So ist es,…

…dass dies überhaupt herausgestellt werden muss, zeigt, wie missverständlich mit Studienergebnissen aus Simulationen umgegangen wird. Nicht selten werden Schätzungsbefunde auf der Basis von Modellrechnungen als Tatsachenbehauptungen ausgegeben, obwohl doch klar sein müsste, dass diese Schätzungen keine Tatsachenaussagen sein können. Im vergangenen September schon hatte sich Patrick Bernau in der FAZ auf dieselbe Studie bezogen, siehe meinen Kommentar zu Bernaus Ausführungen hier, zum Beitrag von Christoph Sackmann im focus hier. Letzterer gibt immerhin zu bedenken, dass es sich nur um Modellrechnungen handelt. Alexander Spermann hatte sich zu bislang vorgelegten Modellrechnungen ebenfalls schon kritisch geäußert.

Sascha Liebermann

„Das Grundeinkommen wäre ein Desaster“…

…wenn denn die Annahmen zuträfen, die Studien innewohnen, aus denen solche Schlüsse gezogen werden. Davon geht Patrick Bernau (Bezahlschranke) wohl aus, wenn er in seinem Beitrag in der Frankfurter Allgemeine Zeitung dem Grundeinkommen solche Folgen attestiert. Er beruft sich dabei auf eine Studie (hier eine Vorfassung), die allerdings ebenso mit Annahmen operiert, also etwas simulieren, nicht aber von tatsächlichen Veränderungen zeugen. Bevor er auf sie eingeht widmet er sich kurz zweier Studien, einer des DIWs, die kürzlich veröffentlich wurde, und einer des Ifo-Institut (zum Vergleich der Studien von DIW und Ifo, siehe hier).

Bernau hält der DIW-Studie vor:

„Das heißt, die Studienautoren nehmen einfach an, dass die Deutschen mit Grundeinkommen so viel arbeiten würden wie ohne. Eine etwas andere Untersuchung, die der Lobbyverein vor zwei Jahren beim Ifo-Institut in Auftrag gab, lässt indes genau daran stark zweifeln.“

Die DIW-Studie hat ausdrücklich und bewusst davon abgesehen, etwaige Verhaltensänderungen zu simulieren und begründet, weshalb darauf verzichtet wurde. Wer die Rede von empirischer Sozialforschung ernst nimmt, kann der Begründung ohne weiteres folgen, denn die Simulation von Verhaltensänderungen ist eben nur eine Verlängerung von Befunden aus der Vergangenheit in eine Zukunft, die wir nicht kennen. Hierin sehe ich eine grundsätzlichen Einwand gegen solche Simulationen, auch wenn sie in manchen wissenschaftlichen Disziplinen zum Tagesgeschäft gehören. Diese Daten sagen nichts darüber aus, wie Menschen in Zukunft handeln werden. Selbst wenn man Verhaltensänderungen in der Zukunft im Verhältnis zur Vergangenheit für unwahrscheinlich hält, ist das bloß eine Vermutung, die der empirischen Grundlage entbehrt. Wir können erfahrungswissenschaftlich Handeln in der Vergangenheit methodisch diszipliniert untersuchen, nicht aber in der Zukunft, da geht es bestenfalls um Schätzungen auf der Basis von Vermutungen. Empirische Forschung schaut also notwendigerweise immer in die Vergangenheit – der Blick nach vorne verlässt den Boden der Erfahrungswissenschaft.

Dann schreibt Bernau folgendes:

„Das Grundeinkommen wäre ein Desaster“… weiterlesen

Kaffeesatz oder prognostizierte Folgen für die Wirtschaft bis hinter’s Komma…

…darauf weist Albrecht Müller auf den Nachdenkseiten zurecht hin und verknüpft sie mit einer medialen Berichterstattung, die diese Prognosen (siehe auch hier) wiederkäut als seien es Tatsachen. Es handelt sich jedoch nur um Simulationsmodelle, deren Exaktheit im Wettstreit mit den Angaben zu Infektionen mit SARS-CoV2 liegt, wenn man es genau nimmt. Hier wenigstens haben Experten wie Christian Drosten und Hendrik Streeck immer wieder darauf hingewiesen, dass die Datenlage schlecht ist und wir keine genauen Angaben haben.

Es ist ein bedauerlicher Missstand, dass solche Simulationsrechnungen nicht selten wie Tatsachen behandelt werden, dabei zeigt gerade die gegenwärtige Lage nichts deutlicher als das, dass solche Simulationen eben genau das Gegenteil von Tatsachen sind – es sind Artefakte. Dasselbe gilt für die allseits beliebten standardisierten Befragungen, die häufig hinzugezogen werden.

Sascha Liebermann

„The Future of Basic Income Research“…

…ein Bericht von Che Wagner über eine Tagung am European University Institute (Florenz) in Florenz gibt Einblick in aktuelle akademische Diskussionen zum Bedingungslosen Grundeinkommen.

Wenige Anmerkungen zum Bericht seien hier gemacht.

Es mag für Teile der akademischen Diskussion ein neuer Schritt sein, nun stärker über die Machbarkeit zu diskutieren, wie berichtet wird, doch gibt es seit langem immer wieder Studien oder Überlegungen dazu. Für die deutsche Diskussion ist hier Helmut Pelzer zu nennen, der schon vor vielen Jahren sich mit der Finanzierungsfrage befasst hat. Einige seiner Texte bzw. Hinweise darauf finden Sie hier, weitere Texte hier. Götz W. Werner hat in seiner „Zwischenbilanz“ (2008) Überlegungen zu Einführung angestellt. Ingmar Kumpann hat dies ebenfalls getan (2011). Wir haben die Frage nach Zwischenschritten ebenfalls kommentiert (2012). All die verschiedenen Berechnungs- und Simulationsmodelle, die es über die Jahre gegeben hat, sprechen ebenso dafür, dass die Umsetzungsfrage von Anfang an auch in der jüngeren deutschen Debatte seit 2004 präsent war. Dass es keine verlässlichen Zahlen und Berechnungen geben kann, hat Helmut Pelzer sogar für seine eigenen Berechnungen eingeräumt, wohl wissend, dass die Daten, mit denen gerechnet wird, aus der Vergangenheit stammen. Dieses Problem gilt für alle Simulationsmodelle, auch die auf der Tagung präsentierten. Es gilt genauso für die viel diskutierten Feldexperimente und die Hoffnungen, die damit verbunden sind. Dazu gab es offenbar ebenso kritische Kommentare auf der Tagung. Dass, um auf die Schlussbemerkung des Berichts einzugehen, die „Bevölkerung“ eine Vorstellung davon benötige, wie die beste volkswirtschaftliche Lösung aussehen könnte, nährt den Glauben daran, eine solche Lösung in einem Wurf gestalten zu können. Darüber hinaus wird davon ausgegangen, dass eine solche Lösung in ihrer Tragweite eingeschätzt werden könnte von jemandem, der sich in der Materie nicht auskennt. Das halte ich für unrealistisch. Entscheidend wird für die öffentliche Meinungsbildung sein, ob die Argumente, mit denen für einen Vorschlag geworben wird, plausibel sind und dann im Vertrauen auf den Sachverstand von Experten eine entsprechende Ausarbeitung erfolgt. Die ist dann jederzeit revidierbar, wenn sie Folgen hätte, die der Souverän nicht haben wollte.

Sascha Liebermann

„Die Welt lässt sich nicht berechnen“ – sagt ein Mathematiker

Diese Aussage ist bemerkenswert, bedenkt man, welche Rolle heute mathematischen Modellen – in der Klimaforschung, der Volkswirtschaftslehre im besonderen, aber auch den Sozialwissenschaften im allgemeinen – beigemessen wird, mittels derer zukünftige Entwicklungen vorausgesagt werden sollen. Und wer sich mit dem Grundeinkommen befasst, dem ist der sogenannte Finanzierungseinwand vertraut, den die Skeptiker oder Kritiker den Befürwortern entgegenhalten. Nach der Finanzierung zu fragen, ist naheliegend und eine Erläuterung der Zusammenhänge, was es mit der Frage auf sich hat, ist unerlässlich. Sie fragt ja letztlich nach den Entstehungsbedingungen von Leistung, die die Grundlage dafür ist, Finanzierungsmittel für ein Grundeinkommen bereitstehen. Irreführend wird die Frage nur, wenn sie auf eine Berechnungsfrage reduziert wird, erst recht dann, wenn diese Berechnung in die Zukunft weisen soll. Wir haben auf die diese Problematik schon früher hingewiesen (siehe hier und hier). In einem Interview, das im Magazin brandeins abgedruckt ist, erklärt ein Mathematiker seine Aussage.

Hier ein Auszug:
brandeins: Zweifeln Sie die Klima-Erwärmung an?
Ortlieb: Nein, keinesfalls. Die Leute, die den Klimawandel prognostizieren, machen das nach bestem Wissen. Sie arbeiten mit qualitativ hochwertigen Methoden und mit einigermaßen gehärteten, naturwissenschaftlichen Daten. Diejenigen, die ihn anzweifeln, haben ja im Vergleich null Begründung. Dennoch sind die Zahlen, die genannt werden, nichts anderes als die verkürzte Darstellung einer wissenschaftlichen Hypothese. Und jeder Hypothese sollte man mit Skepsis begegnen, darin besteht Wissenschaft. Letztlich haben wir in den Klimawissenschaften dieselbe Situation wie bei der Volkswirtschaftslehre oder den Gesellschaftswissenschaften: Man kann keine Experimente machen. Die Zahlen beruhen nicht auf Erfahrung, sie sind eine reine Prognose und das Ergebnis von mathematischen Modellen. In Wahrheit weiß niemand so genau, welche Temperatur wir im Jahr 2100 haben werden.“

Sascha Liebermann