Diese Frage stellt sich anlässlich des Interviews mit Reinhold von Eben-Worlée, Präsident von Die Familienunternehmer, in der Neuen Zürcher Zeitung, der folgendes darin ausführt:
„[NZZ] Zuletzt hat aber auch der grüne Vorstand Vorschläge gemacht für eine sogenannte «Garantiesicherung» ohne Arbeitszwang, die ein bedingungsloses Grundeinkommen über die Hintertür einführen würde.
[Eben-Worlée] Die Schröderschen Hartz-IV-Reformen haben ja gerade deswegen so gut gewirkt, weil es kein bedingungsloses Grundeinkommen gab. Wir haben darüber hinaus ein erhebliches demografisches Problem in Deutschland und können es uns gar nicht leisten, eine Gruppe von Mitbürgern einfach mit bedingungslosem Grundeinkommen auszugliedern. Wir werden diese Leute brauchen, um unser Bruttosozialprodukt für alle aufrechtzuerhalten.“
Gut gewirkt inwiefern? Und: um welchen Preis? Wenn es einem Unternehmer nicht gleichgültig sein kann, aus welchem Antrieb heraus ein Mitarbeiter sich bei ihm bewirbt und sich zu engagieren bereit ist, dann ist Hartz IV das denkbar abwegigste Instrument dafür. Wenn der Präsident des Bundesverbandes der Familienunternehmen spricht, müsste es ihm doch um Wertschöpfung gehen, dann würde die Leistungsbereitschaft zählen, die sich am besten erkennen lässt, wenn jemand sich nicht um des Einkommens willen bewerben muss. Wenn es das Ziel ist, eine Aufgabe möglichst gut zu erledigen, spielt die Motivation der Mitarbeiter eine entscheidende Rolle – nicht aber offenbar für die Familienunternehmer.
Schaut man sich die untenstehende Grafik an, zeigt sich als Erfolg, dass die Arbeitszeit je Erwerbstätigen abgenommen (hätte das nicht noch höher ausfallen können?), das Arbeitsvolumen hingegen zugenommen hat. Was ist nun wichtiger, die notwendigen Einsatz menschlicher Arbeitskraft, wo vernünftig, zu verringern oder möglichst viele Bürger in den Arbeitsmarkt zu „integrieren“? Unternehmerisch ist letzteres nicht von Bedeutung. Außerdem werden Mitbürger mit einem BGE gar nicht ausgegliedert, denn es erhalten alle. Man könnte ja vielmehr andersherum sagen, alle werden eingegliedert, ganz unabhängig davon, ob sie erwerbstätig sind. Das ist es, was ein Sozialstaat unter Bedingungen einer liberalen Demokratie zu leisten hat, wenn er ihren Grundfesten entsprechen soll. Wir brauchen also nicht unbedingt „Leute“, sondern Wertschöpfung, die auch mit weniger oder gar ohne in bestimmten Bereichen möglich ist. In welchem Umfang ist aber keineswegs klar.
Eine ganz andere „Denke“ bezüglich unternehmerischer Aufgaben zeigte schon vor Jahren Götz W. Werner. In einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung sagte er:
[Stuttgarter Zeitung]“Wäre es nicht Ihre vornehmste Aufgabe, Arbeitsplätze zu schaffen?
[Götz W. Werner] Ich muss wirklich sagen, dass ich dieses Gerede von der Schaffung neuer Arbeits- plätze langsam nicht mehr hören kann. Warum wird dem so wenig widersprochen? Die Wirtschaft hat nicht die Aufgabe, Arbeitsplätze zu schaffen. Im Gegenteil. Die Aufgabe der Wirtschaft ist es, die Menschen von der Arbeit zu befreien. Und das ist uns in den letzten 50 Jahren ja auch grandios gelungen.“
Arbeitsplätze sind kein Selbstzweck, wo möglich können Maschinen die Aufgaben übernehmen.
In einem Interview mit Der Standard erhält das noch eine andere Wendung:
„STANDARD: Arbeitgeber wären von der Verantwortung freigespielt [im Falle der Einführung eines BGE, SL], für existenzsichernde Jobs zu sorgen.
Werner: Das ist auch nicht Aufgabe der Unternehmer. Ihr Job ist es, unter Einsatz von Geist, ressourcenschonend, mit sparsamen Umgang mit menschlicher Lebenszeit konsumfähige Güter herzustellen. Wir nehmen als Unternehmer ja Lebenszeit in Anspruch.“
Lebenszeit ist also hier etwas Kostbares, das nicht verschleudert werden sollte. Sie ist nicht zurückzuholen. Deswegen gilt es abzuwägen, ob sie tatsächlich für die Bereitstellung standardisierter Güter und Dienstleistungen notwendig ist.
Was ist also nur mit den Unternehmern los, dass sie so defensiv oder gar abwehrend über ein BGE sprechen, von wenigen Ausnahmen abgesehen? Angesichts solcher Ausführungen sind die Unterschiede zu gewerkschaftlichen Stellungnahmen beinahe zu vernachlässigen, wenn es um die Frage geht, wieviel Selbstbestimmung soll möglich sein. Dabei ist es gerade diese Selbstbestimmung, die die für die Entstehung von Problemlösungen nötige Pluralität ermöglicht.
Siehe frühere Beiträge zu dieser Thematik hier und hier.
Sascha Liebermann