Die Stoßrichtung ist klar, aber: wird Vermögen denn „erarbeitet“…

…, ist denn zurechenbar, wer was „erarbeitet“ hat oder ist nicht die Art und Weise der Zurechnung eher eine Konvention? So sehr die Aufgabenbewältigung des Einzelnen an seinem Platz wichtig ist, so wenig kann doch zugerechnet werden, welche Leistung er genau erbracht hat, wenn dieser Leistungsbeitrag von dem anderer abhängt – das gilt noch für Akkordarbeit. Noch komplexer und aberwitziger wird die Vorstellung, man könne das zurechnen, wenn wir die sozialisatorischen Voraussetzungen in den Blick nehmen, die das Fundament für einen Leistungsbeitrag legen. Denn ohne die Bildungsprozesse, die Eltern in einem geschützten Raum einem Kind eröffnen, gäbe es später keine Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben und ebenso wenig in anderen Zusammenhängen. Vergessen werden sollte auch nicht, dass dies ganze wiederum von einem Gemeinwesen von Bürgern abhängt, die die Ordnung des Zusammenlebens tragen, erneuern und befestigen. Der vermeintliche Gegensatz zwischen „vererbt“ und „erarbeitet“ trifft die Sache nicht bzw. nur oberflächlich.

Sascha Liebermann

„Erben“ ist tatsächlich keine Leistung, der Erbe empfängt – ein Erbe aufzubauen ist eine Leistung, aber auch nicht des Erblassers alleine,…

…ein BGE trägt dem genau Rechnung, dass jeder Erblasser auf den Schultern anderer steht, jeder Erbe ebenso und das ohnehin für alle gilt. Leistung muss nur weiter gefasst und im Zusammenhang mit ihren Voraussetzungen betrachtet werden. Wenn das schon Sozialismus wäre, dann stellt sich die Frage, was denn die realexistierenden sozialistischen Staaten waren.

Sascha Liebermann

„Das teure Nest“ – Elisabeth von Thadden über Ungleichheit, den Mythos der Leistungsgesellschaft – und die Alternative?

In ihrem Beitrag auf Zeit Online wirft Elisabeth von Thadden wichtige Fragen auf und blickt auf gegenwärtige Schieflagen in der Vermögensverteilung. Diese entlarven den Mythos von der Leistungsgesellschaft, den von Thadden allerdings recht eng fasst. In dieser Form der Erzielung von Einkommen und der Bildung von Vermögen war er ohnehin nie gegeben, denn die Leistung, die zu Einkommen führen kann, entsteht nicht im luftleeren Raum, sie hat vielerlei Voraussetzungen, von denen Arbeitsbedingungen und Löhne nur wenige sind. Um überhaupt leistungsfähig in diesem engen Sinne zu werden, bedarf es anderer Leistungen im Sinne einer sorgsamen Zuwendung und Anerkennung des Individuums, wie sie zuallererst in der Familie erfahren wird. Im Zuge der Sozialisation gehen Bildungsprozesse, die durch die familiale Dynamik initiiert und getragen werden, anderen Leistungen voraus und ermöglichen sie erst. Schon hier also bedarf es einer Korrektur am enggeführten Leistungsverständnis. Aber selbst wenn man ein Leistungsverständnis im engen Sinne betrachtet, wird deutlich, dass auch hier allerlei Illusionen im Spiel sind, denn arbeitsteilige Prozesse der Erzeugung und Bereitstellung standardisierter Güter machen es unmöglich, Leistungsergebnisse individuell zuzurechnen. Das ist der Grund dafür, weshalb Löhne willkürliche Vereinbarungen im Rahmen des Verteilbaren darstellen. Insofern also ist die Vorstellung, Leistung gehe vor allem und alleine auf individuelle Anstrengungen und Erfolge zurück, stets eine Illusion gewesen. Das soll nicht die Bedeutung der Leistungsbereitschaft des Einzelnen schmälern, aber ohne sie im weiteren Zusammenhang zu sehen, führt sie zu Verklärung. Hier ein Zitat aus dem Beitrag von Thaddens:

„Wenn es sich für die junge Generation bis auf ein paar finanzmutige Glückspilze nicht mehr lohnt, zu arbeiten (zumal für Ostdeutsche, denen nach 1989 die Immobilien von Westdeutschen, unterstützt durch staatliche Steuergeschenke, weggekauft wurden und die also deutlich weniger erben, wie es auch die Kinder aus Zuwandererfamilien tun), dann wird das Versprechen von demokratischen Leistungsgesellschaften zur Chimäre. Dann macht sich ein Gefühl von Ohnmacht breit.

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