„Wenn es nichts mehr zu tun gibt, kann auch niemand mehr konsumieren“…

…ein erstaunliches Missverständnis offenbart René Schneider, SPD-Landtagsabgeordneter, in einem Interview mit RP-Online. Schneider gehört der neuen Enquête-Kommission „Digitale Transformation der Arbeitswelt in Nordrhein-Westfalen“ an. An einer Stelle des Interviews geht es um das Bedingungslose Grundeinkommen, welche Rolle es angesichts der Digitalisierung spiele. Schneider antwortet:

„Schneider: Ich habe zum „Bedingungslosen Grundeinkommen“ noch keine abschließende Meinung. Es werden in Zukunft viele Berufe wegfallen und die Politik muss darauf eine Antwort finden. Da könnte das Grundeinkommen eine Möglichkeit sein, damit die Leute nicht hinten runter fallen. Ich fürchte nur, dass diese Diskussion zu oft vom Schreibtisch aus geführt wird. Es wird Menschen geben, die dann keinen Job mehr haben, dafür aber ein Grundeinkommen und die fragen sich: Was mache ich denn jetzt den ganzen Tag? An der Stelle, wo das Grundeinkommen zu einer Entschuldigung wird, einen Teil der Bevölkerung zu Hause sitzen zu lassen, wird die Idee schräg.“

Schneider macht hier auf einen wunden Punkt mancher Befürworter aufmerksam, ohne aber zu differenzieren. Denn die Vorstellung, dass jemand einfach zuhause sitze, wenn er das nicht will, ist denkbar unrealistisch (siehe zum Vergleich auch hier). Mit einem BGE wird die Option, sich jenseits von Erwerbstätigkeit zu engagieren zu einer erwünschten Möglichkeit und nicht nur zu einer Ersatz- oder Ergänzungstätigkeit, wie es heute der Fall ist. Offenbar ist es nicht so einfach, die normative Wirkung des Erwerbsgebots heute zu verstehen, wenn es so einfach auf das BGE übertragen wird (siehe hier). Das BGE hebt dieses Gebot ja gerade auf und erweitert das erwünschte Engagement maximal.

Da Schneider Vorbehalte hat, wird er nach einer Alternative gefragt:

„Was wäre die alternative Idee?
Schneider: Die hätte ich mir schon lange patentieren lassen, wenn ich die hätte. Ein Ansatz dazu: Es kann nicht sein, dass Unternehmen Prozesse automatisieren und dann Arbeitnehmer entlassen, ohne dass die Gewinne der Allgemeinheit zur Verfügung stehen. Vielleicht müsste man sie verpflichten, das eingesparte Geld anschließend zu investieren, um beispielsweise die Leute, die eine Firma nicht mehr braucht, weiterzubilden.“

Wer wäre denn dafür verantwortlich, eine Lösung für die Automatisierungsfolgen zu finden, die der Allgemeinheit zugute käme? Die Unternehmen? Wohl kaum. Es wäre eine genuine Aufgabe des Gemeinwesens, das zu tun. Schneider schildert die Nutzung von Automatisierungsmöglichkeiten als etwas, das negative Folgen hat. Deutlich wird hieran, wie sehr Einkommen und Arbeitsplatz miteinander verkoppelt werden, nicht aber Arbeitsplatz und Leistung im Sinne von Wertschöpfung. Hierin kann eines der starken Hemmnisse gesehen werden für die BGE-Diskussion, die Entleerung des Leistungsgedankens zu einer Versorgungshaltung mittels Beschäftigungssicherung (siehe auch hier, als Gegenposition hier).

Es mag diese Entleerung sein, die den Journalisten dann zur nächsten Frage führte:

„Der Fortschritt wäre dann nichts mehr wert.
Schneider: Sie sollen einen Teil des eingesparten Geldes ruhig behalten. Unternehmen haben aber auch eine Verantwortung für die Gesellschaft. Das Geschäft funktioniert nur, wenn die Menschen die Produkte und Dienstleistungen bezahlen können. Wenn es nichts mehr zu tun gibt, kann auch niemand mehr konsumieren. Jeder gute Unternehmer versteht das.“

Hier wird die entscheidende Verwechslung deutlich. Um konsumieren zu können bedarf es Einkommen, nicht aber eines Arbeitsplatzes. Nicht Unternehmen haben die Verantwortung, dafür eine Lösung zu finden, sie sind dazu gar nicht legitimiert. Die Lösung muss politisch gefunden werden. Tatsächlich ist es bis heute jedoch so, dass Unternehmen meinen, es sei ihre Verantwortung, Arbeitsplätze zu schaffen, damit verkennen sie auf frappierende Weise, dass ihre Aufgabe ist, standardisierte Problemlösungen bereitzustellen, damit Wertschöpfung zu erzeugen. Die Verquickung beider Aspekte beeinträchtigt sowohl die Zuordnung politischer Verantwortung als auch das Leistungsverständnis. Ein BGE würde zu einer Entkopplung führen und damit beide ganz unterschiedlichen Seiten klarer hervortreten lassen.

Sascha Liebermann