„Zahl der Mehrfachbeschäftigten steigt deutlich“…

…die Folge dieser Mehrfachbeschäftigten bzw. der steigenden Zahl an Erwerbspersonen auch in Haushalten mit Kindern ist, dass Eltern weniger Zeit für Familie haben. Auch wenn das heute als hehres, emanzipatorisch verklärtes Ziel gilt und die Degradierung familialer Sorgebeziehungen voranschreitet, muss man sich die Folgen vor Augen führen. Erheblich eingeschränkt werden dadurch elementare Solidarerfahrungen, für die Eltern-Kind-Beziehungen der entscheidende Ausgangspunkt sind, auf denen andere aufbauen. Kinder machen damit schon früh die Erfahrung, dass Erwerbstätigkeit wichtiger ist, als für sie da zu sein.

Sascha Liebermann

Konjunkturen der Faulheitsdebatte

Instruktiv ist hierzu auch der ältere Beitrag von Frank Oschmiansky „Faule Arbeitslose?“. Dass manche, die heute sich so nicht mehr äußern, sich ähnlich drastisch geäußert haben, siehe dazu Oskar Lafontaine in einer Bundestagsrede im Jahr 1999.

Bayern 2-Feature zum Pilotprojekt Grundeinkommen…

…, das heute startet. Darin geht es auch um die Auswahl der Probanden. Janine Busch, die für das Projekt befragt wird, setzt ganz auf die Einsichten, die dadurch gewonnen werden können. Zur methodischen Kritik dazu siehe hier und hier.

Wieder einmal angebliche Besserstellung von „Hartz IV“-Beziehern gegenüber Erwerbstätigen

Schon öfter kam es vor, dass solche Rechnungen die Zusammenhänge nicht richtig abgebildet haben, so laut Ausführungen von Johannes Steffen auch Dietrich Creutzburg in der Frankfurter Allgemeine Zeitung vor drei Jahren. Steffen weist aber auch auf Haushaltskonstellationen hin, in denen es Widersprüche im Leistungsgefüge zu geben scheint.

Sascha Liebermann

„Abhängigkeit“ vom Staat als Schreckgespenst – als sei das heute anders…

…und als spiele es keine Rolle, worin diese „Abhängigkeit“ genau besteht, um die es hier geht. Allgemein gesprochen ist diese Abhängigkeit (siehe auch hier) gar nicht aufzuheben, es kann also nur um die Frage gehen, in welcher Form sie besteht. Hier weist BGE Eisenach auf den richtigen Punkt hin, dass ein BGE Freiräume gegenüber Fremdbestimmung eröffnet und dem Einzelnen abverlangt, sich zu diesen Möglichkeiten zu verhalten, die breiter sind als im Angesicht des Erwerbsgebots. Diese Freiheitszumutung wird meist unterschätzt. Es kann also nur darum gehen, wie das Abhängigkeitsverhältnis gestaltet wird, nicht ob es stärker oder schwächer ist, denn Freiheit ist ohne Abhängigkeit nicht zu haben.

Sascha Liebermann

Was meint Thomas Piketty, wenn er von „Basic Income“ spricht?

Was meint Piketty wohl in seinem Artikel, wenn er von Basic Income spricht? Es wird nicht weiter ausgeführt, doch diese Passage lässt erkennen, was er wohl im Auge hat:

„It is also essential to extend the basic income to include low-paid workers, with a system of automatic payment on pay slips and bank accounts, without people having to ask for it, linked to the progressive tax system (also deducted at source).“

Hier kann keine UBI im Sinne einer dauerhaft bereitgestellten Sozialdividende gemeint sein, denn die würde ja alle erreichen und müsste nicht auf eine bestimmte Gruppe – „low-paid“ workers – ausgedehnt werden.

Darüber hinaus behauptet Piketty, ein Basic Income müsse immer niedrig sein – weshalb? Und niedrig gemessen woran?

Kombinieren lassen sich alle möglichen Vorschläge, die Frage ist doch, was soll damit erreicht werden und was sind ihre Implikationen. Hier verabschiedet Piketty vorschnell das UBI, das am weitreichendsten wäre. Unbezahlte Arbeit fällt vollständig unter den Tisch, zumindest in diesem Beitrag.

Siehe meine früheren Kommentare hier und hier. Meine Kommentare zur Jobgarantie finden Sie hier und hier.

Sascha Liebermann

Frithjof Bergmann ist gestorben – Vordenker der „New Work“…

…der zum einen wollte, dass Menschen tun, „was sie wirklich, wirklich wollen“, was wenig mit dem heute verbreiteten Verständnis von Neuer Arbeit zu tun hat. Siehe den Nachruf von Detlef Borchers auf heise.de und Philipp Krohn in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Dem Bedingungslosen Grundeinkommen begegnete er mit äußerster Ablehnung (siehe meinen Kommentar hier), hielt es für eine „dumme Idee“, weil es vorsehe, den Menschen einfach Geld zu geben. Liest man die Interviews, in denen er sich dazu äußerte, gewinnt man den Eindruck, dass er die vorbehaltlose Anerkennung, um die es beim BGE geht, mit Lebenslagen verwechselte oder in einen Topf warf, in denen jemand ganz andere Hilfen benötigt – was gar kein Einwand gegen ein BGE ist. Letztlich lassen seine Überlegungen, bei allem freilassenden Geist, den sie versprühen, zugleich einen Vorbehalt gegenüber Selbstbestimmung erkennen. Für Bergmann war es wichtig, jemanden zu etwas zu bringen, ein BGE will ermöglichen, dass jemand ergreifen kann, was er ergreifen will – oder es auch lassen.

Sascha Liebermann

Einkommensabsicherung nicht erreicht – nicht nur in den USA ein Problem, auch in Deutschland

Siehe die Studie des Ifo-Instituts im Auftrag der Stiftung Grundeinkommen. Diese Erkenntnisse sind für Deutschland nicht neu, man denke nur an die Forschung zu verdeckter Armut z. B. von Irene Becker hier und hier, dazu eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hier, zur Altersarmut bei Frauen von Irene Götz hier. Die Frage ist nun: was folgt aus diesen Erkenntnissen? Sie weisen auf die Zielungenauigkeit existierender Leistungen hin, die auch mit der durch sie erzeugten strukturellen Stigmatisierung zu tun haben. Hieraus die angemessenen Schlüsse zu ziehen, fällt aber auch denjenigen schwer, die um das Phänomen wissen. Weshalb? Weil das Erwerbsgebot als normative Erwartung des Gemeinwesens an seine Bürger aufgegeben werden müsste, um diese Stigmatisierung aufzuheben und nicht nur den Rechtsanspruch auf ein Mindesteinkommen vorzusehen, sondern die Bürger auch zu erreichen damit. Ob das gelingt, daran muss ein Sozialstaat sich messen lassen. Erreicht er das nicht, steht diese Art der Leistungsbereitstellung in Frage.

Sascha Liebermann