„denn ein höherer Lohn steigert […] den Suchanreiz der Arbeitslosen“ – oder räumt er Hindernisse zur Seite?

Diese Frage ist nicht banal, nimmt die Rede vom „Anreiz“ doch stets an, es mangele dem Individuum an Impulsen und es seien diese Impulse, die es zum Handeln veranlassen. Genau in diese Richtung liest sich das bei Tom Krebs, der im Handelsblatt über die Auswirkungen von Mindestlöhnen schreibt:

„Einerseits führt eine Anhebung des Mindestlohns zu einem Rückgang der Arbeitsnachfrage der Unternehmen im Niedriglohnbereich, weil einige Jobs durch den Mindestlohn unprofitabel werden. Andererseits wird das Arbeitsangebot der Erwerbspersonen gesteigert, denn ein höherer Lohn steigert die Motivation der Erwerbstätigen und den Suchanreiz der Arbeitslosen.“

Wie eine simple Mechanik wird Handeln betrachtet, als wirke ein solcher „Anreiz“ zielgenau, als wirke er überhaupt ohne korrespondierende Haltung des Individuums. Siehe unsere früheren Ausführungen dazu hier.

Ganz ähnlich ist das in diesem Beitrag der Süddeutschen Zeitung, in dem über die Reaktionen auf die Pläne des Bundesarbeitsminister berichtet wird. Ökonomen meinen mit manchem der Vorschläge lasse sich die „Motivation […] steigern“ – oder müsste hier nicht vielmehr geschrieben werden: damit würden die demotivierenden Effekte mancher Regelungen bei Hartz IV beseitigt?

In dieser das Individuum passivierenden Deutung liegt das entscheidende Problem vieler politischer Vorschläge. Wer meint, es fehle an „Anreizen“, der versucht sie zu erhöhen. Im Grunde geht es immer um die Karotte, die vor die Nase gehalten und noch mit Sanktionsmöglichkeiten versehen wird. Geht man hingegen davon aus, dass das Handeln vom Individuum ausgeht und dass es unterstützt oder behindert werden kann, muss das Ziel sein, behindernde Regelungen aus dem Weg zu räumen bzw. unterstützende zu schaffen. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen wäre eine maximal freilassende Unterstützung, die verlässlich vorhanden ist und ganz auf die Initiative des Einzelnen setzt. Das schließt ja keineswegs Hilfeleistungen oder Angebote aus, doch auch sie müssen so gestaltet sein, dass sie den Einzelnen in seinen Möglichkeiten und Fähigkeit unterstützen und ihn nicht lenken. Anreize versuchen zu lenken.

Sascha Liebermann