Es mehren sich die kritischen Kommentare zu Lars Klingsbeils Vorschlag eines Grundeinkommensjahres. Der SPD-Generalsekretär will damit zur Erneuerung der SPD beitragen, kapert das positiv konnotierte Wort Grundeinkommen und bietet etwas an, das vor allem Besserverdienern helfen würde. Auch Stefan Sell hat sich damit nun befasst und teilt die Kritik daran, aber auch an dieser Art, Vorschläge in die politische Diskussion zu werfen, die sich – wie das „solidarische Grundeinkommen“ oder der Mindestlohn von 12 Euro – doch eher als Luftnummern erweisen. Am Ende seines Beitrags kommt Sell ganz kurz, nur nebenbei, auf das Bedingungslose Grundeinkommen zu sprechen. Er schreibt:
„Man könnte jetzt den Finger auf die zahlreichen praktischen Hartz IV-Wunden legen, also die Frage der in vielen Fällen nicht ausreichenden Unterkunftskosten, die Höhe der Regelleistungen, das Sanktionsregime – um nur einige Punkte zu nennen. Allein der Hinweis auf diese Fragen sollte genügen, um aufzuzeigen, warum es innerhalb des bestehenden Systems derart viele Reibungspunkte und Widersprüchlichkeiten gibt (was spiegelbildlich ja auch den Reiz eines „bedingungslosen Grundeinkommens“ für viele ausmacht, denn dort wird das (scheinbar) vermieden, weil es eben keine Bedingungen gibt, aus deren Operationalisierung dann die beschriebenen Widersprüche resultieren), so dass die Politik institutionenegoistisch gut beraten ist, bei den praktischen Fragen des Hartz IV-Systems toten Mann bzw. Frau zu spielen und lieber mit wolkiger Begriffshuberei jonglieren geht, die aber nach kurzer Erregungswelle wieder in der Sackgasse enden wird.“
Man würde doch – nachdem Sell sich wiederholt zum BGE geäußert hat – gerne einmal mehr über seine Kritik daran wissen. Wenn er auf die Mängel des Hartz IV-Systems hinweist, die zu Widersprüchlichkeiten führen, um dann festzuhalten, dass ein BGE diese „scheinbar“ vermeide, so bleibt das eine flapsige Bemerkung. Weshalb scheinbar? Viele Verrechnungsnotwendigkeiten, die es in der heutigen Konstruktion haushaltsbezogener Leistunge gibt, gäbe es mit einem BGE nicht – weil es gar nicht haushaltsbezogen wäre und nicht verrechtnet werden sollte. Dadurch entstehen manche Probleme erst gar nicht, die Sell in der Gegenwart ausmacht. Sicher hängen mögliche Auswirkungen eines BGE von seiner Ausgestaltung ab, das streitet niemand ab. Doch wenn schon Kritik geäußert wird, sollte sie Ansatzpunkte für eine Diskussion bieten, damit geklärt werden kann, ob an der Kritik etwas dran ist. Eine ernsthafte Auseinandersetzung sieht anders aus, daran mangelt es – nicht nur in der SPD.
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Sascha Liebermann