Bedingungsloses Grundeinkommen? Geld allein genügt nicht!

So ist eine Stellungnahme der Grundwertekommission beim Parteivorstand der SPD übertitelt, die im vergangenen November veröffentlicht wurde. Die dort gelieferten Einsichten sind nicht überraschend, wenn man nachliest, wer der Kommission angehört. Einzelne Mitglieder hatten sich in den letzten Jahren zum BGE geäußert. Die Friedrich Ebert Stiftung hat nun gleichfalls eine Studie vorgelegt: „Das Grundeinkommen in der gesellschaftspolitischen Debatte“, verfasst von Stephan Lessenich.

Beide Studien zeigen, dass die Debatte nun die SPD auf oberster Ebene erreicht hat. Auch das ist ein Erfolg der anhaltenden, beharrlichen öffentlichen Diskussion dank der vielen engagierten BGE-Streiter.

Nachtrag: Mittlerweile hat die Anhörung zu den beiden Studien stattgefunden. Auf der Website des Archiv Grundeinkommen sind Videomitschnitte der Veranstaltung der Friedrich Ebert Stiftung in Berlin abgelegt. Sie geben einen guten Einblick in die Debatte um das BGE und den Stand der Diskussion in der SPD.

Freiheit statt, Freiheit zu, Freiheit durch Vollbeschäftigung? Irritationen

„Freiheit statt Vollbeschäftigung“, mit diesem Slogan ist die Initiative vor etwas mehr als fünf Jahren angetreten, um für ein bedingungsloses Grundeinkommen zu streiten. Immer wieder ruft er Irritationen hervor. Worum geht es dabei, weshalb kann ein Gegensatz zwischen Freiheit und Vollbeschäftigung bestehen?

Zuerst einmal rückwärts. „Freiheit durch Vollbeschäftigung“ (z.B. gefordert von Daniel Kreutz) – das ist so, als werde man durch Erwerbsarbeit ein freier Mensch, denn Vollbeschäftigung ist ein terminus technicus, ein Fachausdruck, der sich nur auf Erwerbsarbeit bezieht, auf nichts anderes. Fast klingt es wie der umgedrehte Slogan „Vollbeschäftigung statt Freiheit“, wie kürzlich Juliane Jaschik es auf den Punkt brachte. Nicht steht der tätige Mensch im Zentrum. Darauf hat jüngst auch Wolfgang Strengmann-Kuhn in einem Beitrag hingewiesen – auch wenn er darin der Meinung ist, das Konzept der Vollbeschäftigung vor unserem Slogan in Schutz nehmen zu müssen (S. 12 f.). Freiheit durch Vollbeschäftigung wäre beinahe noch eine Verschärfung dessen, was wir mit den sogenannten Hartz-Gesetzen bislang erlebt haben, weil es noch stärker an die Stelle des Bürgers und seiner Autonomie, sich seinen Weg im Leben und für das Gemeinwohl zu suchen, den Erwerbstätigen setzte. Auch die gefällig klingende Variation von Dieter Scholz, in der immerhin das freie Tätigsein erkennbar ist – „Freiheit durch selbstbestimmte Arbeit“ (siehe „Arbeit und Freiheit im Widerspruch, S. 7) – lässt den Menschen erst durch Arbeit zum Menschen werden. Nicht ist er es schon um seiner selbst willen, ganz gleich, ob er etwas unternimmt. Frei scheint er erst werden zu müssen. Ein Rückschritt hinter unsere politische Ordnung.
„Freiheit zu Vollbeschäftigung“, das käme der Sache schon näher, um die es mit dem bedingungslosen Grundeinkommen geht, wenn damit die Freiheit gemeint wäre, sich mit dem voll und ganz beschäftigen zu können, das man für wichtig und richtig erachtet. Das aber ist nicht mit dem Ausdruck „Vollbeschäftigung“ gemeint. Denn Vollbeschäftigung heißt der Zustand eines weitgehenden Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage. Was aber, wenn es ein Ungleichgewicht, sprich ein Über- oder ein Unterangebot an Arbeitskraft gibt? Für die Vollbeschäftigungsdenke muss das zum Problem werden. Nicht aber, wenn dies vom BGE aus betrachtet wird, da der Einzelne tun kann, was er für richtig hält, ganz gleich ob im oder jenseits vom Arbeitsmarkt.

Steht denn, so müssen wir uns fragen, nicht vor jeder Tätigkeit, vor jeder Auseinandersetzung mit einer Aufgabe, einer Herausforderung, einem Problem die Anerkennung der Bürger um ihrer selbst willen, also die Anerkennung der politischen Vergemeinschaftung als Selbstzweck? Ist nicht das gerade die Grundlage unserer politischen Ordnung: die Bürger so anzuerkennen, wie sie sind, ihnen die Bürgerrechte bedingungslos zu verleihen, weil wir zumindest im Handeln, wenn auch nicht im Denken, uns darüber im klaren sind, dass mit der Freiheit des Einzelnen im Gemeinwesen alles beginnt und auch endet? Und folgt nicht erst an zweiter Stelle die andere Freiheit als Freiwilligkeit, die Freiheit, das zu tun, das man für wichtig und richtig erachtet, also die Freiheit zur Tätigkeit?
Wenn das so ist, dann sind Freiheit und Tätigkeit nicht gleichwertig, letztere folgt erst aus ersterer. Wird aber die Tätigkeit für wichtiger erachtet, wie es unsere Sozialpolitik nicht nur in den letzten Jahren auszeichnet, dann treten Freiheit und Tätigkeit und erst recht Freiheit und „Vollbeschäftigung“ in Gegensatz. Sie müssen erst wieder in das ihnen angemessene Verhältnis gebracht werden. Genau deshalb kann es um nichts anderes gehen als um „Freiheit statt
Vollbeschäftigung“.

Sascha Liebermann

Ein Ausblick auf das Wahlkampfjahr – das bedingungsloses Grundeinkommen bei Maischberger

Am 10.3. war Susanne Wiest, Initiatorin der Petition zum bedingungslosen Grundeinkommen an den Deutschen Bundestag, bei Maischberger (Link zur Sendung) zu Gast. Schon der Titel der Sendung „Panik um den Job. Muss der Staat uns alle retten“ der war irreführend, denn der Staat ist nicht das Almosenamt, von dem wir etwas erbeten, der Staat ist die Gemeinschaft der Bürger. Wenn wir uns an ihn wenden, wenden wir uns an uns selbst.

Gibt es Neues über die Einwände gegen das BGE zu berichten?

Nein. Frau Wiest hat es verstanden, genau diesen Zusammenhang, dass wir eine Bürgergemeinschaft sind und uns fragen müssen, wie wir ein Leben in Würde und Selbstbestimmung ermöglichen können, deutlich zu machen. Unbeirrt von statistischen Nebelkerzen zum gegenwärtigen Beschäftigungsstand, die die Politprofis gerne zünden, und diese als „Tatsachen“(Lesen Sie die Ausführungen von Wolfgang Strengmann-Kuhn) feilbieten, hat Frau Wiest die Freiheit, die das BGE eröffnen würde, verteidigt. Angesichts der geballten Kraft der Talkshowprofis in der Runde war das kein leichtes Unterfangen, denn diese grundsätzlichen Fragen wollte niemand stellen.

Wolfgang Clement meinte noch zu Beginn der Sendung, Freiheit sei ein Grundwert der SPD – man fragte sich unweigerlich, von welcher Partei er sprach, denn in unserem Land setzt sich die SPD für die Freiheit, die das BGE meint, nicht ein – andere aber auch nicht. Keiner der Herren in der Runde, auch Herr Wallraff weder in seinem Kleinkrieg mit Herrn Clement noch in seinem anklagenden Ton (die Besserverdienenden sollen das BGE nicht bekommen), hat die Tragweite des BGE verstanden. Mit ihm wären alle Bürger dadurch anerkannt, dass sie als Bürger das BGE erhalten und nicht würden sie „versorgt“, wie Herr Röttgen meinte. Das BGE ist kein Versorgungsinstrument, sondern ein Mittel zur Ermöglichung, es schüfe mehr Freiräume. Ob sie sich dann noch beraten lassen oder qualifizieren wollen, läge in ihrer Hand.

Wer wie Wolfgang Clement zu seiner Amtszeit „Vorrang für die Anständigen“ forderte, um gegen den vermeintlich hohen Sozialleistungsmissbrauch zu kämpfen, von dem kann man wohl nicht erwarten, dass er ein Auge für die Selbstbestimmung der Bürger hat. So legt sich dann die paternalistische Bevormundung den Mantel der Fürsorglichkeit um, plädiert statt für die Freiheit für Qualifizierungsmassnahmen, die natürlich immer auch bedeuten: Massnahmen der Arbeitsagentur, Zwangsqualifizierung statt Bildung durch Selbstbildung – oder kurz gesagt: Integration von oben auf ein bestimmtes Ziel hin. Auch hier konterte Frau Wiest treffend (sinngemäß): Ich kann mich selbst um meine Bildung kümmern und muss nicht „versorgt“ werden.

Herr Röttgen (CDU) bemühte für sein Verständnis von Eigenverantwortung und Solidarität das Subsidiaritätsprinzip, das in diesem Zusammenhang gerne angeführt wird, weil es angeblich gegen ein BGE spreche. Herr Röttgen hätten selbst stutzen müssen, als er davon sprach, der Mensch als tätiges Wesen habe laut Katholischer Soziallehre Vorrang – ja, ganz recht, nicht aber als Erwerbsarbeiter. Subsidiarität und BGE sind kein Gegensatz, wie er behauptet hat. Wer allerdings Eigenverantwortung auf individualistische Autarkie verkürzt, der ist davon überzeugt, wie Herr Röttgen, dass der Einzelne sich zuerst einmal selbst zu versorgen habe. Eine weltfremde Vorstellung, denn der Einzelne kann sich nicht selbst versorgen, er lebt von den gemeinschaftlichen Leistungen aller – immer und überall. Das ist kein Missstand, der beseitigt werden müsste, es ist vielmehr eine Notwendigkeit unseres Zusammenlebens: Wir sind alle notwendig „Kostgänger“ unseres Gemeinwesens. Es wäre ein Schritt der Befreiung anzuerkennen, dass Freiheit nur durch Gemeinschaft der Bürger möglich ist.

Die Sendung gab einen Ausblick darauf, was uns in diesem Wahlkampfjahr erwartet – die Parteien stecken fest, sie wandeln auf ausgetretenen Pfaden, wie auch Frau Maischberger feststellte. Die BGE-Befürworter sind um so mehr aufgerufen, in diesem Jahr mit vielen Wahlkämpfen diese vielen Möglichkeiten zu ergreifen, um das BGE bekannter zu machen und Politiker mit ihm zu konfrontieren. Die Finanzkrise erweist sich als Chance, denn sie ist eine Sinnkrise.

Sascha Liebermann

"Arbeit und Freiheit im Widerspruch?" – Buch zum BGE bei VSA

Das Buch geht auf einen Workshop im Juni zurück, der vom Forum Neue Politik der Arbeit in Dortmund veranstaltet wurde. Er dient dazu, die Diskussion um ein BGE mit den Gewerkschaften anzustößen. Beiträge u.a. auch von Ute Fischer, Thomas Loer und Sascha Liebermann.

Hartmut Neuendorff/Gerd Peter/Frieder O. Wolf (Hrsg.)
Arbeit und Freiheit im Widerspruch?
Bedingungsloses Grundeinkommen –
ein Modell im Meinungsstreit

VSA: Verlag, Hamburg 2008
192 Seiten, 16,80 Euro

Rezension von Philip Kovce

Anders als man denkt

Im Blogbeitrag „Anders als man denkt“ auf der Website der Initiative Grundeinkommen Basel schreibt Enno Schmidt über den unerwarteten Erfolg des Grundeinkommensfilms, die BGE-Petition wie die mangelnde technische Ausstattung des Petitionsservers und dass auch BGE-Befürworter nicht davor gefeit sind, wie Parteien zu agieren, statt die Idee zu verbreiten.

Website wird neu aufgesetzt – Neuigkeiten

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde von „Freiheit statt Vollbeschäftigung,

viele Umbauarbeiten sind nun vollzogen, manche Links müssen noch aktualisiert werden. Die Umstellung auf ein Content-Management-System hat dies erforderlich gemacht , um einige technische Verbesserungen vorzunehmen und die Pflege der Seite zu vereinfachen (Besten Dank an Mathias Sasse). Auch können wir nun wieder einen Newsletter erstellen, die Adressen aus dem alten System sind schon eingepflegt worden.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Initiative Freiheit statt Vollbeschäftigung

Gleiches Kindergeld für alle, Kinder-BGE – Schritte zum BGE für alle Bürger?

Wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen für Kinder zwingend ein Schritt zu einem allgemeinen für alle Bürger? Anlässlich eines Beitrages von Claus Schäfer, „Ein Kindergeld für alle“ (Frankfurter Rundschau vom 2. Februar), soll diese Frage erörtert werden. Er spricht sich zwar darin nicht ausdrücklich für ein Kinder-BGE aus, seine Argumente jedoch verweisen uns auf einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Kinder- und Bürger-BGE.

Mit seinem Vorschlag will Claus Schäfer die Ungleichheit bisher gewährter Leistungen für Kinder beseitigen – ein begrüßenswerter Vorschlag. Es handelt sich allerdings nicht um eine bedingungslose Gewährung, denn die Höhe des Kindergeldes soll vom Einkommen der Eltern abhängig sein und mit steigendem Einkommen sinken. Der Vorschlag folgt damit dem Prinzip der Negativen Einkommensteuer, da das Kindergeld unterhalb einer bestimmten Einkommensgrenze in voller Höhe ausgezahlt werden soll – vergleichbar einer Steuergutschrift. Dass Schäfer an diesem Prinzip festhält, zeigt auf der einen Seite, dass Kinder eben doch nicht um ihrer selbst willen geschätzt werden. Ihr Status wird vom Einkommen der Eltern abhängig gemacht. Zum anderen ist es eben ein Kindergeld, dessen Bezug mit dem Erreichen eines bestimmten Alters bzw. bestimmter Lebensphasen endet.
Sehen wir davon einmal ab und stellen uns vor, das Kindergeld würde tatsächlich bedingungslos gewährt. Sähe es dann anders aus?

Man könnte meinen, es sei nur ein kleiner Schritt von der Forderung nach einem Kinder-BGE zu einem für alle Bürger – tatsächlich aber vergleicht man Äpfel mit Birnen.
Gegenwärtige Regelungen zum Kindergeld bringen zum Ausdruck, dass wir Kinder als besonders schützenswert erachten und es ihnen deswegen an einer Mindestausstattung nicht fehlen darf. Von ihnen wird nicht verlangt, eine Gegenleistung für erhaltene Transferleistungen zu erbringen. Von daher hat das Kindergeld eine große Nähe zu einem Kinder-BGE.

Doch bei aller Nähe ist der Unterschied zum allgemeinen BGE einer im Grundsatz. Erwachsene gelten nach unseren Systemen sozialer Sicherung nicht als bedingungslos schützens- oder förderungswert, dem Status der Bürgerrechte zufolge hingegen schon. Denn sie werden bedingungslos verliehen. Weil wir aber noch nicht bereit sind, aus der bedingungslosen Gewährung der Bürgerrechte die Konsequenz zu ziehen, auch Transferleistungen für Erwachsene bedingungslos zu gewähren, bleiben sie gegenwärtig an Gegenleistungspflichten gebunden. Das unterscheidet Leistungen für Erwachsene grundsätzlich von denen für Kinder. Weil wir von Erwachsenen verlangen, zuerst bestimmte Ziele (Erwerbsarbeit) zu verfolgen und selbst dann, wenn sie dies nicht können, das Erwerbsideal als normative Forderung bestehen bleibt – deswegen erhalten sie nur eine bedingte Unterstützung.

Was also auf den ersten Blick nahe zu liegen scheint, das Kinder-BGE als Einstieg in ein allgemeines zu betrachten, trügt. Es wäre erst ein solcher Schritte, wenn seine Einführung als Zwischenschritt zum Bürger-BGE ausdrücklich gälte. Ein Kinder-BGE als solches führt aber keineswegs zum Bürger-BGE.

Sascha Liebermann

"Alles ist möglich" – Radiosendung über bedingungsloses Grundeinkommen

Jürgen Torunsky greift in seiner Sendung „Alles ist möglich“ im Bermudafunk wieder einmal den Vorschlag eines bedingungslosen Grundeinkommens auf. Interviews mit Susanne Wiest, Andy Körber (Teil 1, Teil 2) und Sascha Liebermann (Teil 1, Teil 2) .

Sendetermin: 2. Februar, 22 Uhr.
Heidelberg 105,4 MHz
Mannheim 89,6 MHz
Livestream

: Bermudafunk