„Visions of Automation: A Comparative Discussion of Two Approaches“…

…ein Beitrag von Philipp Frey, der mit diesem Fazit endet:

„I would argue that rather than trying to predict what effects automation will have in the future —a question that cannot be answered conclusively in a non-deterministic framework— research should rather focus on the much more interesting question of what automation could and even more importantly should be used for. Rather than committing themselves to supplying knowledge for the more or less successful management of the status quo, such a reorientation would challenge researchers to include the societal conditions under which technological innovation takes place in their reflections and to understand them as the (modifiable) result of human practice, thereby moving from a technology-focused approach to one rooted in social theory. This broadening of their perspective would then allow scientists to explore ways to commission technology in the interest of societal progress, while at the same time emphasizing that societal progress will not result from technological development by itself .“

Frey verlagert damit den Blick auf eine andere Frage. Statt weiter im Geiste einer Kaffeesatzleserei (siehe hier und hier) darüber nachzusinnen, wie groß nun das Potential automatisierbarer Arbeitsgänge sein könnte, wieviele Arbeitsplätze dadurch verschwinden bzw. entstehen könnten, wäre es sinnvoller die Frage zu stellen, was Automatisierung leisten könnte und wozu sie genutzt werden sollte.

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Meinungsumfragen und Pseudo-Wirklichkeiten

Nachdem ich vor wenigen Wochen von der Meinungsumfrage zum Bedingungslosen Grundeinkommen berichtet hatte, die auf dem Future-of-Work-Kongress von Dalia Research Anfang Mai in Zürich vorgestellt wurde (hier eine genauere Darstellung der Befragung), machte sie nun ihre Runde durch die Medienberichterstattung (siehe auch basic income news) (weitere Umfragen hier, und hier). Wie oft bei Meinungsumfragen wird kaum innegehalten und die Frage gestellt, was sie denn eigentlich abbilden? Was lässt sich aus ihnen schließen und was nicht?

Meinungsumfragen gehören zum festen Bestand des heutigen Lebens, da sie in allen möglichen Bereichen zum Einsatz kommen: Konsumentenbefragungen, Kundenbefragungen, Bürgerbefragungen usw. usf. Vor Wahlen kommen sie zum Einsatz wie auch danach. Wer wissen will, was das Volk, die Kunden oder sonstwer angeblich denkt, lässt eine Meinungsumfrage durchführen. Doch folgendes sollte bedacht werden, wenn es um die Aussagekraft solcher Befragungen geht.

1) Schon angesichts der Durchführung könnten einem Zweifel kommen, ob denn auf dem Weg, den solche Befragungen beschreiten, überhaupt Bedeutsames herausgefunden werden kann. Es dominieren heute Telefon- oder Online Befragungen. Erstere können von Callcentern durchgeführt werden. Das macht es einfacher und billiger, als zu den Interviewees hinzufahren. Für online-Befragungen gilt Ähnliches. In der Fachöffentlichkeit hingegen wird seit langem darauf hingewiesen, dass diese Verfahren einige Probleme bergen. Eines davon ist die mangelnde Ernsthaftigkeit, die in der unverbindlichen Fernbefragung zum Ausdruck kommt. Statt Interviews face-to-face zu führen, wird darauf verzichtet. Gerade die face-to-face-Befragung bringt jedoch authentisches Interesse am Interviewee zum Ausdruck. Man hat den Weg auf sich genommen, ihn aufzusuchen. Das hat Auswirkungen auf die Befragungsqualität und erlaubt für den Interviewer zugleich festzustellen, wie aufmerksam der Interviewee mit den Fragen umgeht. Bei Telefonbefragungen ist das kaum möglich, bei Online-Befragungen gar nicht. Manch einer hat schon die Erfahrung schon gemacht, wie eine solche Befragung abläuft, wenn er zuhause mit etwas beschäftigt war und irgend ein Callcenter „nur zwei Minuten“ für eine Umfrage haben wollte.

2) Weil Meinungsumfragen standardisiert verfahren (so auch überwiegend die bekannte Shell-Jugendstudie und andere), d. h. Fragen wie Antwortmöglichkeiten feststehen, erfassen sie nur, was sie vorsehen, nicht aber die unvorhergesehenen Antworten der Befragten. Wenn einmal ergänzende Antworten möglich sind, müssen sie wiederum standardisiert werden, damit sie verarbeitet werden können – oder sie fallen unter den Tisch. Diese Art des Vorgehens in der Datenerhebung führt dazu, dass die Antworten der Befragten in Einzelmerkmale zerlegt werden. Man erhält nicht Zugang zu den Denk- und Deutungswelten der Interviewees, wie es in nicht-standardisierten Interviews möglich ist, die einer Gesprächssituation gleichen. Nicht einmal weiß man, ob die Fragen verstanden wurden. In nicht-standardisierten Interviews führt der Interviewee in seiner Ausdrucksweise aus, so lange er etwas zu sagen hat oder der Interviewee nachfragt (das ganze wird aufgezeichnet). Auf diesem Weg erhält man Einblick in Deutungsmuster und handlungsleitende Überzeugungen, die eine Person in der Regel, ohne dass es ihr bewusst ist, wie ein innerer Kompass leiten. Auf diese Weise wird erhoben, was der Interviewee zu sagen hat, er wird ernst genommen als Gegenüber im Gespräch und nicht in vorgeformte Schachteln gesteckt. Mit einem detaillierten, der konkreten Ausdrucksweise sich anschmiegenden Auswertungsverfahren eröffnet sich eine reichhaltige Lebenswirklichkeit, die weitreichende Schlussfolgerungen auf allgemeine Zusammenhänge erlaubt (weiterführende Darlegungen zu der Problematik standardisierter Verfahren finden sich hier).

3) Umfragen, die sich auf die Zukunft richten, auf zukünftige Ereignisse oder Entscheidungen, fragen nach hypothetischen Konstellationen. Auf sie soll der Interviewee dann eine, ebenso hypothetische, Antwort geben. Es wird angenommen, die Befragten wüssten, was sie in einer Situation tun würden, in der sie gar nicht sind. Diese Annahme setzt ein Individuum voraus, dass sowohl über seine handlungsleitenden Überzeugungen wie auch seine Weltdeutungen voll im Bilde ist und dabei noch angeben kann, wie das zukünftig sein wird. Wer ein wenig die eigenen Erfahrungen durchforstet oder im Alltag aufmerksam beobachtet, wie Entscheidungen zustande kommen, wird eines Besseren belehrt. Nicht einmal über den morgigen Tag können wir sagen, was wir tun werden, wir haben allenfalls etwas vor. Wer mit nicht-standardisierten Interviews oder ähnlich gehaltvollen Protokollen menschlichen Handelns forscht, weiß, wie groß die Diskrepanz zwischen dem, was jemand als Gründe für sein Handeln angeben kann und dem, was sich in seinem Handeln zeigt, sein kann. Diese Diskrepanz zwischen „Einstellung“ und „Verhalten“, wie sie in der Methodenliteratur gefasst wird, ist die Krux standardisierter und dazu noch hypothetischer Befragungen. Sie erzeugen eine Pseudorealität ganz gleich den Befunden, dass die Mehrheit der Deutschen gegen „Hartz IV“ sei, sich aber sonderbarerweise diese Mehrheit nirgendwo im wirklichen Leben zu erkennen gibt.

4) Da es beim Bedingungslosen Grundeinkommen nun um etwas geht, das wir nicht nur nicht haben, sondern es zugleich mit erheblichen Veränderungen in den Möglichkeiten zu handeln einhergeht, ist die hypothetische Frage noch weiter entfernt vom konkreten Leben, als das ohnehin schon der Fall ist bei hypothetischen Fragen. Wie soll jemand zu einer solchen Frage eine aussagekräftige Einschätzung haben, wenn er zum Befragungszeitpunkt keine Erfahrungen mit einem BGE hat machen können?

Meinungsumfragen in Form solch standardisierter Erhebungen sind also aus vielerlei Gründen wenig bis gar nicht aussagekräftig. Es lässt sich aus ihnen nicht erschließen, was Befragte konkret beschäftigte, als sie die Fragen beantworteten, wie sie denken und welche Überzeugungen ihr handeln leiten. Wie für alle, auch noch so gute nicht-standardisierte Erhebungen und Auswertungen, gilt, dass sie keine Aussagen über zukünftiges Handeln erlauben. Vermutungen kann man immer anstellen, plausiblere und weniger plausible, sie sind aber keine Tatsachenaussagen.

Wir können es als Symptom unserer Zeit verstehen, in der wissenschaftliche Methoden für das Ausloten von Handlungsmöglichkeiten und etwaiger Folgen unerlässlich geworden sind, dass Meinungsumfragen einen derart festen Platz einnehmen, zugleich aber am konkreten Leben meist abprallen. Das mindert nicht ihre Brisanz, wenn in Fragen öffentlichen Interesses solche Umfragen herangezogen werden, um politisch zu gestalten, statt den eigenen Überzeugungen zu folgen. Allzuoft werden Meinungsumfragen mit Tatsachen gleichgesetzt – eine Realität jenseits der Realität entsteht. So auch mit den jüngsten Umfragen zum BGE, sei es pro, sei es contra. Das wirkliche Leben wird mit einem statistisch wahrscheinlichen verwechselt, das letztere ersterem übergeordnet. Angesichts dessen, dass Umfragen die eigenwilligen Antworten des Interviewees nicht in sich aufzunehmen in der Lage sind, kann man nur empfehlen, an ihnen nicht mitzuwirken. So wird der Welt allerhand Unsinn erspart. Ganz anders als in Abstimmungen mit bindendem Charakter, so wie in einer Woche in der Schweiz. Da kommt es zu einer Entscheidung, für die in der Folge Verantwortung übernommen werden muss.

Sascha Liebermann

Die Macht der Maschinen…

…so betitelte der studierte Volkswirt und für Finanzen und Wirtschaft zuständige Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Gerald Braunberger, einen Artikel zur digitalen Revolution. Wie aber können Maschinen Macht haben? Der Artikel endet mit dem Satz: „Die neue Welt der Wirtschaft – die Welt der Daten, der Netzwerke, der Apps und der Roboter – wird nicht zuletzt auch die Bereitschaft zu neuem Denken erfordern.“ Leider aber bringt Braunberger selbst, wie die meisten seiner Zunftgenossen, diese Bereitschaft nicht auf. Denn obwohl er mit der folgenden in Amerika kursierenden Geschichte das Problem durchaus benennt, liegt eine einfache Lösung außerhalb seines Denkens: „Ein Unternehmensvorstand und ein Gewerkschaftschef besuchen eine durch Roboter hochautomatisierte Automobilfabrik, in der nur noch wenige Menschen arbeiten. Der Vorstand fragt den Gewerkschafter mit einem hochmütigen Lächeln: ‚Wie willst du meine Roboter dazu bringen, für deine Gewerkschaft zu streiken?‘ Der Gewerkschafter lächelt zurück: ‚Und wie willst du deine Roboter dazu bringen, deine Autos zu kaufen?'“ Wir brauchen nicht Roboter, die Autos kaufen, aber wir brauchen – so der volkswirtschaftliche Clou der Geschichte – Kaufkraft. Diese muss natürlich über die Produktivität geschaffen werden – aber die Verteilung kann, wie Braunberger in seinem Artikel zeigt, nicht mehr allein und überwiegend über die Arbeitsleistung gesteuert werden und die gewerkschaftlichen Versuche, mit dieser Begründung Arbeitsplätze zu sichern, sind re-aktionär und letztlich schon überholt. Da standisierbare Arbeiten in allen Bereichen standardisiert und standardisierte Arbeiten automatisiert und damit von Maschinen erledigt werden, ist menschliche Arbeit dort überflüssig, ja kontraproduktiv. Damit kann aber die menschliche Arbeitsleistung nicht mehr Grundlage für die Verteilung von Einkommen – und damit Kaufkraft – sein. Die einfache Lösung: die politische Gemeinschaft übernimmt die Verteilung von Einkommen an ihre Bürger – das wäre neues Denken. Natürlich nur dann, wenn die Verteilung nicht an bestimmte Voraussetzungen gebunden wäre, die dann bürokratisch kontrolliert würden – das wäre der bürokratische Kontrollstaat, den das östliche Deutschland vor nicht allzulanger Zeit erst überwunden hat, der aber in unserer Sozialbürokratie nach wie vor am Werke ist; vielmehr kann die Verteilung nur bedingungslos erfolgen, wenn sie die Freiheit der Bürger nicht beeinträchtigen, sondern im Gegenteil ermöglichen soll. Durch den Titel des Artikels wird aber dieses neue Denken geradezu abgewiesen, legt er doch nahe, wir müssten den Maschinen die Macht nehmen, müssten also Maschinenstürmerei betreiben, um zu verhindern, was die MIT-Forscher, die Braunberger heranzieht, so beschreiben: „Demnach wird es nurmehr zwei Gruppen von Beschäftigten geben. Das ist zum einen die Gruppe jener Beschäftigten, die den Computern sagen, was sie zu tun haben. Die zweite Gruppe wird aus Beschäftigten bestehen, denen die Computer sagen, was sie zu tun haben. Auf eine attraktive Bezahlung wird nur die erste Gruppe rechnen können.“ In diesem Szenario sind es aber nicht die Maschinen, die Computer, die Macht haben, sondern diejenigen, die sie programmieren und einsetzen. Macht über die zu Niedrig- oder auch Mindestlohn Arbeitenden können sie aber nur haben, solange diese auf ein Erwerbseinkommen angewiesen sind. Nach Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens würde jeder selbst entscheiden können, unter welchen Bedingungen er einer Erwerbsarbeit nachgehen möchte. Gewiss würde dies die Entwicklung, die Braunberger beschreibt, noch beschleunigen: die Automatisierung vorantreiben – aber dies geschähe dann eben zum Nutzen aller.

Thomas Loer