„…die Leistungsbereitschaft des Einzelnen…“…

…ich kann die Verwunderung über die Äußerungen Raffelhüschens nachvollziehen, doch sollte die Aufregung nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Haltung in der einen oder anderen Form auch dort verbreitet ist, wo nun das Bürgergeld verteidigt oder in Schutz genommen wird. Nicht besser ist es wiederum, wenn aus irgendwelchen „systemischen“ Gründen im Sinne von, was zu verteilen ist, müsse erst erwirtschaftet werden (Kostgänger-Einwand), letztlich ähnlich argumentiert wird, nur verbunden damit, dass jeder seinen Beitrag – also Erwerbsteilnahme – leisten müsse. Solange das soziokulturelle Existenzminimum (wie auch immer es definiert wird) in einem Gemeinwesen denjenigen, die dort ihre Lebensmitte haben, nicht vorbehaltlos bereitgestellt wird, weil es ihre Zugehörigkeit (siehe auch hier) zum Gemeinwesen gebietet, solange manövriert die Diskussion in vertrauten Gewässern.

Sascha Liebermann

Scheint ein einfacher Gedanke zu sein,…

…für Werner war klar, was daraus folgen musste. Dennoch wird der erwerbszentrierte, die Einkommenssicherung unter Vorbehalt stellende Sozialstaat nach wie vor weitgehend verteidigt, obwohl dieser Vorbehalt zugleich einer gegen die Würde der Person um ihrer selbst willen und um des Gemeinwesens selbst willen ist.

Sascha Liebermann

Treffender Kommentar auf die Feier der Menschenwürde durch Ralf Stegner (SPD)

Über lasche Sanktionen und Bürger, die „brav“ zur Arbeit gehen – Heinrich Alt zum Grundeinkommen

…zumindest, wenn man dem Bericht in focus glauben kann. Dort wird Heinrich Alt, ehemaliger Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, wie folgt wiedergegeben:

„Alt bemängelte, dass wenn jemand eine Kürzung von 30 Prozent bekommen habe, könne er künftig machen, was er wolle. Mehr Sanktion gebe es nicht. „Er braucht sich nicht mehr zu melden, nicht mehr zu kooperieren. Er muss nur noch seine Kontonummer angeben, bekommt 70 Prozent des Regelsatzes und die Miete voll bezahlt”, so Alt weiter. Das halte er für falsch. Besonders gegenüber denjenigen, „die das alles finanzieren, jeden Morgen aufstehen und brav zur Arbeit gehen“ und sich an die Spielregeln halten müssten.“

Alles zu lasch, kein Disziplinierungsinstrument mehr, so lässt sich schließen. Das komme einer „bedingungslosen Grundsicherung“ gleich – wieder eine Verdrehung, denn Hartz IV erhält nur, wer bestimmte Bedingungen erfüllt. Deutlich macht Alt damit, was er vom Existenzminimum hält, es gilt nicht bedingungslos, ganz wie er sich zum Bedingungslosen Grundeinkommen früher schon geäußert hatte, das sei eben eine „Horrorvision“. Was kümmert ihn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts dazu.

Man beachte: „die […] jeden Morgen […] brav zur Arbeit gehen“ – eine hübsche Vorstellung vom Bürger hat er da, der ehemalige BA-Vorstand als Erzieher der Widerspenstigen?

Sascha Liebermann

„Arbeitslose fördern statt ins Existenzminimum eingreifen“ – Sanktionen aufheben, aber Erwerbsgebot beibehalten?

Diese Frage stellt sich angesichts einer Pressemitteilung auf der Website des Deutschen Gewerkschaftsbundes am Tag der Verkündung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu Sanktionen im Arbeitslosengeld II. Unter dem Beitrag ist eine „gemeinsame Erklärung“ veröffentlicht worden, die verschiedene Personen – Politiker, Verbandsvertreter und Wissenschaftler – unterzeichnet haben. Sie schließt mit der Forderung:

„Darum fordern die Unterzeichnenden, die bestehenden Sanktionsregelungen aufzuheben. An Stelle der geltenden Sanktionsregelungen ist ein menschenwürdiges System der Förderung und Unterstützung nötig!“

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Systemfrage gestellt, umschifft und was folgt daraus?

Stefan Sell hat sich in zwei Beiträgen zum einen mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, zum anderen mit der medialen Kommentierung befasst. Zum ersten Beitrag lautet sein Fazit:

„Fazit: Das höchste Gericht hat ein Urteil gefällt, dass die Systemfrage einerseits erkennbar umschifft, also die Letztfrage der Bedingungslosigkeit eines existenziellen Minimums. Auf der anderen Seite hat es die Systemfrage eindeutig geklärt, denn im bestehenden System der bedürftigkeitsabhängigen Sozialhilfe darf der Staat ein Sub-Existenzminimum installieren. Für viele Menschen wird es pragmatisch nun darum gehen müssen, dass das, was in den Jobcentern passiert, rechtlich möglichst klar normiert und zugleich eine zivilgesellschaftliche Anwaltsfunktion installiert wird, die Hilfestellung leisten kann, wenn man im letzten Außenposten unseres Sozialstaates unter die Räder kommt.“

Das Urteil besagt aber lediglich, dass der Gesetzgeber Sanktionen einsetzen darf, sie folgen aber keineswegs aus dem Grundgesetz. Es bleibt darüber hinaus der Widerspruch zwischen der Würde nach Artikel 1 GG, die unverfügbar ist – wie es das Existenzminimum sein sollte – und doch zugleich verfügbar ist. Erst wenn das Existenzminimum bedingungslos gilt, gilt die Würde bedingungslos. Was es dazu braucht? Nur eines: ein entsprechendes Grundeinkommen.

Sascha Liebermann

„Hartz IV – Wo liegt der Handlungsbedarf?“…

…ein Beitrag von Ingmar Kumpmann auf Ökonomenstimme. Darin sind folgende Passagen besonders heraushebenswert:

„Erstens muss das erste oben genannte Ziel, also die Garantie eines nicht zu unterschreitenden Existenzminimums betont werden. Die eigenständige Bedeutung des Existenzminimums folgt aus der Verpflichtung des Staates durch das Grundgesetz auf die Menschenwürde und entspricht grundlegenden moralischen und humanen Prinzipien. Sie ist zugleich für die Wohlfahrt der Gesellschaft insgesamt wichtig.“

„Hartz IV – Wo liegt der Handlungsbedarf?“… weiterlesen