„…manchmal brauchst du so einen Arschtritt“…

…diese Haltung eines liberalistischen Paternalismus‘ oder paternalistischen Liberalismus legte Christian Lindner (FDP) in einer Pro Sieben-Sendung an den Tag. Klaas Heufer-Umlauf befragte ihn in seiner Sendung „Ein Mann, eine Wahl“. Zitiert wurde daraus meist die Passage, in der es um darum geht, dass ein junger Mensch mit 18 Jahren manchmal einen Tritt in den „Arsch“ benötigt. Das Interview mit Lindner ist aber widersprüchlich, und zwar ebenso widersprüchlich wie schon sein Gespräch mit Konstantin Faigle vor einigen Jahren.

Bevor es um das Bedingungslose Grundeinkommen geht, sagt Lindner das:

„Du bist der beste Experte für dein Leben, also sollst du auch am meisten über dein Leben entscheiden“. Das spricht ja nicht gegen ein BGE. Dann sei ihm nocht wichtig, „dass jeder was aus seinem Leben machen kann“. Auch das spricht nicht gegen ein BGE. Es kommt die Sprache auf das Bürgergeld, das die FDP einführen will, damit niemand mehr „würdelos zum Amt rennen“ muss. Das erhalte man immer, was nicht ganz richtig ist, denn das Bürgergeld wird mit dem Einkommen verrechnet. Zumindest aber klingt das tatsächlich freilassender als bislang in der FDP (FDP Programm zur Bundestagswahl (S. 65)), denn noch im Bürgergeldbschluss von 2005 steht zu lesen:

„Ergänzend zu den Anreizen müssen die Sanktionsmechanismen konsequent angewendet werden, nicht zuletzt auch zum Schutze des Steuerzahlers vor Sozialleistungsmißbrauch. Deshalb wird die Pauschale für den Lebensunterhalt um bis zu 30 % gekürzt, wenn angebotene zumutbare Arbeit abgelehnt wird. Eine weitere Ablehnung zieht die gleiche Rechtsfolge nach sich, so daß die tatsächliche Kürzung bei Arbeitsverweigerung erheblich höher liegen kann.“ (FDP Beschluss von 2005, S. 5)

Da hat sich entweder in der FDP etwas getan oder es wird nicht mit offenen Karten gespielt.

Dann kommt die Passage zum BGE (ab Minute 5:23). Lindner reagiert darin auf eine Äußerung von Heufer-Umlauf, in der dieser sagte, dass „man sich [mit einem BGE, SL] nur noch fallen lässt“. Daraufhin Lindner:

„Deshalb bin ich auch gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen. Weil manchmal brauchst du so einen einen einen Arschtritt zum Beispiel als 18-Jähriger bekommst du angenommen mal bedingungsloses Grundeinkommen und da sagst du ,Ja, reicht mir‘, aber so den Anschub zu bekommen, ,Lern was. Mach ’nen Job, komm weiter im Leben‘, macht die Menschen am Ende vielleicht viel glücklicher, als wenn man sie auf der Couch belässt. also insofern Ich bin gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen. So ist der Mensch nicht.“

Lindner nimmt die These Heufer-Umlaufs einfach auf, obwohl sie aus einem BGE gar nicht folgt, sie ist bloß eine Unterstellung. Und dann unvermittelt kommt die „Arschtritt“-These (ganz ähnlich bei Jens Spahn). In Lindners Darlegung des Bürgergeldes gibt es aber gar niemanden, der diesen „Arschtritt“ erteilen könnte. Wenn es das Bürgergeld immer gibt, solange jemand nichts verdient, dann kann es keine Sanktion geben. Oder doch? Entweder hat Lindner seine private Ansicht zum Bürgergeld oder es ist in der FDP doch beim alten Beschluss geblieben.

Wenn jemand Hilfe benötigt, weil er alleine nicht weiterkommt, z. B. mit einer Entscheidung, die er zu treffen hat, dann könnte man doch darauf setzen, dass er sich Hilfe suchen wird. Wenn er jemanden benötigt, der ihm Druck macht oder den Lindner-Vorschlag für ihn praktiziert, so würde er ihn sich suchen. Lindner will jedoch den „Arschtritt“ als allgemeines Instrument einsetzen, nur so ergibt seine Äußerung einen Sinn. Damit vertritt er etwas, das gegen seine Äußerung weiter oben steht, in der er sagte, jeder sei Experte seines Lebens. Weshalb sollte das für den 18jährigen nicht gelten, der sicher noch Eltern, Verwandte und Freunde hat, die er um Rat bitten kann?

Heufer-Umlauf spitzt Lindners Ausspruch treffend zu, wenn er sagt:

„Es muss ein Arschtritt durch Deutschland gehen.“

Damit variiert er das Bonmot des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog, dass ein „Ruck“ durch Deutschland gehen müsse. Auch dieser Ausspruch war paternalistisch, denn einen Ruck kann man sich entweder selbst geben oder er wird einem gegeben. Herzog hatte offenbar auch letzteres im Sinn.

Der Tritt in den Arsch findet seine Geistesverwandten dort, wo Bürgern unterstellt wird, sie könnten ihre Interessen nicht selbst wahrnehmen. Wer so denkt, sieht im Bedingungslosen Grundeinkommen eine Stilllegungs- oder -halteprämie. Letzlich sind es zwei Seiten desselben entmündigenden Paternalismus.

Sascha Liebermann