Die SPD hat jüngst ihren Entwurf für das Bundestagswahlprogramm vorgelegt und seitdem kursiert wieder der Vorschlag eines Bürgergeldes, um „Hartz IV“ hinter sich zu lassen. Auf Unklarheiten diesbezüglich haben wir hingewiesen, seitdem der Vorschlag gemacht wurde. Auf eine Zuschrift mit Hinweisen auf Aussagen Kevin Kühnerts zum Bürgergeld zeigt sich die Unklarheit nochmals deutlich.
Das Existenzminimum bleibt in unserem Konzept immer unangetastet und das Existenzminimum ist laut Bundesverfassungsgericht der Regelsatz. Abzüge davon folglich nicht möglich.
— Kevin Kühnert (@KuehniKev) March 1, 2021
Diese Äußerung entspricht auch einer, die Kühnert in der taz im Jahr 2019 machte:
„[taz] Auch bei Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger? Manche Parteilinke halten den SPD-Beschluss für das Ende der Sanktionen. Arbeitsminister Heil redet von Konsequenzen, wenn Hartz-IV-Empfänger ihre Pflichten verletzen. Was gilt?
[Kühnert] Wir haben einen Kompromiss entwickelt. Der sieht vor, dass sogenannte Teilhabevereinbarungen mit den Betroffenen geschlossen werden.
Damit diese verbindlich sind, soll es Mitwirkungspflichten geben. Werden diese verletzt, dann kann es nach unserem Konzept zwar Konsequenzen geben, ausgeschlossen sind dabei aber Sanktionen auf das Existenzminimum. Und das Existenzminimum entspricht nach aktueller Rechtsprechung dem Hartz-IV-Satz. Er bleibt unangetastet und das ist schon ein erheblicher Fortschritt.“
Wenn das Existenzminimum der Regelsatz ist, es zugleich aber Mitwirkungspflichten geben soll, wie können diese durchgesetzt werden, ohne dass Sanktionen zur Verfügung stehen? Oder richten sich diese Sanktionen auf andere Leistungen, die über den Regelsatz hinausgehen? Sind sie dann weniger schwerwiegend? Schon vor der Einführung von „Hartz IV“ gab es Sanktionsinstrumente, so im Bundessozialhilfegesetz. Solange Mitwirkungspflichten bestehen und diese ernstgenommen werden sollen, muss es Sanktionsmöglichkeiten geben. Auch Kühnert bleibt hier eine Antwort schuldig, wie das aussehen soll. Ganz verzichten kann man erst, wenn – wie im Vorschlag einer Garantiesicherung – die Erwerbsbereitschaft gar nicht mehr Bedingung für den Bezug der Leistung ist, sondern eine Bedürftigkeitsprüfung alleine zur Feststellung dient.
All diese Inkonsistenzen und Abgrenzungsschwierigkeiten hätte man nicht, wenn ein BGE eingeführt würde. Auch auf seiner Basis könnte es Bedarfsfeststellung geben für den Fall, dass ein BGE aufgrund hoher Wohnkosten nicht ausreicht. Doch erfolgte diese Bedarfsfeststellung auf einer anderen Grundlage, da sind die Grünen schon einen erheblichen Schritt weiter mit ihrer Garantiesicherung.
Sascha Liebermann