Barack Obama über Künstliche Intelligenz und Bedingungsloses Grundeinkommen

Auch wenn sein Nachfolger das anders sehen mag, so hat Barack Obama in einem Interview doch – vorsichtig und treffend – die Einschätzung abgegeben, dass auch die USA in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren nicht um die Debatte um ein Bedinungsloses Grundeinkommen herum kommen, wenn anders menschliche Kreativität und Fürsorge angesichts der Automatisierung routinisierbarer Tätigkeiten erhalten bleiben sollen und überflüssige werdende Arbeit nicht zur – nicht nur ökonomischen – Abwertung der Menschen, die sie bisher ausübten, führen soll. Sein Fehler war, dass er das nicht offensiv vertreten und als Auftrag an seine gewünschte Nachfolgerin weitergereicht hat…

Thomas Loer

„Arbeit diszipliniert, aber sie gibt dem Leben auch Sinn und Struktur.“…

… so schreibt Roman Köster in seiner Ökonomiekolumne in Heft 808 der Zeitschrift „Merkur“, die er der „Technologischen Arbeitslosigkeit“ widmet. Damit kehrt er am Ende seines Aufsatzes zu der altvertrauten Begründung der zentralen Rolle der Erwerbsarbeit in unserer Gesellschaft zurück. Das Bevormundende dieser Begründung scheint er aber nicht zu sehen. Zuvor hatte er als Wirtschaftshistoriker die Debatten um die durch technischen Fortschritt erzeugte – besser wohl: mit verursachte – Arbeitslosigkeit nüchtern Revue passieren lassen und aufgezeigt, dass in früheren Jahrzehnten einerseits Arbeit durch Maschinen ausgeführt und damit als lebendige Arbeit überflüssig wurde und mit ihr ganze Berufe verschwanden: „Knopfmacher, Schleifer, Schwertfeger oder Zinngießer braucht es nicht mehr, weil die entsprechenden Produkte heute industriell, in großen Serien und – im Vergleich zum Ausstoß – von viel weniger Menschen hergestellt werden.“ (S. 81); dass andererseits „den verlorenen alten Arbeitsplätzen bislang auf Dauer stets mehr neugeschaffene Arbeitsplätze gegenüberstanden.“ (S. 82) Die Hoffnung aber, die noch Jean Fourastier hatte: „Die von der Industrie freigesetzten Arbeiter fänden also problemlos in Dienstleistungsberufen Unterschlupf.“ (S. 84), hat sich, wie wir wissen und wie auch Köster darlegt, nicht erfüllt: „Hier hat insbesondere die Durchsetzung der Computertechnik seit den 1970er Jahren zu einer durchgreifenden Rationalisierung geführt, und vieles deutet mittlerweile darauf hin, dass diese Entwicklung sich noch einmal deutlich intensivieren könnte.“ (ebd.) Dass also mit dem technologischen Fortschritt stets neue Arbeitsplätze entstehen, bezweifelt auch Köster – so verweist er etwa auf eine 2014 veröffentlichte Studie „die zu dem Ergebnis kam, nahezu die Hälfte aller Arbeitsplätze in den USA unterliege einem hochgradigen Automatisierungsrisiko.“ (S. 86) – und er stellt ausdrücklich klar: „Denn selbst wenn verlorene Arbeitsplätze durch neue ersetzt werden, sind es nur selten dieselben Menschen, die die neuen Jobs dann auch ausüben.“ (S. 83) Weil er aber die eingangs zitierte Wertschätzung der Arbeit als pädagogisches Instrument zugrundelegt, verkennt Köster, dass die „technologische Arbeitslosigkeit“ ja in Wirklichkeit eine durch technischen Fortschritt ermöglichte Befreiung von überflüssiger Arbeit darstellt. Und darüber hinaus sieht er nicht den Widerspruch zwischen der Arbeit als pädagogischem Instrument und der Arbeit als Quelle von Anerkennung, was er verräterisch so formuliert: „Arbeit […] verschafft auch Anerkennung.“ (S. 87) Quelle von Anerkennung kann Arbeit nämlich nur sein, wenn sie nicht Mittel dazu ist, sondern wenn man sich in ihr als in der Bewältigung einer ernsthaften Aufgabe bewährt. Das aber geht nur, wenn es sich nicht um überflüssige Arbeit handelt, die geradeso gut, ja meist besser, von Maschinen erledigt werden könnte. Die Beantwortung der Frage, die er am Schluss seines Aufsatzes stellt: „Worüber sollte auch sonst gesellschaftliche Reputation begründet werden? Über die Anzahl der Kinder oder den künstlerischen Erfolg?“ (S. 87) könnte Köster getrost den Bürgern seines Gemeinwesens überlassen, wenn sie denn durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen, auf das Köster als Aufhänger seiner Darlegungen verweist (S. 81), in die Lage versetzt wären, auf Einkommen aus überflüssiger Arbeit zu verzichten und ihre aus ihrem eigenen Leben sich speisende Kreativität zu entfalten. Mit dieser Perspektive wird auch klar, dass Köster, wenn er von Arbeitsplätzen redet, nicht Arbeitsplätze meint, sondern einerseits Einkommensplätze und andererseits Arbeitsplacebos: Plätze, an denen ich mich so fühlen soll, als leiste ich etwas, damit ich mich anerkannt und reputiert fühlen kann – so geht es Kindern, die man beim „Mensch ärger Dich nicht“-Spiel gewinnen lässt…

Thomas Loer

Die Macht der Maschinen…

…so betitelte der studierte Volkswirt und für Finanzen und Wirtschaft zuständige Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Gerald Braunberger, einen Artikel zur digitalen Revolution. Wie aber können Maschinen Macht haben? Der Artikel endet mit dem Satz: „Die neue Welt der Wirtschaft – die Welt der Daten, der Netzwerke, der Apps und der Roboter – wird nicht zuletzt auch die Bereitschaft zu neuem Denken erfordern.“ Leider aber bringt Braunberger selbst, wie die meisten seiner Zunftgenossen, diese Bereitschaft nicht auf. Denn obwohl er mit der folgenden in Amerika kursierenden Geschichte das Problem durchaus benennt, liegt eine einfache Lösung außerhalb seines Denkens: „Ein Unternehmensvorstand und ein Gewerkschaftschef besuchen eine durch Roboter hochautomatisierte Automobilfabrik, in der nur noch wenige Menschen arbeiten. Der Vorstand fragt den Gewerkschafter mit einem hochmütigen Lächeln: ‚Wie willst du meine Roboter dazu bringen, für deine Gewerkschaft zu streiken?‘ Der Gewerkschafter lächelt zurück: ‚Und wie willst du deine Roboter dazu bringen, deine Autos zu kaufen?'“ Wir brauchen nicht Roboter, die Autos kaufen, aber wir brauchen – so der volkswirtschaftliche Clou der Geschichte – Kaufkraft. Diese muss natürlich über die Produktivität geschaffen werden – aber die Verteilung kann, wie Braunberger in seinem Artikel zeigt, nicht mehr allein und überwiegend über die Arbeitsleistung gesteuert werden und die gewerkschaftlichen Versuche, mit dieser Begründung Arbeitsplätze zu sichern, sind re-aktionär und letztlich schon überholt. Da standisierbare Arbeiten in allen Bereichen standardisiert und standardisierte Arbeiten automatisiert und damit von Maschinen erledigt werden, ist menschliche Arbeit dort überflüssig, ja kontraproduktiv. Damit kann aber die menschliche Arbeitsleistung nicht mehr Grundlage für die Verteilung von Einkommen – und damit Kaufkraft – sein. Die einfache Lösung: die politische Gemeinschaft übernimmt die Verteilung von Einkommen an ihre Bürger – das wäre neues Denken. Natürlich nur dann, wenn die Verteilung nicht an bestimmte Voraussetzungen gebunden wäre, die dann bürokratisch kontrolliert würden – das wäre der bürokratische Kontrollstaat, den das östliche Deutschland vor nicht allzulanger Zeit erst überwunden hat, der aber in unserer Sozialbürokratie nach wie vor am Werke ist; vielmehr kann die Verteilung nur bedingungslos erfolgen, wenn sie die Freiheit der Bürger nicht beeinträchtigen, sondern im Gegenteil ermöglichen soll. Durch den Titel des Artikels wird aber dieses neue Denken geradezu abgewiesen, legt er doch nahe, wir müssten den Maschinen die Macht nehmen, müssten also Maschinenstürmerei betreiben, um zu verhindern, was die MIT-Forscher, die Braunberger heranzieht, so beschreiben: „Demnach wird es nurmehr zwei Gruppen von Beschäftigten geben. Das ist zum einen die Gruppe jener Beschäftigten, die den Computern sagen, was sie zu tun haben. Die zweite Gruppe wird aus Beschäftigten bestehen, denen die Computer sagen, was sie zu tun haben. Auf eine attraktive Bezahlung wird nur die erste Gruppe rechnen können.“ In diesem Szenario sind es aber nicht die Maschinen, die Computer, die Macht haben, sondern diejenigen, die sie programmieren und einsetzen. Macht über die zu Niedrig- oder auch Mindestlohn Arbeitenden können sie aber nur haben, solange diese auf ein Erwerbseinkommen angewiesen sind. Nach Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens würde jeder selbst entscheiden können, unter welchen Bedingungen er einer Erwerbsarbeit nachgehen möchte. Gewiss würde dies die Entwicklung, die Braunberger beschreibt, noch beschleunigen: die Automatisierung vorantreiben – aber dies geschähe dann eben zum Nutzen aller.

Thomas Loer

Rentendiskussion und Industrie 4.0

Die Diskussion um die Rente mit 63 – unter anderem, wie sie in der Sendung „Die Rentner der Zukunft – Arbeit statt Ruhestand?“ am gestrigen Abend bei Günter Jauch – zeigt wieder einmal, wie eingefahren die Denkvoraussetzung sind: alle gehen wie selbstverständlich von der Unveränderbarkeit der Erwerbsarbeitsgesellschaft aus. Niemand der Diskutanten, nicht einmal Norbert Blüm, der immerhin noch die Wahl des Renteneintrittsalters in die Hände des Einzelnen legen wollte, seine Freiheit aber einschränkte durch die Forderung nach Abschlägen bei früherem Renteneintritt, stellte die Beitragsfinanzierung der Rente infrage. Dabei war am gleichen Wochenende Angela Merkel bei der Eröffnung der Hannover Messe zu hören, wie sie von der „smarten Industrie“ und der Industrie 4.0 schwärmte – mit Recht. Aber: Wenn die Abschaffung überflüssiger Arbeit nicht zu überflüssigen Menschen führen soll, dürfen wir Menschen nicht mehr lediglich über Erwerbsarbeit definieren. Auch die Landwirtschaft ist längst ein Vorreiter, in naher Zukunft wird auch dort weitgehend automatisierte Produktion stattfinden. Mit der Forderung nach lebenslangem Lernen ist dem, anders als Angela Merkel meint, nicht zu begegnen. Den Bürgern hingegen die Freiheit zu geben, sich nach eigener Entscheidung und mit eigener Verantwortung zu engagieren – auch in der „smarten“ Produktion der Zukunft, auch in der eigenen Lebenszeit nach einem Engagement in der Erwerbsarbeit, in der immer mehr eben ein produktives Leben führen können und wollen, oder auch neben der Erwerbsarbeit oder statt ihrer –, das ist die Lösung. Und diese erfordert ein einfaches Umdenken: Abschied von der Erwerbsarbeitsfixierung, was für einen Übergang eine Rentenfinanzierung aus Steuern bedeutet und was unmittelbar beginnen kann mit dem steuerfinanzierten Grundeinkommen. Die „smarte Industrie“ wird ja die Produktivität weiter erhöhen, wird die Wertschöpfung steigern. Daraus ein freies Leben zu finanzieren ist leicht möglich – nur gedacht werden muss es. Solche Widersprüche wie die zwischen dem Lob der „smarten Industrie“ und dem Festhalten an der Beitragsfinainzierung der Rente aufzudecken – in privaten wie in öffentlichen Diskussionen –, ist ein Weg, dieses Umdenken voranzutreiben.

Thomas Loer

Bill Gates redet Klartext – und verkennt doch die einfache Lösung: BGE

Bill Gates hat in mehreren Interviews (BGR und Business Insider) deutlich gemacht, dass die Entwicklung der Automatisierung weiterhin zu einer enormen Produktivitätssteigerung und damit dem Überflüssigwerden von menschlicher Arbeit in weiten Bereichen führt. Da Gates aber die Fixierung unserer Sozial- und Steuersysteme auf die Erwerbsarbeit nicht infrage stellt, übersieht er die einfache Lösung: Abschöpfung des ja nach wie vor und in steigendem Maße produzierten Mehrwerts und Auszahlung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Erstaunlich, dass hier für ihn gilt, was er bezüglich des sicher erwartbaren Abbaus von Arbeitsplätzen in allen Bereichen der standardisierbaren Arbeit von anderen sagt: „I don’t think people have that in their mental model.“ – Daran gilt es zu arbeiten – und diese Überzeugungsarbeit kann nicht automatisiert werden.

Thomas Loer