Die Macht der Maschinen…

…so betitelte der studierte Volkswirt und für Finanzen und Wirtschaft zuständige Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Gerald Braunberger, einen Artikel zur digitalen Revolution. Wie aber können Maschinen Macht haben? Der Artikel endet mit dem Satz: „Die neue Welt der Wirtschaft – die Welt der Daten, der Netzwerke, der Apps und der Roboter – wird nicht zuletzt auch die Bereitschaft zu neuem Denken erfordern.“ Leider aber bringt Braunberger selbst, wie die meisten seiner Zunftgenossen, diese Bereitschaft nicht auf. Denn obwohl er mit der folgenden in Amerika kursierenden Geschichte das Problem durchaus benennt, liegt eine einfache Lösung außerhalb seines Denkens: „Ein Unternehmensvorstand und ein Gewerkschaftschef besuchen eine durch Roboter hochautomatisierte Automobilfabrik, in der nur noch wenige Menschen arbeiten. Der Vorstand fragt den Gewerkschafter mit einem hochmütigen Lächeln: ‚Wie willst du meine Roboter dazu bringen, für deine Gewerkschaft zu streiken?‘ Der Gewerkschafter lächelt zurück: ‚Und wie willst du deine Roboter dazu bringen, deine Autos zu kaufen?'“ Wir brauchen nicht Roboter, die Autos kaufen, aber wir brauchen – so der volkswirtschaftliche Clou der Geschichte – Kaufkraft. Diese muss natürlich über die Produktivität geschaffen werden – aber die Verteilung kann, wie Braunberger in seinem Artikel zeigt, nicht mehr allein und überwiegend über die Arbeitsleistung gesteuert werden und die gewerkschaftlichen Versuche, mit dieser Begründung Arbeitsplätze zu sichern, sind re-aktionär und letztlich schon überholt. Da standisierbare Arbeiten in allen Bereichen standardisiert und standardisierte Arbeiten automatisiert und damit von Maschinen erledigt werden, ist menschliche Arbeit dort überflüssig, ja kontraproduktiv. Damit kann aber die menschliche Arbeitsleistung nicht mehr Grundlage für die Verteilung von Einkommen – und damit Kaufkraft – sein. Die einfache Lösung: die politische Gemeinschaft übernimmt die Verteilung von Einkommen an ihre Bürger – das wäre neues Denken. Natürlich nur dann, wenn die Verteilung nicht an bestimmte Voraussetzungen gebunden wäre, die dann bürokratisch kontrolliert würden – das wäre der bürokratische Kontrollstaat, den das östliche Deutschland vor nicht allzulanger Zeit erst überwunden hat, der aber in unserer Sozialbürokratie nach wie vor am Werke ist; vielmehr kann die Verteilung nur bedingungslos erfolgen, wenn sie die Freiheit der Bürger nicht beeinträchtigen, sondern im Gegenteil ermöglichen soll. Durch den Titel des Artikels wird aber dieses neue Denken geradezu abgewiesen, legt er doch nahe, wir müssten den Maschinen die Macht nehmen, müssten also Maschinenstürmerei betreiben, um zu verhindern, was die MIT-Forscher, die Braunberger heranzieht, so beschreiben: „Demnach wird es nurmehr zwei Gruppen von Beschäftigten geben. Das ist zum einen die Gruppe jener Beschäftigten, die den Computern sagen, was sie zu tun haben. Die zweite Gruppe wird aus Beschäftigten bestehen, denen die Computer sagen, was sie zu tun haben. Auf eine attraktive Bezahlung wird nur die erste Gruppe rechnen können.“ In diesem Szenario sind es aber nicht die Maschinen, die Computer, die Macht haben, sondern diejenigen, die sie programmieren und einsetzen. Macht über die zu Niedrig- oder auch Mindestlohn Arbeitenden können sie aber nur haben, solange diese auf ein Erwerbseinkommen angewiesen sind. Nach Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens würde jeder selbst entscheiden können, unter welchen Bedingungen er einer Erwerbsarbeit nachgehen möchte. Gewiss würde dies die Entwicklung, die Braunberger beschreibt, noch beschleunigen: die Automatisierung vorantreiben – aber dies geschähe dann eben zum Nutzen aller.

Thomas Loer

Rentendiskussion und Industrie 4.0

Die Diskussion um die Rente mit 63 – unter anderem, wie sie in der Sendung „Die Rentner der Zukunft – Arbeit statt Ruhestand?“ am gestrigen Abend bei Günter Jauch – zeigt wieder einmal, wie eingefahren die Denkvoraussetzung sind: alle gehen wie selbstverständlich von der Unveränderbarkeit der Erwerbsarbeitsgesellschaft aus. Niemand der Diskutanten, nicht einmal Norbert Blüm, der immerhin noch die Wahl des Renteneintrittsalters in die Hände des Einzelnen legen wollte, seine Freiheit aber einschränkte durch die Forderung nach Abschlägen bei früherem Renteneintritt, stellte die Beitragsfinanzierung der Rente infrage. Dabei war am gleichen Wochenende Angela Merkel bei der Eröffnung der Hannover Messe zu hören, wie sie von der „smarten Industrie“ und der Industrie 4.0 schwärmte – mit Recht. Aber: Wenn die Abschaffung überflüssiger Arbeit nicht zu überflüssigen Menschen führen soll, dürfen wir Menschen nicht mehr lediglich über Erwerbsarbeit definieren. Auch die Landwirtschaft ist längst ein Vorreiter, in naher Zukunft wird auch dort weitgehend automatisierte Produktion stattfinden. Mit der Forderung nach lebenslangem Lernen ist dem, anders als Angela Merkel meint, nicht zu begegnen. Den Bürgern hingegen die Freiheit zu geben, sich nach eigener Entscheidung und mit eigener Verantwortung zu engagieren – auch in der „smarten“ Produktion der Zukunft, auch in der eigenen Lebenszeit nach einem Engagement in der Erwerbsarbeit, in der immer mehr eben ein produktives Leben führen können und wollen, oder auch neben der Erwerbsarbeit oder statt ihrer –, das ist die Lösung. Und diese erfordert ein einfaches Umdenken: Abschied von der Erwerbsarbeitsfixierung, was für einen Übergang eine Rentenfinanzierung aus Steuern bedeutet und was unmittelbar beginnen kann mit dem steuerfinanzierten Grundeinkommen. Die „smarte Industrie“ wird ja die Produktivität weiter erhöhen, wird die Wertschöpfung steigern. Daraus ein freies Leben zu finanzieren ist leicht möglich – nur gedacht werden muss es. Solche Widersprüche wie die zwischen dem Lob der „smarten Industrie“ und dem Festhalten an der Beitragsfinainzierung der Rente aufzudecken – in privaten wie in öffentlichen Diskussionen –, ist ein Weg, dieses Umdenken voranzutreiben.

Thomas Loer

Erziehung zur Unmündigkeit

Manuela Schwesig, Bundesfamilienministerin, forderte schon lange ein Rückkehrrecht von Eltern, insbesondere Müttern, auf ihren Arbeitsplatz. Nun zeigt sich deutlich, dass nicht die Erweiterung von Rechten sie antreibt, sondern eine bestimmte Vorstellung vom richtigen Leben, die für alle gelten soll – und das richtige Leben heißt, wen wundert’s, Erwerbsarbeit. Dafür will sie „Anreize“ setzen, damit Mütter sich schneller wieder der Erwerbsarbeit zuwenden (FAZ, 22.3.2014, S. 18) – dies ist ein Verständnis von Emanzipation, zu der Frauen so gedrängt werden sollen; zudem, das ist das andere Verständnis von Emanzipation, sollen Männer mit finanziellen Zugaben gedrängt werden, ebenfalls ‚mal für gewisse Zeit zu Hause zu bleiben – auch dass letztlich für das Ziel, den Familien die Erwerbsarbeit der Mütter schmackhaft zu machen. Zwar erklärte Schwesig es so: „Die Wirtschaft muss flexibler werden und Eltern, die ihre Arbeitszeit für die Familie reduzieren“ wollen dies ermöglichen – in einem Nachsatz jedoch zeigt sich wieder die Fixierung auf die Erwerbsarbeit: „Die Wirtschaft muss“ diesen Eltern, „gute Karriere-Chancen ermöglichen.“ Was „für die Familie“ heißt, bleibt bei ihr unbestimmt, bloße Floskel. Demgegenüber ist ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht mit einem bestimmten Lebensentwurf verknüpft, sondern eröffnet dem Bürger, Familien dabei insbesondere, echte Wahlmöglichkeiten, die Freiheit, selbst zu entscheiden, welchem Familienmodell sie folgen wollen, ob sie dem Aufbau des Urvertrauens des Säuglings und Kleinkindes die erforderliche Intensität und Zeit gewähren wollen oder ob sie der Ansicht sind, der früheste Kontakt zu Gleichaltrigen in der Babykrippe sei besser für das Kind. Dass diese Freiheit – wie jede Freiheit – zugleich eine Verantwortungslast mit sich bringt, steht dabei außer Frage. Darin aber, sich dem zu stellen, besteht und entfaltet sich Mündigkeit – nicht im Befolgen von Anreizen und im Erfüllen von Lebensmodellen, die Politiker wie Frau Schwesig meinen vorgeben zu müssen.

Thomas Loer

Bill Gates redet Klartext – und verkennt doch die einfache Lösung: BGE

Bill Gates hat in mehreren Interviews (BGR und Business Insider) deutlich gemacht, dass die Entwicklung der Automatisierung weiterhin zu einer enormen Produktivitätssteigerung und damit dem Überflüssigwerden von menschlicher Arbeit in weiten Bereichen führt. Da Gates aber die Fixierung unserer Sozial- und Steuersysteme auf die Erwerbsarbeit nicht infrage stellt, übersieht er die einfache Lösung: Abschöpfung des ja nach wie vor und in steigendem Maße produzierten Mehrwerts und Auszahlung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Erstaunlich, dass hier für ihn gilt, was er bezüglich des sicher erwartbaren Abbaus von Arbeitsplätzen in allen Bereichen der standardisierbaren Arbeit von anderen sagt: „I don’t think people have that in their mental model.“ – Daran gilt es zu arbeiten – und diese Überzeugungsarbeit kann nicht automatisiert werden.

Thomas Loer