Was bedeutet „sich lohnen“?

Folgt man der üblichen Auslegung, wie sie auch Hubertus Heil offensichtlich pflegt, dann würde Leistungsbereitschaft vor allem, wenn nicht gar ausschließlich, daran hängen, dass sie sich „lohnt“ (siehe dazu unsere Beiträge über „Anreize„). Sich zu lohnen beinhaltet hier in der Regel nicht, dass etwas Gelungenes dabei herauskommt, z. B. ein gutes Produkt, eine gute Dienstleistung oder Vergleichbares. Auch geht es nicht um die Sinnhaftigkeit, die eine Tätigkeit für jemanden hat. Meist geht es nur darum, mehr Geld zu verdienen als ohne Erwerbstätigkeit – insofern also solle es sich lohnen, sonst wäre Erwerbstätigkeit ja sinnlos muss man daraus wohl schließen. Wie rätselhaft muss es für die Anhänger des „Arbeit muss sich wieder lohnen“ sein, dass die sogenannten Aufstocker – genauer „Ergänzer oder erwerbstätige erwerbsfähige Leistungsberechtigte“ – einer Erwerbstätigkeit nachgehen, die sich für sie in diesem Sinne nicht lohnt, müssten sie ja sonst nicht aufstocken – oder soll etwa das Aufstocken bzw. die Ergänzung der Lohn sein? Es zeigt sich schnell, dass hier etwas nicht stimmen kann wie auch bei vergleichbaren Diskussionen z. B. zum Ehegattensplitting.

Gibt es keine anderen mindestens genauso relevanten Dimensionen der Erwerbstätigkeit, die dafür verantwortlich sind, dass auch dann, wenn es sich nicht oder kaum lohnt, sie dennoch für wichtig und sinnvoll erachtet wird aus der Sicht des Einzelnen und sogar dann, wenn sie diejenigen existenziell in Bedrängnis bringt? Dass es sie gibt, ist keineswegs neu (siehe z. B. hier, jüngst auch hier), doch sägen solche Einsichten am Ast des Anreizdenkens (und der sogenannten Armutsfalle), auf dem die Lohnabstandsargumentierer sitzen. Verwunderlich ist nicht, dass sich kaum lohnender Erwerbstätigkeit nachgegangen wird, verwunderlich ist, wie lange an der eindimensionalen Betrachtung festgehalten wird.

Würde die Mehrdimensionalität bedacht – und die Erwerbsarbeitsverfechter tun das durchaus, wenn sie darauf hinweisen, dass Erwerbsarbeit mehr als Geldverdienen sei -, dann müssten sich die Bedingungen dafür verändern, diejenige Tätigkeit aufnehmen zu können, die für wichtig und richtig erachtet wird und die Existenzsicherung nie in Frage steht. Am einfachsten wäre das mit mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen. Da den Verfechtern von Anreizen dann doch offenbar die Mehrdimensionalität an Gründen für Erwerbstätigkeit nicht ganz geheuer ist, scheinen sie nicht anders zu können, als an den eindimensionalen, letztlich doch auf Stimulation beruhenden Erklärungen festzuhalten. Ein Ausweg besteht darin, sie aufzugeben.

Sascha Liebermann