„Das Grundeinkommen wäre ein Desaster“…

…wenn denn die Annahmen zuträfen, die Studien innewohnen, aus denen solche Schlüsse gezogen werden. Davon geht Patrick Bernau (Bezahlschranke) wohl aus, wenn er in seinem Beitrag in der Frankfurter Allgemeine Zeitung dem Grundeinkommen solche Folgen attestiert. Er beruft sich dabei auf eine Studie (hier eine Vorfassung), die allerdings ebenso mit Annahmen operiert, also etwas simulieren, nicht aber von tatsächlichen Veränderungen zeugen. Bevor er auf sie eingeht widmet er sich kurz zweier Studien, einer des DIWs, die kürzlich veröffentlich wurde, und einer des Ifo-Institut (zum Vergleich der Studien von DIW und Ifo, siehe hier).

Bernau hält der DIW-Studie vor:

„Das heißt, die Studienautoren nehmen einfach an, dass die Deutschen mit Grundeinkommen so viel arbeiten würden wie ohne. Eine etwas andere Untersuchung, die der Lobbyverein vor zwei Jahren beim Ifo-Institut in Auftrag gab, lässt indes genau daran stark zweifeln.“

Die DIW-Studie hat ausdrücklich und bewusst davon abgesehen, etwaige Verhaltensänderungen zu simulieren und begründet, weshalb darauf verzichtet wurde. Wer die Rede von empirischer Sozialforschung ernst nimmt, kann der Begründung ohne weiteres folgen, denn die Simulation von Verhaltensänderungen ist eben nur eine Verlängerung von Befunden aus der Vergangenheit in eine Zukunft, die wir nicht kennen. Hierin sehe ich eine grundsätzlichen Einwand gegen solche Simulationen, auch wenn sie in manchen wissenschaftlichen Disziplinen zum Tagesgeschäft gehören. Diese Daten sagen nichts darüber aus, wie Menschen in Zukunft handeln werden. Selbst wenn man Verhaltensänderungen in der Zukunft im Verhältnis zur Vergangenheit für unwahrscheinlich hält, ist das bloß eine Vermutung, die der empirischen Grundlage entbehrt. Wir können erfahrungswissenschaftlich Handeln in der Vergangenheit methodisch diszipliniert untersuchen, nicht aber in der Zukunft, da geht es bestenfalls um Schätzungen auf der Basis von Vermutungen. Empirische Forschung schaut also notwendigerweise immer in die Vergangenheit – der Blick nach vorne verlässt den Boden der Erfahrungswissenschaft.

Dann schreibt Bernau folgendes:

„Was so eine Umstellung längerfristig mit der Gesellschaft machen würde, lässt sich nicht durch Experimente herausfinden. Da schlägt die Stunde ökonomischer Modelle. Die werden zwar von Politikern gerne als bloße Rechnerei abgetan, zuletzt von Bundeskanzler Olaf Scholz während der Gaskrise, als Ökonomen ausrechneten, dass Deutschland auch ohne russisches Gas nicht untergehen würde. Aber gerade dieser Fall hat gezeigt, dass gute Modelle sinnvolle Prognosen liefern können.“

Überraschend ist, dass Bernau hier wohl die Grenzen von Feldexperimenten zu sehen scheint, nicht aber den von Simulationsrechnungen. Während er die begründete Zurückhaltung in der DIW-Studie für eine Schwäche hält, sieht er die Stärke „ökonomischer Modelle“ in den ebenso ungenauen Simulationsrechungen (siehe auch hier). Dabei erwähnt er noch nicht einmal, wie heikel die Wahl der Annahmen in diesen Berechnungen ist und wie reduktionistisch dort argumentiert wird (siehe die Verlinkung oben). Nun ist verständlich, dass aus der Praxis, die bestimmte Planungen vorzunehmen hat, solche Modelle zum Abschätzen von etwaiger Folgen herangezogen werden. Doch diese Abschätzungen sollten dennoch nicht mit der Realität verwechselt werden.

Insofern ist also die „demnächst in der angesehenen Fachzeitschrift ‚American Economic Review‘“ erscheinende Studie (hier in einer Vorfassung) eben nur eine Simulation. Alleine sich deren Annahmen anzuschauen, wäre schon interessant.

Sascha Liebermann