„Trauen wir uns bald den notwendigen Sprung ins Ungewisse?“…

…fragt Alexander Spermann in seinem Beitrag „Hartz IV ist nicht das Ende der Geschichte“ in der Wirtschaftswoche.

Er plädiert für mehr Mut und überrascht. Gleich zu Beginn spricht er davon, dass sich „Fördern und Fordern“ bewährt habe, von der hohen Zahl an Erwerbstätigen, zu denen die Sozialpolitik beigetragen habe und zur Reduktion von Arbeitslosigkeit. Dabei sind ihm die Strukturdaten der Arbeitsmarktentwicklung sicher nicht unbekannt: hoher Anteil an Teilzeit am Beschäftigungswachstum, Niedriglöhne und Arbeit um beinahe jeden Preis. In welcher Hinsicht ist das ein Erfolg, wenn noch berücksichtigt wird, wie stark diese Entwicklung konjunkturell bedingt ist? Für die Zukunft tauge das aber nicht.

Seine Behauptung „Zahlreiche empirische Studien belegen jedoch, dass die Dauer der Arbeitslosigkeit zunimmt, je länger das Arbeitslosengeld gezahlt wird“ ist aber gerade nicht gedeckt von den Forschungsarbeiten von z. B. Georg Vobruba. Welche Studien, auf der Basis welcher Daten meint Spermann?

Dann schreibt er:

„Wer wirklich ein modernes Grundsicherungssystem für das Zeitalter der Digitalisierung schaffen will, der braucht Mut für längerfristige Experimente. Dabei geht es nicht darum, ein bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen und den Sozialstaat inklusive Sozialversicherungen abzuschaffen. Ein solches Unterfangen wäre verantwortungslos, weil funktionierende Institutionen zerschlagen würden – in der Hoffnung, dass neue Strukturen die erhofften Veränderungen bringen.“

Und ein BGE einführen und bedürftigkeitsgeprüfte Leistungen beibehalten, für die in den überwiegenden Fällen bei einem ausreichenden BGE, der zum Bezug berechtigende Sachverhalt nicht mehr gegeben wäre? Dazu muss nichts zerschlagen, sehr wohl aber umgebaut und damit weiterentwickelt werden.

Abschließend plädiert er:

„Doch es braucht Experimente mit der automatischen Auszahlung des Regelsatzes der Grundsicherung an alle Bürger ohne Bedürftigkeitsprüfung.“

Das wäre doch ein BGE, wenn auch auf niedrigem Niveau.

„Ein solches Basisgeld könnte in Kombination mit einer Steuergutschrift für die Aufnahme von Vollzeitbeschäftigung die richtige Antwort sein.“

Garantiesicherung und Bonus werden verknüpft, wenn aber alle eine Garantiesicherung haben, jegliches Erwerbseinkommen hinzukäme, wozu dann noch den Bonus, wo doch das Erwerbseinkommen der Bonus wäre? Nötig wäre er dann, wenn Spermann meint, es brauche ihn als Anreiz – dahinter stünde wieder im Grunde das Armutsfallentheorem in abgewandelter Form. Gegen ein BGE und dafür zugleich also?!

Sascha Liebermann