„Ein Grundeinkommen halte ich für moralisch verwerflich“…

…meint der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, und lässt erkennen, wofür er steht. Er stößt damit ins gleiche Horn wie sein ehemaliger Kollege Heinrich Alt Anfang Januar dieses Jahres (siehe auch hier). Scheele weist zu Beginn des Interviews, in dem er das geäußert hat, darauf hin, was es bedeutet, in „unserem Land“ arbeitslos zu werden. Es komme einer Entwertung gleich. Wenig später heißt es dann aber: „Man muss es nicht als Demütigung empfinden. Wenn man arbeitslos wird, hat man Anspruch auf Sozialleistungen“. Dann ist es ja nicht so schlimm, die Arbeitsstelle zu verlieren, oder doch?

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„Die Würde des Menschen ist unantastbar…“…

…schrieb Lutz Hausstein auf den Nachdenkseiten über Ralph Boes‘ Sanktionshungern. Trotz „massiven Drucks“ aus der „Bevölkerung“, der es vermocht hat, die Sanktionen in die öffentliche Debatte zu bringen, sei nichts geschehen, heißt es in seinem Beitrag. Er zeichnet ein deutliches Bild davon, was die gegenwärtige Sozialgesetzgebung für Folgen hat.

Dass eine Abschaffung der Sanktionen in der Sozialgesetzgebung erstrebenswert ist, steht außer Frage. Doch zu erreichen ist das nur, wenn ein Mindesteinkommen als Regelfall bereitgestellt wird und nicht als Notfall- oder Ausnahmeleistung. Erst ein Bedingungsloses Grundeinkommen ebnet diesen Weg, weil nur es die normative Vorrangstellung von Erwerbstätigkeit aufhebt. Davon ist in dem Beitrag hingegen keine Rede, obwohl Ralph Boes Engagement gerade vor diesem Hintergrund zu verstehen ist.

Eine auffällige Lehrstelle ist das, denn wer von Menschenwürde spricht, müsste sogleich zu dem Schluss kommen, dass jedes System sozialer Sicherung, das Sicherungsleistungen nur als Ausgleichsleistungen zu fehlendem Erwerbseinkommen rechtfertigt, gerade nicht die Würde der Person im Zentrum hat. Hier besteht ein offener Widerspruch im Denken derer, die zwar mit der Würde des Menschen aus dem Grundgesetz gegen „Hartz IV“ argumentieren, aber kein BGE haben wollen (siehe z.B. hier, hier und hier).

Lutz Hausstein argumentiert darüber hinaus ausschließlich juristisch, wenn er die Verfassungswidrigkeit der Sanktionen hervorhebt. Diese Argumentation ist insofern problematisch, als sie die juristische Auslegungslehre an die Stelle der politischen Willensbildung setzt. Es ist vorstellbar, dass das Bundesverfassungsgericht keineswegs „Hartz IV“ für verfassungswidrig erklärt. Für diejenigen, die juristisch argumentieren, wäre damit die Diskussion erledigt oder sie müssten dagegen wiederum den Rechtsweg beschreiten. Die Willensbildung aber sollte in unserer politischen Ordnung in der Öffentlichkeit sich vollziehen, die Bürger als Bürger ansprechen und für einen Gestaltungsvorschlag werben. Im Parlament dann wäre über die Ausgestaltung und Absicherung durch Gesetz zu entscheiden. Nur dort entscheiden wir, wie wir zusammenleben wollen, nicht im Bundesverfassungsgericht (siehe meine Kommentare zu dieser Frage hier und hier).

Sascha Liebermann

„Neue deutsche Verachtung“…

…ist ein Artikel im Schwerpunkt „Arbeit. Unsere Religion“ der Frankfurter Rundschau übertitelt, der sich mit dem Ansehen von Langzeitarbeitslosen befasst. Darin wird die stetige Reduzierung von Leistungen vor allem für Arbeitslose (Arbeitslosenhilfe) thematisiert, die über die Jahre bis zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe stattgefunden hat. Der Autor, Martin Staiger, spricht von einer Verachtung, die sich gegenüber Arbeitlosen breitgemacht habe und schließt seinen Beitrag folgendermaßen:

„…Vielleicht sollten wir uns wieder auf die Prinzipien wesentlich älterer Religionen besinnen: Sowohl in der jüdischen als auch der christlichen Tradition kommt dem Menschen eine unveräußerliche Würde zu – gänzlich unabhängig davon, was er zu leisten imstande ist. Und diese Überzeugung, die auch mal das deutsche Grundgesetz geprägt hat, ist um vieles menschenfreundlicher – und um vieles realistischer – als unser Arbeitskult…“

Ja, und nun? Was folgt daraus? Rückkehr zu den Verhältnissen der alten Arbeitslosenhilfe? Der Gedankenführung von Staiger zufolge wäre das keine Antwort auf seine Diagnose. Was aber dann? Es bleibt doch letztlich nur eines, um den „Arbeitskult“ aufzugeben: das Bedingunglose Grundeinkommen (siehe auch einen früheren Kommentar).

Sascha Liebermann

„…von Erwerbsarbeit als Voraussetzung für ein Leben in Würde ist dort nicht die Rede…“

In einem Beitrag über den Deutschen Gewerkschaftsbund schreibt Eva Roth in der Frankfurter Rundschau:

„…Umso erstaunlicher ist die Bescheidenheit der DGB-Spitze. Das Gehalt eines Arbeitnehmers solle zumindest den Lebensunterhalt gewährleisten, heißt es in ihrem Leitantrag zum Thema Arbeit. Denn: „Jeder Mensch hat das Recht auf ein Einkommen aus Arbeit, das ihm ein Leben in Würde [Hervorhebung SL] ermöglicht.“ Mit Verlaub: Dass die Würde des Menschen unantastbar ist, steht bereits im Grundgesetz. Von Erwerbsarbeit als Voraussetzung für ein Leben in Würde ist dort nicht die Rede…“

Scharfsinnig bemerkt die Autorin die Umdeutung der Menschen- in die Erwerbstätigen-Würde. Doch was wäre daraus die Konsequenz? Die Autorin zieht keinen Schluss daraus, der ihrer Bemerkung entsprechen würde. Wenn die Würde nicht von Erwerbstätigkeit abhängen darf, dann gibt es dafür nur eine Alternative: ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Die Stellung des Bürgers in der Demokratie wird durch die Bürgerrechte abgesichert, nicht durch Erwerbstätigenrechte. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen würde dem genau entsprechen.

Sascha Liebermann

„Auf dem Weg…“ – Ralph Boes unterwegs

Heute startet Ralph Boes (siehe hier und hier) seine „Tour“ durch Deutschland, auf der er über die Auswirkungen heutiger Sozialpolitik (Arbeitslosengeld II usw.) informieren, mit Betroffenen ins Gespräch kommen und auf Alternativen aufmerksam machen möchte. Zentral natürlich hierfür ist das Bedingungslose Grundeinkommen.

Gregor Gysi und Hans Werner Sinn – eine Allianz gegen das bedingungslose Grundeinkommen

Eine wunderbare Bestätigung für die einen, ein untrüglicher Beweis für die anderen war in „Menschen bei Maischberger“, am 13. Februar, der Auftritt von Gregor Gysi. Wer noch Zweifel daran hatte, daß Hans Werner Sinn und Gregor Gysi (wie auch im letzten Jahr schon Oskar Lafontaine, Rudolf Hickel und Albrecht Müller) am selben Strang ziehen, konnte sich des Gegenteils vergewissern.

Während Hans Werner Sinns beharren auf der vermeintlich notwendigen Berechenbar- und Finanzierbarkeit des Grundeinkommens einen deutlich buchhalterischen Geist erkennen ließ, für den nichts wirklich sein kann, was nicht in Zahlenkolonnen ausdrückbar ist, gab sich Gregor Gysis Verständnis von Gerechtigkeit und Menschenwürde deutlich zu erkennen: Wo kein Arbeitswille bzw. keine Arbeitsbereitschaft – da soll es auch keine Gegenleistung geben, „ein bißchen Druck ist schon nötig“. Bürger, die um ihrer selbst willen geachtet werden, weil sie das Fundament unseres Gemeinwesens, der Volkssouverän, sind, scheint es für Gregor Gysi nicht zu geben. Menschenwürde ist in seiner Vorstellung die Menschenwürde durch Erwerbsarbeit – wer sich daran nicht beteiligt, verletzt die Menschenwürde der anderen. Mit solchen Vorstellungen steht der Rückkehr in den Arbeiter- und Bauernstaat, in die alte Gesellschaft der Werktätigen nichts mehr entgegen.

Ist Hans-Werner Sinn nun auch Sozialist oder Gregor Gysi Neoliberaler?

Will Hans Werner Sinn also durch den Niedriglohnsektor Druck auf uns Bürger als Erwerbstätige ausüben, da nur so buchhalterisch „bessere“ Zahlenkolonnen zu erzeugen sind, darf es nach Gysi an Druck nicht fehlen, damit Arbeitsfähige auch zu Arbeits- also Erwerbsarbeitssuchenden werden. Denn nur das sei gerecht, nur das verletzte die Menschenwürde nicht. Ein gewaltiger rhetorischer Aufwand Gysis war notwendig, um das Mißtrauen in die Eigeninitiative der Bürger nicht ganz so obrigkeitstaatlich erscheinen zu lassen und die entsprechenden Vokabeln wie Solidarität, Gerechtigkeit, Sozialstaat und dergleichen abzuspulen. Doch nur, wer sich davon blenden ließ, konnte überhören, worum es eigentlich geht: Vertrauen ist ein hehres Ideal, Mißtrauen ist notwendig, deswegen ist eine Kontrolle der Bürger, eine Überwachung ihres ausreichend an den Tag gelegten Arbeitsanreizes am besten.

Können Entscheidungen, die unser Gemeinwesen betreffen und die Zukunft eröffnend gestalten sollen, überhaupt berechnet werden? Können wir ernsthaft die Frage, wie wollen wir leben, derjenigen danach, ob wir es nach heutigen Vorstellungen auch bezahlen können unterordnen? Ließen wir uns darauf ein, was würden wir noch zu verändern in der Lage sein – gar nichts. Wer die Frage nach der Finanzierbarkeit stellt, behauptet zugleich, die Folgen einer Entscheidung, die in die Zukunft reicht, seien zu errechnen. Doch Rechenmodelle, die nicht zufällig auch Simulationen genannt werden, setzen nur das Denken der Vergangenheit in die Zukunft fort. Wo aber umgedacht werden muß, müssen wir auch mit den Vorstellungen der Vergangenheit brechen.

An einem kann doch kein Zweifel bestehen, daß nämlich unser Wohlstand auf die Leistungsbereitschaft von uns Bürgern zurückgeht. Nichts spricht dafür, daß diese Leistungsbereitschaft mit einem Grundeinkommen schwächer würde, sie nähme doch wohl eher zu, denn das Grundeinkommen stellte alle Bürger gleich, behandelte ihre Engagement gleichwertig, ob sie zusätzlich ein Erwerbseinkommen erzielten oder nicht.

Sascha Liebermann