…ein Beitrag von Ingmar Kumpmann auf Ökonomenstimme. Darin sind folgende Passagen besonders heraushebenswert:
„Erstens muss das erste oben genannte Ziel, also die Garantie eines nicht zu unterschreitenden Existenzminimums betont werden. Die eigenständige Bedeutung des Existenzminimums folgt aus der Verpflichtung des Staates durch das Grundgesetz auf die Menschenwürde und entspricht grundlegenden moralischen und humanen Prinzipien. Sie ist zugleich für die Wohlfahrt der Gesellschaft insgesamt wichtig.“
Hier könnte noch deutlicher werden, dass das Grundgesetz etwas zum Ausdruck bringt, das zu den elementaren Zusammenhängen von Demokratie gehört und im Böckenförde-Diktum treffend formuliert wurde. Erst vor diesem Hintergrund ist dann die Menschenwürde entsprechend ausdeutbar. Dann heißt es noch:
„Zweitens ist die Schaffung von Erwerbsarbeit nur sinnvoll, wenn sie die Wohlfahrt steigert. Erfolge allein darin zu sehen, die Arbeitslosenquote zu senken ohne auf die Produktivität, die Inhalte und die Qualität der geschaffenen Arbeitsplätze zu schauen, ist unzureichend.“
Kumpmann formuliert hier in anderer Weise, was ich andernorts als Leistungsfeindlichkeit oder Verwandlung von Unternehmen in Erziehungsanstalten bezeichnet habe, eine Haltung, die die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik prägt. „Beschäftigung“ über Leistungsergebnis zu stellen kommt der Entleerung des Leistungsethos gleich, damit setzen wir die Wohlfahrt ebenso auf’s Spiel. Abschließend schreibt Kumpmann resümierend:
„Es besteht also tatsächlich Reformbedarf bei Hartz IV. Reformen sollten aber anders als bei der Einführung des SGB 2 nicht mehr allein auf die Schaffung von Arbeit setzen, sondern sich stärker am Nutzen der Arbeit für die Gesellschaft und die Beschäftigten, an der Garantie eines Einkommensminimums für alle und am Ziel einer gleicheren Einkommensverteilung orientieren.“
Hier verbleibt Kumpmann – wie im ganzen Beitrag – innerhalb der Erwerbslogik, denn nur um die geht es offenbar, wobei ein „Einkommensminimum für alle“ auch ein Bedingungsloses Grundeinkommen sein könnte. Dem stand Kumpmann schon früher positiv gegenüber, siehe hier.
Zur Frage dessen, ob ein Lohnabstangsgebots (resp. der Armutsfalle) überhaupt die Bedeutung hat, die weithin behauptet wird, siehe hier:
Zur Kritik des Armutsfallentheorems (Ronald Gebauer und Hanna Petschauer)
Die Arbeitslosigkeitsfalle vor und nach der Hartz-Reform (Georg Vobruba und Sonja Fehr)
Fordern statt Fördern? – Nein! Wege aus Arbeitslosigkeit und Armut erleichtern (Ronald Gebauer)
Arbeit gegen Armut. Grundlagen, historische Genese und empirische Überprüfung des Armutsfallentheorems (Ronald Gebauer)
Sascha Liebermann