„Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen haben wir weniger Geld als zuvor“…

…so ist der Beitrag Christoph Sackmanns auf der Website des focus übertitelt, womit er eine Studie aufgreift, die jüngst auch in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung Gegenstand eines Beitrags war, siehe unseren Beitrag dazu hier.

Wenige Passagen seien kommentiert, denn im Unterschied zu Patrick Bernau in der FAZaS benennt Sackmann immerhin die Grenzen solcher Studien, wenn auch der Titel etwas anderes suggeriert. Zu Beginn des Beitrags allerdings erstaunt diese Bemerkung:

„Das Konzept eines bedingungslosen Grundeinkommens klingt verlockend. Der Staat zahlt jedem Bürger pro Monat einen gewissen Betrag. Es gibt keine Prüfung, ob jemand das Geld überhaupt benötigt, aber auch keine weiteren Sozialleistungen. Das Grundeinkommen soll ausreichen, damit jeder seine Existenz sichern kann und sich keine Sorgen um Wohnung und Lebensmittel machen muss. Gearbeitet werden darf trotzdem, doch der Arbeitslohn wäre dann nur noch ein Bonus.“

Als sei es selbstverständlich, stellt der Autor hier in den Raum, dass ein BGE den Sozialstaat vollständig ersetze, ohne Verweis, obwohl in der Diskussion dieser radikale Umbau nur ein Vorschlag unter anderen ist, vor allem dazu ein randständiger, den z. B. Thomas Straubhaar vertritt. Wobei man sagen muss, dass Straubhaar durchaus eingeräumt hat, dass die Ausgestaltung eine Frage der politischen Entscheidungsfindung ist und es sehr wohl weitere Leistungen geben könne. Hier wäre etwas Recherche angebracht gewesen. Allerdings kommt es öfter vor, dass der Vorschlag eines BGE mit den Ausführungen Straubhaars verbunden wird, so auch bei Georg Cremer, dem langjährigen Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes. Er begründet das allerdings damit, dass die anderen Versionen ja ohnehin nicht finanzierbar bzw. umsetzbar seien. Cremer sorgt sich dabei darum, dass die Einführung zu einer Verschlechterung der Lage führen würde.

Bei Sackmann fällt darüber hinaus auf, dass der „Arbeitslohn“ „Bonus“ genannt wird, dabei müsste man sagen, es ist eben der Lohn für Erwerbstätigkeit. Doch hinter der Rede vom Bonus steckt eine Reduzierung von Erwerbstätigkeit auf Einkommenserzielung, denn die inhaltliche Seite, die Erfahrungen, die Erwerbstätigkeit ermöglicht, werden von einem BGE überhaupt nicht in Frage gestellt und ebensowenig aufgehoben. Darauf weisen selbst Kritiker stets hin, wenn sie behaupten, dass Erwerbstätigkeit doch viel mehr als Einkommen sei – eine implizite BGE-Befürwortung, diejenigen, die das vorbringen, ziehen daraus aber einen ganz anderen Schluss.

Nachdem Sackmann dann die Ergebnisse der genannten Studie referiert hat, schreibt er folgendes:

„Das klingt alarmierend, aber es ist eben nur ein Modell. Menschliches Verhalten vorherzusagen ist gerade in der Ökonomie eine der schwierigsten Disziplinen. Die Methode, die Daruich und Fernandez anwenden ist, dass Menschen immer die für sie optimale Entscheidung treffen, also einen Job nur dann annehmen, wenn das die beste Wahl ist. Doch die Realität zeigt, dass sich Menschen eben nur selten optimal verhalten. Den beiden Forschern ist das nicht anzulasten, die Annahme optimaler Entscheidungen ist für die[sic] die beste Möglichkeit, die Zukunft zu modellieren.“

Im oben verlinkten Kommentar zum Beitrag Patrick Bernaus hatte ich mich dazu schon geäußert. Es ist nicht möglich, „Verhalten vorherzusagen“, deswegen heißen Simulationen auch Simulationen. Wenn solche Simulationen sich im Nachhinein als „treffsicher“ erweisen, ist das eine ex-post-Bestätigung, über deren Treffsicherheit zuvor nichts gesagt werden konnte (ganz wie bei den berühmt berüchtigten demoskopischen Erhebungen anlässlich bevorstehender Wahlen). Verführerisch ist, aus ex-post-Bestätigungen herauszulesen, dass dies auch beim nächsten Versuch so sein wird.

Es hat auch nichts mit empirischer Forschung zu tun, Modellsimulationen durchzuführen, weil sie auf der Basis von Daten gemacht werden müssen, die aus der Vergangenheit stammen und es unbekannt ist, ob sie in der Zukunft ebenfalls als Daten durch Handeln hervorgebracht worden sein werden.

Diese Einwände gelten selbst für solche Simulationen, die mit Annahmen operieren, deren Triftigkeit sich durch empirische Forschung erwiesen hat. Wenn man sich hingegen Studien anschaut, die zu etwaigen Folgen eines BGE auf der Basis solcher Simulationen angestellt werden, trifft man meist auf eine Annahme, die ich für unhaltbar erachte, mir ist sie in dieser Einfachheit noch nie im Material begegnet. Es wird ein unmittelbarer Konnex zwischen der Bereitstellung von Einkommen und dem „Arbeitsangebot“ angenommen (Stichwort „Anreiz“), die wohl meist mit dem Theorem vom Arbeitsleid in Verbindung steht. Selbst Studien mit standardisierten Daten lassen schnell Zweifel aufkommen, ob diese These haltbar ist, wer mit nicht-standardisierten Daten wie z. B. offenen Forschungsgesprächen forscht, kann sich über die These nur wundern (siehe z. B. hier und meine Ausführungen hier).

Dass z. B. in der politischen Planung auf solche Simulationen als Schätzverfahren zurückgegriffen wird, um sich etwaige Problementwicklungen vor Augen zu führen, ist nachvollziehbar, doch Planungen sind Planungen und nicht Realitäten. Solche Schätzverfahren können als Hilfsmittel dienen.

Insofern kommt Sackmann zu diesem Schluss, überschätzt aber Feldexperimente:

„Alle Modellrechnungen können hier aber nur als Hypothesen dienen. Sie sollen in weiteren Feldversuchen überprüft werden. In Deutschland bekommen dazu derzeit 122 Probanden bis nächstes Jahr noch 1200 Euro im Monat. Initiiert wurde die Studie vom Verein „Mein Grundeinkommen“, wissenschaftlich wird sie vom DIW und vom Max-Planck-Institut begleitet und mit einer Kontrollgruppe verglichen.“

Sascha Liebermann