In einem Interview über die Folgen der Digitalisierung für die Arbeitswelt, das im Jahr 2017 für die Website der Telekom mit Jeremy Rifkin (hier die englische Fassung des Interviews) geführt wurde, äußerte er sich auch zum Bedingungslosen Grundeinkommen:
„[telekom] Some recommend an unconditional basic income. In your opinion, is this an option for the economy of a future society?
Jeremy Rifkin: We are not just going to pay people to do nothing. The recommendation about guaranteed income came from my book, The End of Work, published in 1995. Milton Friedman also talked about a guaranteed income as well. However, I never suggested we pay people just a guaranteed income to do nothing. Human beings are social creatures. We need to contribute to society and find value in our lives. We don’t just get a guaranteed income to sit around and be entertained.“
Die Antwort macht sogleich hellhörig, wenn ein UBI (BGE) als Bezahlung dafür betrachtet wird, nichts zu tun – denn es ist keine Bezahlung. Sie bereitet sogleich vor, was dann folgen wird. Etwas vollmundig scheint Rifkin zu meinen, er habe den Vorschlag eingeführt, das kann er kaum ernst meinen, denn in dem Buch „The End of Work“ stellt er die Diskussionen in den USA dar, es muss ihm also wohl bekannt sein, dass nicht er den Vorschlag eingeführt hat. Interessant ist die Verknüpfung, die er dann vorschlägt, denn wenn Menschen soziale Wesen sind und von daher ein Bedürfnis haben, zum Gemeinwesen beizutragen, weshalb sollten sie dann herumsitzen und sich unterhalten lassen? Diese Wendung trifft man oft auf Seiten derjenigen, die ein BGE genau deswegen ablehnen – Rifkin erweist sich hier als ein Vertreter der Stilllegungsfraktion.
In derselben Passage geht es weiter:
„We are already seeing a dramatic transition into employment in the social economy, the nonprofit sector, the civil society, and the Sharing Economy where you require humans with humans ‑‑ environment, culture, education, healthcare, the arts, etc. This is the realm where we create our humanity. Already, today, the nonprofit sector in the United States accounts for 10% of all paid employment and is the fastest growing employment sector. In Europe, the nonprofit sector in some countries is as much as 14% of paid employment. We will likely see an increasing shift from market employment to employment in the nonprofit and social economy as well as the Sharing Economy as we move toward an increasingly automated capitalist system, allowing us to free up humanity for more expansive employment in the social domain.“
Rifkin bemerkt nicht, wie verhältnismäßig gering dieser Anteil im „nonprofit sector“ – „where your require humans with humans“ – im Vergleich zur „unbezahlten Arbeit“ ist. Rifkin kann sich offenbar nicht vorstellen, dass der letztere Teil erheblich umfassender, aber in keiner Form abgesichert ist – außer mittelbar durch Erwerbseinkommen. Es geht stets nur um „employment“.
Von Seiten des Interviewers kommt dann eine Frage, die eher zeigt, dass er Rifkin nicht verstanden hat:
„[telekom] A society without labor – would that work at all?
Jeremy Rifkin: We used to have a 60‑hour work, then a 50‑hour work week, then a 45, then a 40. Now, we’re at a 35 work week in some countries in Europe. As we get more automated, we’re going to go to a 30 hour work week and even a 25 hour work week by 2040. Whenever there are dramatic increases in productivity brought on by major technological and economic paradigm shifts, the choice is always between reducing the workforce or reducing the work week. Traditionally, we have always chosen to reduce the work week so people can get on with the rest of their life and engage in the social economy, in deep play, in creating our social capital and our humanity. All these are possibilities.“
Es geht also gar nicht um eine „society without labor“, nicht einmal für Rifkin, lediglich um eine Reduktion der Erwerbsarbeitszeit. Die hält Rifkin nun offenbar für keine Bedrohung, man male sich nur aus, was denn wohl in der gewonnenen „Freizeit“ geschehe, wenn doch ein BGE zum Herumsitzen verleiten würde? Was Rifkin im einen Fall also für abwegig erklärt, müsste im anderen mindestens zu denken geben, wenn die Erwerbsarbeitszeit immer weiter reduziert werden könnte – für Rifkin offenbar kein Problem. Was lässt sich daraus schließen? Entweder sieht er den Widerspruch in seinen Ausführungen nicht oder er geht davon aus, dass die Erwerbsarbeit eine solch disziplinierende Wirkung habe, die sogar noch für die „Freizeit“ ausreiche, damit niemand herumsitzen wird.
Sascha Liebermann