In Spiegel Wissenschaft erschien ein Beitrag zu obigem Thema, der letztlich auf ein nicht neues (dafür wird u.a. auf die Studien des Soziologen Claus Offe verwiesen), aber beharrlich fortbestehendes Phänomen hinweist, und zwar der Unterstellung, zwischen Einkommen und Leistung (hier natürlich nur Erwerbstätigkeit) bestehe ein notwendiges Verhältnis. Aus dieser Fiktion leiten dann „Leistungsträger“ durchaus ab, was ihnen zustehe und wodurch ihre „Leistungsbereitschaft“ angeblich beeinträchtigt werde, z. B. durch Steuern bzw. zu hohe Steuern.
Doch Leistung ist nicht das entscheidende Kriterium für die Bestimmung von Einkommen, sie bietet keine Erklärung für Ersteres. Grund dafür ist, dass es keinen Maßstab gibt, nachdem Leistung in Einkommen bzw. Lohn umgesetzt werden könnte und dazu noch einer Person zuzurechnen wäre. Genau das aber können Löhne suggerieren, wenn man vergisst, dass sie lediglich Einkommen einer Person zuweisen und dafür zu willkürlichen Kriterien greifen. So erklärt sich auch die enorme Diskrepanz zwischen der Bedeutung von Leistung bzw. Leistungen und Einkommen vor allem in Relation zu anderen Leistungen, der Spiegel-Beitrag nennt hier Beispiele (Erzieher versus Radiologe usw.). Gerade Bereiche, die zu denjenigen mit besseren Einkommenschancen gehören, die klassischen Professionen wie Rechtspflege und ärztliches Handeln, sind strikt reguliert, es gibt oder gab keinen Preiswettbewerb, denn geregelt werden die Leistungsgratifikationen weitgehend durch Gebührenordnungen. In ihnen lebt eine vergleichbare Willkür wie bei Löhnen im Allgemeinen. Manche Einkommen lassen sich über den aufwendigen Einsatz von Geräten teils erklären, deren Nutzung finanziert werden muss, manche über die Ausbildungswege, doch das erklärt die enorme Spreizung ebensowenig. Hierzu ist es nötig, deutlich zu machen, dass Löhne und Einkommen durch Vereinbarungen zustandekommen, sie haben etwas mit Verhandlungsmacht zu tun. In ihnen kommt die kollektive Wertschätzung bestimmter Leistungsformen zum Ausdruck oder es wird gar als Maßstab ein abstrakter Index verwendet wird, wie es im Fall von Gewinnbeteiligung durch Boni, bei Provisionen oder Aktienoptionen der Fall ist.
Im Beitrag wird nun das Unbehagen an diesen Bewertungsmaßstäben damit in Zusammenhang gebracht, dass sie dem Leistungsprinzip widersprechen. Doch diese Kritik geht an der Sache vorbei, denn Leistung hat sich nie direkt in Einkommen bzw. Löhnen ausgedrückt. Das liegt gerade an der Differenz zwischen Wert/ Bedeutung einer Leistung und ihrem Preis sowie daran, dass Leistung nicht individuell zugerechnet werden kann, ohne von den Voraussetzungen zu abstrahieren, die ein Individuum erst in den Stand setzen, Leistung zu erbringen. Das fängt mit den Bedingungen des Aufwachsens (Sozialisation) in der Herkunftsfamilie an, sie eröffnen unterschiedliche Möglichkeiten und Erfahrungen des Angenommen- bzw. Aufgehobenseins. Es reicht über die von der politischen Vergemeinschaftung vorgehaltene Infrastruktur, derer es bedarf, bis hin zum kollegialen Eingebundensein in einer Organisation. Wer welchen Beitrag leistet, ist gar nicht genau eingrenzbar. Nur wenn von all dem abstrahiert wird, kann eine Leistung einer Person als Eigenleistung zugerechnet werden. Genau das aber ist die Illusion, die im Leistungslohn liegt – seit es ihn gibt. Ganz abgesehen wird hierbei von all den Leistungen, die in gar keinem Lohnverhältnis stehen, die sogenannte unbezahlte Arbeit (siehe auch hier) als Voraussetzung für Erwerbstätigkeit.
An einer Stelle des Beitrages wird eine Definition versucht:
„Aber was ist eigentlich Leistung? Könnte nicht auch ein Spekulationsgewinn an der Börse als Leistung gelten? Nein, sagt Neckel, der Begriff sei zwar schwer bestimmbar, aber nicht beliebig. Mit Leistung sei stets ein beabsichtigtes Handlungsergebnis gemeint. „Wenn Sie auf den Jahrmarkt gehen und Sie ziehen ein Gewinnerlos, wird Ihnen niemand auf die Schulter klopfen und sagen: ‚Das ist aber eine prima Leistung gewesen.‘ Es handelt sich um Zufall oder Glück.“ In der gesellschaftlichen Wahrnehmung stünden deshalb gerade Börsengewinne unter einem Begründungsdruck, weil sie die unbewusste Anforderung an den Leistungsbegriff – dass es sich um das Ergebnis einer beabsichtigten Tätigkeit handelt – verletzten.“
Noch zu eng ist diese Bestimmung, weil ein Handlungsergebnis zwar beabsichtigt, aber nicht garantiert werden kann, Handeln ist bezüglich seines Erfolges offen. Sein Gelingen ist also auch hier auf Bedingungen angewiesen, über die der Handelnde nicht voll verfügt. Davon abstrahiert der Bestimmungsversuch.
Damit soll nun nicht gesagt werden, es gebe keine Unterschiede zwischen Leistungsformen und -beiträgen. Ihre Bedeutung ist für ein Gemeinwesen unterschiedlich, je nach Gewichtung und Bewertung. Auch ließe sich differenzieren zwischen Leistungsformen, die vor allem in der Ausführung von Routinen und anderen, in denen die Entstehung von Neuem im Zentrum steht. Wiederum andere haben standardisierte Leistungsergebnisse zum Zweck, andere individualspezifische (z. B. Pflege).
Deutlich wird im Beitrag, dass Leistung immer in Zusammenhang mit einem Beitrag zum Gemeinwohl verbunden wird, so abstrakt dieser auch sein mag. Lotteriegewinne würden eben nicht als Leistung betrachtet. Für Erben ist es deswegen gerade kein Leichtes, deutlich zu machen, worin denn ihr Leistungsbeitrag bestehe, sie müssen dies erst zeigen, z. B. in dem sie das geerbte Kapital entsprechend nutzen, um entweder unternehmerisch tätig zu sein oder gemeinnützig. Erbe ist insofern eine Bürde, die Erben auferlegt wird.
Der Stellenwert von Löhnen und Einkommen hat also viel damit zu tun, welche Leistungsformen wie betrachtet werden und dass es solche gibt, die ohne Einkommen nicht möglich, andere, die gerade durch Übersetzung in ein Lohnverhältnis ihren Charakter vollkommen verändern (siehe hier). Leistung auf bezahlte Leistung zu beschränken, geht an den Lebensverhältnissen vorbei. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen würde dem viel besser Rechnung tragen.
Siehe frühere Beiträge von uns dazu z. B. hier, hier, hier und hier.
Sascha Liebermann