Precht und Blome über das Bedingungslose Grundeinkommen und die „Mitte“

In der jüngsten Sendung „Precht“ im ZDF geht es auch um das Bedingungslose Grundeinkommen, besonders ab Minute 17. Precht wiederholt, was er jüngst in einem Interview mit jung & naiv über das BGE geäußert hat. Blome deutet, was die „Mitte“ in Deutschland auszeichnet, Trägheit, das Verständnis von Lohn für Leistung usw. Treffend beschreibt er, was bislang einer breiten Auseinandersetzung mit dem BGE entgegensteht, teils werden Floskeln geäußert wie, Leistung müsse sich für die Mitte wieder lohnen. Dem steht das BGE ja gar nicht entgegen. Blome geht allerdings über die Widersprüche hinweg, die gegenwärtig vorherrschende Vorstellungen darüber, was unser Leben zusammenhält, erzeugen. Dass Leistung auf bestimmte Leistungsformen verengt wird, dass die Stellung der Bürger in der Demokratie anders verfasst ist als der der Erwerbstätigen.

Sascha Liebermann

ZDF heute – Warten auf finnische Ergebnisse…

…ein Interview auf heute.de zum Bedingungslosen Grundeinkommen und was zu erwarten ist mit Hans Stein, Mitarbeiter der Friedrich-Naumann-Stiftung. Es sei hier angemerkt, dass weder klar ist, was in Finnland geschehen wird, da die Regierung das noch entscheiden muss, noch haben die Versuche in den Niederlanden begonnen.

Darüber hinaus fällt auf, dass wieder einmal über den Sozialstaat gesprochen wird, ohne dessen Legitimationsbasis zu thematisieren, die Demokratie.

„Frohes Schaffen. Ein Film zur Senkung der Arbeitsmoral“ – zum Gedenken an Konstantin Faigle

Am 16. Juni 2016 ist Konstantin Faigle, Regisseur und Drehbuchautor, verstorben. Mit seinem Film „Frohes Schaffen. Ein Film zur Senkung der Arbeitsmoral“ (Website zum Film) griff er die Frage auf, was Arbeit ist und wie es heute schon anders sein könnte, ohne in Großlösungen zu denken. Er nahm darin auch die Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen auf. Der ZDF-Sendung Aspekte gab er ein Interview zum Film. Aus Anlass seines Todes sendet das ZDF den Film „Frohes Schaffen“ am 1. August, danach ist er für eine Woche in der Mediathek zugänglich.

In einem aufschlussreichen Gespräch mit Christian Lindner, das er im Rahmen eines Beitrags für den WDR führte, befragte er ihn zu seinem Menschenbild und zum BGE. Die Widersprüche, die Lindner dabei erkennen lässt, sind für die Grundeinkommensdiskussion sehr aufschlussreich.

„Grundeinkommen fürs schlechte Gewissen“…

…ein Beitrag von Alfred Krüger auf ZDF heute über die Zustimmung zum Grundeinkommen im Silicon Valley. Überlegungen in die gleiche Richtung hatte vor kurzem auch Adrian Lobe in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung angestellt.

In dem Beitrag unter „Pro“ wird Michael Opielka mit einer interessanten Äußerung zitiert:

„Impuls für Migrationspolitik: Als weiteres Argument komme hinzu, dass das Grundeinkommen ein Impuls für die Politik wäre, die Einwanderungspolitik auf klare Grundlagen zu stellen, sagt Opielka. „Die Gesellschaft müsste eindeutig klären, wem sie nach welchen Kriterien nur auf Zeit einen Schutz vor Verfolgung gewährt. Und wen sie dauerhaft aufnimmt, dem würde dann auch das Recht auf das Grundeinkommen garantiert.““

Das BGE würde also damit einhergehen müssen zu klären, wir wir als Gemeinwesen zur Einwanderung stehen. Angesichts des Hin und Her in der jüngeren Vergangenheit würde dies auch Einwanderern signalisieren, dass sie nicht einen Status erhalten, weil sie am Erwerbsleben teilnehmen, sondern weil sie in Deutschland leben wollen. Die Bedingungen dafür definieren wir.

Sascha Liebermann

„Wer glaubt denn, dass man so den Anreiz in einer Gesellschaft lebendig erhalten kann“ – eine Debatte im ZDF

In einem neuen Sendeformat des ZDF, Die Debatte, wurde über Generationengerechtigkeit diskutiert. Die Konfrontation misslang insofern, als alle Teilnehmer sie nicht so führen wollten, wie das ZDF es gerne gehabt hätte, um einen Knaller zu erzeugen. Die Diskussion war sachlicher, als der Titel erwarten ließ (siehe auch die Besprechung von Frank Lübberding).

An zwei thematischen Aufhängern allerdings wurde es aufschlussreich: am Bedingungslosen Grundeinkommen und an der Frage, wer für die Politik des letzten Jahrzehnts verantwortlich ist. Die Sprache auf das BGE brachte die politische Geschäftsführerin der Piratenpartei, Katharina Nocun zu Beginn und dann noch einmal als Reaktion (ab Minute 50’45) auf Kurt Beck, Ministerpräsident von Rheinland Pfalz a.D. Becks Entgegnung auf das BGE war drastisch und symptomatisch (ab Minute 48’35): „…Wer glaubt denn, dass man so [mit einem „bedingungslosen Mindesteinkommen“ oberhalb der Armutsgrenze, unabhängig davon, ob man „‚was schafft oder nicht“, SL] den Anreiz in einer Gesellschaft lebendig halten kann, das geht nicht, sie werden sehen, sie werden sicher scheitern…“. Drastisch ist diese Äußerung, weil Beck unserer Demokratie damit attestiert, scheitern zu müssen, obwohl sie gerade darauf beruht, die Bürger als ihr Fundament bedingungslos anzuerkennen – ohne Anreiz. Die bedingungslose Verleihung der Rechte als Bürger bringt genau zum Ausdruck, wovon Beck meint, das es nicht gehe. Seine Einschätzung geht also an den wirklichen Verhältnissen vorbei, sie verhöhnt sie geradezu. Er steht mit ihr allerdings nicht allein, sie ist allerorten anzutreffen (siehe diesen Beitrag oder auch hier). Genau diese Haltung des Bilanzierens ist es, die unser Gemeinwesen als Solidarverband zugrunderichten kann, weil sie nicht unterscheidet zwischen Leistung und Gegenleistung in einem Handeln, das auf einen bestimmten Zweck gerichtet ist (z.B. Tausch von Gütern und Diensten) und einem Handeln, das seinen Zweck in sich selbst trägt: die Anerkennung des anderen um seiner selbst, also eines Tausches um des Tauschens willen. Damit ist unsere Misere genau benannt: es mangelt an einem Bewusstsein davon, ein Solidarverband von Bürgern zu sein, der an erster Stelle steht und seinen Zweck in sich hat. Alles andere kommt danach. In der Grundeinkommensdiskussion wird, auch von Befürwortern immer wieder darauf hingewiesen, dass doch volkswirtschaftlich für das BGE argumentiert werden sollte. Damit würde allerdings der hier benannte Zusammenhang wieder übergangen, für ein Gemeinwesen ist die Solidarität die führende Dimension. Das entspricht dem Primat des Politischen in der Gestaltung unserer Lebensverhältnisse.

Heiner Geißlers Einwand gegen das BGE (ab Minute 52) zeugt auch nicht gerade von Nachdenklichkeit. Der „Zahnarztgattin“ – wiederum ein typisches Beispiel – ein BGE bereitzustellen, dafür sei kein Konsens zu erreichen, deswegen solle dieses Thema beseitegelegt werden. Außerdem habe angeblich Götz W. Werner während einer Zugfahrt mit Geissler selbst Zweifel am BGE geäußert. Angesichts der vehementen Befürwortung des BGE durch Herrn Werner bis heute kann man diese Anekdote getrost als strategische Instrumentalisierung abtun. Durch die Bezugnahme wollte er dem Thema womöglich den Wind aus den Segeln nehmen. Geißlers Beispiel Zahnarztgattin wiederum lässt tief blicken. Er unterschlägt, dass auch für sie ein Grundfreibetrag in der Einkommensteuer gilt, der sich aus der Verpflichtung des Gemeinwesens ableitet, das Existenzminimum unversteuert zu lassen. Sie erhält also heute schon etwas (wenn sie selbst kein Einkommen hat, dann über das Ehegattensplitting), das sie nicht braucht und dennoch haben wir dafür einen Konsens, deswegen gibt es diesen Freibetrag ja. Ein BGE könnte ihn ersetzen, dann hätten wir statt eines Freibetrags eine Ausschüttung von Einkommen – so könnten gleichermaßen andere Leistungen in derselben Höhe durch ein BGE ersetzt werden. So wäre auch ein Anfang für das BGE gemacht, der direkt am Bestehenden anknüpft und es zugleich transformiert. Es ist also nur eine Frage, in welcher Form diese Existenzsicherung bereitgestellt werden soll, das ist strittig, nicht die Existenzsicherung als solche.

Was Geißlers Ausführungen in der obigen Passage zur Erwerbsquote (Erwerbstätige zu Erwerbspersonen, siehe auch Erwerbspersonen nach dem ILO-Konzept) betrifft, scheint die Zahl von 90 Prozent für die Schweiz erheblich zu hoch gegriffen. Das Schweizer Bundesamt für Statistik spricht für das Jahr 2011 von 82,8 Prozent. Teilzeiterwerbstätigkeit beträgt 33,7 Prozent, wodurch die hohe Erwerbsquote in einem anderen Licht erscheint. Bei der Betrachtung von Statistiken müssen stets die Definitionen der Datenerhebung berücksichtigt werden. So ist die Anzahl derer pro Jahrgang, die ein Studium aufnimmt, in der Schweiz geringer als in Deutschland. Außerdem gibt es in der Schweiz nur vier Monate bezahlte Elternzeit, auch das wirkt sich auf die Daten aus. Davon ganz abgesehen ist die Steigerung der Erwerbsquote kein Selbstzweck. Gerade das Ziel einer Steigerung ist es, das Eltern dazu drängt, weniger lange für ihre Kinder zuhause zu bleiben.

Der andere thematische Aufhänger (ab Minute 32’19) ist die Frage nach der Verantwortung für die Politik der letzten Jahre. Frau Nocun und Herr Gründinger werfen diese Frage auf, erstaunlich sind vor allem die Entgegnungen von Herrn Beck. Er stellt heraus, dass selbst mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit gegen diesen Zeitgeist nichts zu machen gewesen sei. Nun, dann war dieser Zeitgeist eben auch in der SPD, was er offen hätte sagen können, denn sie hat wesentliche Entscheidungen dazu beigetragen, Stichwort Agenda 2010, Private Altersvorsorge usw. Auch kann man als Politiker diesen Zeitgeist kritisieren und muss ihn nicht mittragen. Dieses Opfer war Herrn Beck dann vielleicht zu groß. Zu all dem kein Wort von ihm. Als Kritiker der Folgen dieser Agenda ist er bislang auch nicht aufgefallen. Seine oben zitierte Äußerung passt vielmehr in die Geisteshaltung der Bilanzzieher und Aktivierer. Heiner Geißler benennt am ehesten noch Ross und Reiter, verschont aber die Entscheidungsträger – auch aus seiner Partei – und kritisiert „Professoren“, als seien sie diejenigen gewesen, die Entscheidungen getroffen hätten. Eine sonderbares Ausweichmanöver, denn Berater beraten, Entscheidungen treffen Amtsinhaber und Mandatsträger.

Sascha Liebermann