…so stellt sich die Diskussion um etwaige Folgen der Digitalisierung dar, wie an einer Besprechung des jüngsten Buches von Richard David Precht durch Johannes Pennekamp in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung abgelesen werden kann.
Pennekamp schreibt z. B.:
„Fachleuten, die sich schon länger als Precht mit den Folgen der Digitalisierung befassen, klingen allerdings weit weniger alarmiert. Die Arbeitssoziologin Sabine Pfeiffer von der Universität Erlangen-Nürnberg hat in einer aktuellen Untersuchung gemahnt, dass die Beschäftigungseffekte der Digitalisierung überschätzt werden könnten. Viele Tätigkeiten, die als Routinejob eingestuft werden, seien viel komplexer als angenommen und nicht so einfach zu ersetzen. Ähnlich argumentiert Jens Südekum, ein führender deutscher Ökonom auf diesem Gebiet. Die vielzitierte Studie von Osborne und Frey sei von vielen missverstanden worden. „Sie sagt nichts darüber aus, wie viele Berufe und Arbeitsplätze tatsächlich wegfallen“, sagt er. Frey und Osborne hätten lediglich untersucht, in welchen Berufen es hohe Anteile von Tätigkeiten gibt, die theoretisch auch eine Maschine übernehmen könnte. Ob das dann auch tatsächlich passiert, stehe auf einem ganz anderen Blatt.“
Diese Einschätzung am Ende ist vollkommen zutreffend, zwischen Nutzungsmöglichkeiten von Technologie und tatsächlicher Nutzung besteht kein direktes Entsprechungsverhältnis. Aus der Geschichte der Technikentwicklung ist bekannt, wie sehr die Nutzung von kulturellen Deutungen der Technik bzw. Technologie abhängt. Darüber hinaus muss noch unterschieden werden, ob eine Nutzung möglich und ob sie sinnvoll ist. Daraus folgt unmittelbar, dass es Hemmnisse für die Nutzung geben kann, die in kulturspezifischen Deutungen bestehen, das galt in der Vergangenheit, das gilt ebenso in der Gegenwart. Deswegen sind dramatisierende Prognosen ebensowenig sinnvoll wie Beschwichtigungen. Wenn Entscheidungsträger auf der einen Seite technologische Nutzungsmöglichkeiten sehen, auf der anderen aber die Folgen für die Arbeitsplätze wahrnehmen, kann dies dazu führen, technologische Möglichkeiten nicht auszuschöpfen, obwohl es sinnvoll wäre (siehe hier). Dieser Aspekt wird in der Diskussion wenig beachtet und kaum ernsthaft untersucht, mit standardisierten Befragungen lässt sich das nicht herausfinden.
Pennekamp schreibt weiter:
„Südekum betont zwar ähnlich wie Precht, dass die Digitalisierung tatsächlich Probleme mit sich bringen wird – zum Beispiel eine stärkere Spreizung der Löhne und steigende Marktmacht bei wenigen großen Firmen. Hier müsse die Wirtschaftspolitik ansetzen. „Aber auf Massenarbeitslosigkeit deuten die bisherigen Erfahrungen überhaupt nicht hin“, sagt der Düsseldorfer Ökonom. Und selbst Christoph Butterwegge, ein linker Armutsforscher, der nicht im Verdacht steht, die Folgen des Kapitalismus zu beschönigen, warf Precht in einer „Deutschlandfunk“-Diskussion kürzlich vor, den Menschen unnötigerweise unheimliche Angst vor dem Arbeitsplatzverlust zu machen.“
Hier sieht man, wie Wirtschafts- und Sozialpolitik sich im Kreis drehen, wenn es nur um Arbeitsplätze, nicht aber um Wertschöpfung geht. Arbeitsplätze sind strenggenommen nur relevant, solange sie für die Bewältigung von Aufgaben notwendig und sinnvoll sind. Sonst eben nicht. Ein BGE greift weiter, ist grundsätzlich ausgerichtet, und würde gerade deswegen dazu beitragen, den Leistungsbegriff nicht weiter zu entleeren, worin für unser Gemeinwesen in der Tat eine große Gefahr besteht. Denn „jede Arbeit ist besser als keine“ ist zugleich die Aufgabe des Leistungsethos. Erwerbstätigkeit wird zur Beschäftigungsbeschaffungsmaßnahme.
Sascha Liebermann