„Hartz IV vor Gericht: Wie hart darf der Sozialstaat sein?“…

…darüber wurde in der Sendung Maischberger diskutiert. Erstaunlich unaufgeregt ging es zu mit Robert Habeck (Bündnis 90/ Die Grünen) und Christian Lindner (FDP). Eingeladen war auch die Journalistin Elisabeth Niejahr (Wirtschaftswoche) sowie Martina Leisten und Kevin Falke, die schon wiederholt bzw. länger auf Arbeitslosengeld II angewiesen waren bzw. sind und ihre Erfahrungen berichteten.

Überbürokratisierung, Schärfe der Sanktionen und manch anderes wurden kritisiert, für eine Veränderung wurde plädiert. Doch vom Geist des Systems abzurücken ist offenbar schwerer, als es scheint, denn bei aller berechtigten Kritik wollten weder Lindner noch Niejahr von Sanktionen grundsätzlich lassen. Robert Habeck hat den Vorschlag einer Garantiesicherung (siehe auch hier) vor einigen Monaten ins Spiel gebracht, eine sanktionsfreie Grundsicherung, die mit „Anreizen“ für Arbeitsaufnahme gekoppelt werden soll. Das ist noch nicht zu Ende gedacht, den Bürgern wird doch nicht so ganz getraut, dass sie bereit sind beizutragen und es keinen Grund gibt, daran zu zweifeln (siehe hier).

Es waren Martina Leisten und Kevin Falke, die durch ihre Ausführungen teils ausdrücklich darauf hinwiesen, wie bedeutsam für ein erfolgreiches Berufsleben es ist, eine Aufgabe übernehmen zu wollen, etwas zu machen, das einem liegt. Sonderbar, dass dies nicht eingehender diskutiert wurde, denn welchem Unternehmen, welcher Organisation wäre geholfen, wenn sie Mitarbeiter einstellte, die bei ihr nicht arbeiten wollten und mit den Aufgaben, die es zu bewältigen gäbe, nichts anzufangen wüssten? Man wird den Eindruck nicht los, dass die Aufgabe der Wirtschaft, Güter und Dienstleistungen bereitzustellen, der erzieherischen Disziplinierung von Bürgern durch Erwerbstätigkeit untergeordnet wird. Das ist jedoch leistungshemmend und nicht -fördernd, es verkehrt den Zweck des Wirtschaftens.

Diese Verkehrung zeigt sich in der Haltung gegenüber Leistungsmissbrauch oder unwilligen Leistungsbeziehern. Es wird stets herausgehoben, dass „Solidarität keine Einbahnstraße“ sei, Gegenleistung für Leistung erwartbar sei, jeder einen Beitrag leisten müsse und Ähnliches. Es dürfen natürlich die Extremfälle nicht fehlen, als könne damit eine Politik für die Mehrheit gemacht werden. Gefragt wird dabei nicht, weshalb denn Leistungen missbraucht werden, was hinter dem Missbrauch steckt, weshalb jemand nicht beitragen will oder kann, ob die Ziele der Sicherungssysteme womöglich die falschen sind. Sie müssen doch dazu dienen, die Autonomie der Bürger zu stärken bzw. zu unterstützen, statt sie zu unterlaufen – zumindest vor dem Hintergrund unserer politischen Ordnung ist das die Aufgabe. Doch die Bürger, die Autonomieforderung und -zumutung, die das Grundgesetz ausspricht, kommt auch in dieser Sendung nicht vor bzw. sie kommt zwar vor in dem, was gesagt wird, sie wird aber nicht zum Diskussionsgegenstand.

Kommentare von Hans Hütt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und von Arno Frank bei Spiegel Online.

Sascha Liebermann