„Nicht finanzierbar“ – nach welchen Annahmen? -…

…schreiben dieselben Autoren – Andreas Peichl, Ronnie Schöb, Christian Althoff und Alfons Weichenrieder -, die schon im September in der Wirtschaftswoche eine Replik auf Thomas Straubhaar verfasst hatten, nun über ein Bedingungsloses Grundeinkommen in der taz. Kommentare zu Annahmen, auf denen das Gutachten beruht, finden Sie hier.

Der taz-Beitrag beginnt schon mit der Ungenauigkeit, dass ein BGE alle sozialstaatlichen Leistungen ersetzen solle – ohne dass gesagt wird, wer das vertrete. Kaum jemand. Ein BGE sei ein Scheinriese, der nicht funktioniere, dafür berufen sich die Autoren auf das Gutachten, an dem sie mitgewirkt haben. Das „Gießkannenprinzip“ sei das Problem, doch weshalb? Außerdem – haben wir ein solches nicht schon, teils realisiert im Grundfreibetrag in der Einkommensteuer und anderen Freibeträgen? Die mangelnde Zielgenauigkeit wird beklagt, nun, hier stellt sich aber eine Grundsatzfrage: will man den Anteil an Pauschalen erhöhen, um das Verfahren zu vereinfachen und in jedem Fall die Bürger damit zu erreichen oder will man detaillierte Einzelfeststellungen, für die Kriterien festgelegt werden, die die Eintrittsschwelle erhöhen (Stichwort verdeckte Armut) oder will man ein Mischsystem? Ein BGE wäre eine Pauschale, dadurch leicht verständlich, schwellenlos, weil es nur eines Aufenthaltsstatus bedürfte, für jeden nachvollziehbar, einfach zu verwalten (weil schlicht ausbezahlt). Im Gegenzug können Leistungen wegfallen, die genau dem Umfang eines eingeführten BGE entsprechen. Das ist zielgenau in dem Sinne, als es die Existenzsicherung auf ein verlässliches Fundament stellt, sie immer verfügbar ist für den Einzelnen und dadurch Handlungsspielräume eröffnet. Für Ansprüche, die über ein BGE hinausgehen, z. B. für Menschen mit Behinderung, aber auch etwaige Wohngeldleistungen aufgrund hoher Mieten (was für Einpersonenhaushalte mit BGE sich anders darstellt als für Mehrpersonenhaushalte).

Sicher lässt sich auch über ein regional gestaffeltes BGE nachdenken, doch das macht die Sache wieder aufwendig, weil dafür Kriterien definiert werden müssen. An einer Stelle heißt es:

„Beim BGE kommt es nicht auf die Familiengröße an, beim Bedarf jedoch sehr wohl. So braucht ein Zweipersonenhaushalt keine zweite Küche und kein zweites Badezimmer. Die beim Arbeitslosengeld II übernommenen Kosten der Unterkunft berücksichtigen das ebenso wie das Wohngeld. Anders das BGE: Es behandelt ein Paar, als hätte jeder Partner eine eigene Wohnung. Es zahlt damit deutlich mehr, als notwendig ist, um den Wohnbedarf abzudecken. Wichtige Informationen zur Bedürftigkeit werden ignoriert.“

Ein BGE wirft gerade die Frage auf, wie wir Bedarfe und Bedürftigkeit verstehen und wie wir ihnen begegnen wollen. Was ein Zweipersonenhaushalt „braucht“, hätte er selbst zu entscheiden. Die Autoren nehmen das bestehende System als Maßstab, geradezu als Ideal, und attestieren einem BGE hier Versagen. Weshalb sollte das Vorhandensein eines Einkommenspuffers, so könnte man ein BGE auch verstehen, nicht wünschenswert sein? Es verschafft verlässliche Kaufkraft wofür auch immer.

Die Autoren führen eine Besonderheit ein – Abschaffung aller Sozialleistungen -, um dann dagegen verfassungsrechtliche Bedenken anzumelden, eine Art petitio principii. Dass es verfassungsrechtlichen Regelungsbedarf gäbe, ist von anderen ebenso schon festgestellt worden, das widerspricht einer Einführung aber keineswegs, hier ist der Gesetzgeber gefordert. Interessant ist dann, dass die Autoren meinen, das entsprechende Änderungen eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat erforderten, und das womöglich schon der „Todesstoß“ für das Vorhaben sei. Kann sein, kann auch nicht sein – das hängt von der Willensbildung ab. Ist es die Aufgabe von Ökonomen das zu beurteilen? Sicher, eine Meinung haben kann jeder.

Zuletzt weisen die Autoren noch darauf hin, dass das Sozialbudget nicht einfach zur Finanzierung herangezogen werden könne, das ist in der Debatte bekannt. Allerdings greifen sie zu kurz, wenn bestimmte Dinge auch nicht in Frage gestellt werden. Pensions- und Rentenansprüche sind Eigentumsansprüche, das ist richtig, wie diese Ansprüche bedient werden, ist damit aber nicht in Stein gemeißelt. Ein BGE würde in seiner Betragshöhe diese Ansprüche anteilig bedienen können. Angesichts der durchschnittlichen Rentenzahlbeträge wäre das ein ziemlich großer Anteil (siehe Deutsche Rentenversichung, in diesem Dokument S. 34). Wenn das nicht berücksichtigt wird, haben Finanzierungsrechnungen alleine deswegen schon Schlagseite.

Andere Aspekte in dem Beitrag spare ich aus, da ich sie schon früher kommentiert habe, siehe hier.

Sascha Liebermann

Ein Gedanke zu „„Nicht finanzierbar“ – nach welchen Annahmen? -…“

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