siehe hier, SL]
Bergers Frage hier ist berechtigt. Weshalb aber sagt er nichts zu Butterwegge, zu seinem Paternalismus und seiner teils grotesken Kritik am BGE? Weshalb kritisierte er für abschätzige Töne nicht Autoren, die auf den Nachdenkseiten gerne zitiert werden, z. B. dieser? Sonst sparen die Nachdenkseiten nicht mit Kritik auch an Positionen, denen sie durchaus nahestehen.
Dass Precht manch interessante Überlegung mit dramatisierenden Szenarios verbindet, kann man als sein „Markenzeichen“ betrachten. Manche meinen, seine Bekanntheit bringe wenigstens den Vorschlag weiter voran, insofern könne man doch froh sein. Aber ist bloße Präsenz in den Medien wirklich ein Zeichen von Verbreitung? Hilft Dramatisierung tatsächlich oder verdeckt sie nur die wirklich relevanten Argumente für ein BGE? Die Gewissheit, mit der er seine Diagnosen vorträgt, überdeckt die Waghalsigkeit, die sie nicht selten annehmen. Sein Paternalismus – und im kopierten Abschnitt aus dem „philosophie Magazin“ eine geradezu reaktionäre Haltung – ist nicht neu, in Bildungsfragen legte er sie schon früher an den Tag.
Precht wird nun von manchen in Schutz genommen, weil sie den Eindruck haben, dass er zu Unrecht für diese eine Passage übermäßig kritisiert werde. In der Tat sollte man nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. An der kritisierten Passage irritiert in meinen Augen weniger, dass er eine Altersgrenze einführt, das ist seine Konzeption mit entsprechenden Folgen für das BGE, die er offenbar nicht sieht, z. B. für Alleinerziehende. Selbst mit einem BGE von 1500 Euro, wie er es ansetzt (wir gehen einmal von gleichbleibenden Kaufkraftverhältnissen aus) liegt er allerdings nicht richtig, wenn er auf Butterwegge antwortet, es sei höher als die Ansprüche einer Familie mit fünf Kindern heute, wie die Berechnungen von Johannes Steffens zu zeigen scheinen. Auch hier also behauptet er einfach etwas.
In meinen Augen gravierender ist die herablassende Haltung, mit der er denjenigen begegnet, die – wie er sagt – keine Perspektive haben und deswegen Kinder in die Welt setzen. Damit rückt er sich selbst in die Nähe derer, die von „Sozialschmarotzern“ als großem Problem reden, den Sozialstaat als „Hängematte“ betrachten und ähnlichen abfälligen Bemerkungen. Nicht mit einer Silbe geht er an der Stelle darauf ein, dass, wo es eine solche Haltung geben sollte, wohl ganz andere Gründe dafür verantwortlich sind als eine Kosten-Nutzen-Kalkulation. Aus einem solchen Randphänomen abzuleiten, dass es gar kein BGE für Kinder geben solle – also von der Ausnahme auf die Regel zu schließen – widerspricht den sonstigen Ausführungen im Gespräch und folgt der Logik des Generalverdachts. Wenn denn tatsächlich aus einer wie von Precht angeführten Haltung das Kindeswohl gefährdet wäre – denn es liegt ja nahe davon auszugehen, dass Eltern, die so handeln, keine Auge für ihre Kinder haben -, greift das Achte Buch Sozialgesetzbuch (Kinder- und Jugendhilfe). Das gilt heute und gälte auch, wenn es ein BGE gäbe.
Sascha Liebermann