Diesen Titel hat ein Vortrag von Sascha Liebermann, gehalten am Symposium Grundeinkommen auf dem Weg nach Europa, das am 16. und 17. Mai in Herzogenrath stattfand. Der Vortrag steht zum Herunterladen bereit.
Kategorie: Bedingungsloses Grundeinkommen
Bedingungsloses Grundeinkommen jetzt!
Wissenschaftliche "Empirie" und Positivismus – "Unsichere Zeiten" in MDR Figaro
Unter diesem Titel diskutierten Adrienne Göhler, Klaus Dörre und Sebastian Sooth am 3. Mai in MDR Figaro unter anderem auch über Grundeinkommen, das vor allem gegen Ende der Sendung zur Sprache kommt. Sie steht als Podcast bereit.
Während sich Adrienne Göhler für ein bedingungsloses Grundeinkommen aussprach, beurteilte Klaus Dörre es von der Warte des „empirischen Sozialforsches“ – darauf wies er wiederholt im Laufe der Sendung hin. Was zeichnet seine Einwände aus?
Sein Verweis darauf, nur von empirisch belegbaren Zusammenhängen ausgehend Einschätzungen vorzunehmen, wünschte man sich häufiger, wenn Wissenschaftler sich zu Wort melden. In seiner Argumentation gegen das bGE allerdings hält er wissenschaftliche Analyse und intellektuelles Plädoyer nicht auseinander. Es ist das eine, aus der „Empirie“ herauszupräparieren, welche Vorstellungen zu sozialer Sicherung gegenwärtig vorherrschen (Wissenschaft). Etwas anderes aber ist es, über andere mögliche Sicherungssysteme nachzudenken und für ihre zukünftige Einführung zu streiten (intellektuelles Räsonnement). Wird dann noch aus Gegenwärtigem – also der Vorstellung z.B., es dürfe keine Leistung ohne Gegenleistung geben – hergeleitet, dass es ein BGE nicht geben werde, weil die Menschen in der Gegenwart es nicht wollen, dann hat dies mit wissenschaftlicher „Empirie“ nichts gemein.
Es bedarf keiner großartigen Untersuchung, um herauszufinden, dass das BGE bislang keinen breiten Rückhalt hat.Verwunderlich ist das nicht, Vielen ist es gar nicht bekannt. Auch kollidiert es mit manchen unserer Überzeugungen. Bei näherer Betrachtung aber ist das BGE gar nicht so weit von der Gegenwart entfernt, wie auch Klaus Dörre meint. Was also möglich ist, hängt davon ab, was wir möglich machen wollen. Dazu bedarf es einer breiten öffentlichen Diskussion, dann werden wir sehen, wie weit wir zu gehen bereit sind.
Was Dörre ganz vernachlässigt, das ist, auf welchen Voraussetzungen wir heute schon leben auch hinsichtlich unserer politischen Ordnung. Daran könnten wir erkennen, dass wir nicht in einer „Arbeitsgesellschaft“ leben, denn die Stellung der Bürger als Souverän ist von Arbeit nicht abhängig, auch ist es die Geltung der Bürgerrechte nicht. Unser Denken hinkt also der Realität unserer politischen Ordnung hinterher. Gerade angesichts 60 Jahre Grundgesetz muss darauf hingewiesen werden.
Statt also gegenwärtige Vorstellungen einfach einzusammeln, sollte die Wissenschaft die Frage beantworten, wie die Diskrepanz zwischen diesen Vorstellungen und der politischen Ordnung zu erklären wäre. Dazu hat Klaus Dörre nichts anzubieten in der Sendung. Auch sagt er nichts dazu, wie sich das BGE zu dieser Ordnung verhält. Dann wird schnell deutlich, dass viele Einwände gegen ein BGE gar nicht das BGE treffen, sondern gegenwärtige Verhältnisse und Problemlagen, sie entstehen also nicht erst mit dem BGE, sondern sind schon da.
Was im Gestus einer wissenschaftlich empirisch gemeinten Stellungnahme auftritt, gerät unter der Hand zur politisch normativen – im Namen von Wissenschaft wird Politik gemacht.
Sascha Liebermann
Verkehrte Welt
Wer kennt ihn nicht, den wiederkehrenden Einwand, ein bedingungsloses Grundeinkommen sei ungerecht, weil dann diejenigen, die weiterhin erwerbstätig sind, diejenigen finanzieren, die es nicht sind. Was so einleuchtend scheint, ist es bei näherer Betrachtung nicht.
Sicher: die Erzeugung von standardisierten Gütern und Diensten, die gekauft werden können, ist wichtig. Wer würde das bestreiten. Ohne diese Güter wäre unser Leben beschwerlicher. Genauso wichtig aber ist auch dasjenige Engagement, das wir stets für selbstverständlich halten, es aber nicht gleichermaßen anerkennen.
Stellen wir uns vor, diejenigen, die sich ohne Bezahlung engagieren, z.B. in Parteien und Initiativen, in Familien und Wohltätigkeitsorganisationen würden ihr Engagement einstellen, nur weil es nicht bezahlt wird. Sie würden dies auch tun, weil sie darüber ungehalten sind, dass andere sich nicht gleichermaßen engagieren. Wahrscheinlich würden wir ihnen entgegenhalten, dass jeder selbst zu entscheiden habe, ob er sich ehrenamtlich oder familial oder wo auch immer engagieren will. Nun ist es aber gerade nicht so, dass die freiwillig oder ehrenamtlich Engagierten über die anderen schimpfen und ihre Untätigkeit beklagen. Sie hätten, vergleicht man ihre Situation mit derjenigen der Helden der Arbeit, durchaus Anlass, sich zu beklagen.
Denn ohne ihr Engagement könnten wir viele Leistungen nicht in Anspruch nehmen, die wir mehr oder weniger selbstverständlich voraussetzen. Wer auf den Fussballplatz geht, um dem lokalen Sportverein zuzuschauen; wer Stadtteilfeste besucht, um ein wenig mit den Nachbarn zu feiern; wer sich über die von einer Bürgerinitiative erwirkten baulichen Veränderungen in verkehrsberuhigten Zonen freut; wer die Dienste der freiwilligen Feuerwehr in Anspruch nimmt usw. usf. – für all das bezahlt er nicht, allenfalls steuert er einen Obulus bei.
Obwohl wir also auf dieses Engagement angewiesen sind und der Freiwilligen bedürfen, reden wir wenig darüber, wie es zu größerer Wertschätzung gelangen könnte, ohne es direkt zu bezahlen und dadurch in Erwerbsarbeit zu verwandeln. Womit hat das zu tun?
Je weniger sich der Nutzen von etwas direkt messen lässt, z.B. durch seinen Verkaufswert, desto weniger neigen wir dazu, es als Leistung anzuerkennen. Je weniger es in bestehende Schubladen passt, desto mehr zweifeln wir am Sinn einer Tätigkeit. Ist das nun das Problem derer, die dennoch sich dort weiter engagieren wollen, wo sie es für wichtig und richtig erachten, oder ist es das Problem der Helden der Erwerbsarbeit, die den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen?
Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde Wertschätzung zum Ausdruck bringen, ohne dieses Engagement in Erwerbsarbeit zu verwandeln, Wertschätzung durch solidarische Ermöglichung, das ist der Weg, den das BGE vorschlägt.
Sascha Liebermann
Die Einkommenslosigkeit blockiert die Arbeit
So lautet der Titel des ausführlichen Zwischenberichts von Enno Schmidt, in dem die Entwicklung der Grundeinkommensdiskussion zur Bürgerbewegung beschrieben wird. Die Datei steht zum Herunterladen bereit.
Soziale Unruhen? – Über Duldsamkeit und Leidensfähigkeit
Jüngst haben Prognosen oder besser Prophezeiungen für Empörung gesorgt, dass womöglich in Deutschland mit Unruhen zu rechnen sei. Verantwortungslos (auch hier) seien solche Einschätzungen, sie könnten heraufbeschwören, was sie vorhersagen, meinen die Kritiker.
Spricht in der Gegenwart etwas dafür, dass es bald zu Unruhen kommen könnte? Durch Vorträge über das bedingungslose Grundeinkommen kommt man viel herum. Dabei trifft man gerade Menschen, die sich Gedanken machen oder mit dem Gegenwärtigen unzufrieden sind und nach Auswegen suchen. Ins Auge sticht dabei die Duldsamkeit, mit der wir uns Vieles gefallen lassen. Zu dieser Duldsamkeit fügen sich häufig Feindbilder. Es werden Zustände kritisiert, für die Interessengruppen verantwortlich gemacht werden. Sie seien so mächtig, hört man dann oft, dass Veränderungen aussichtslos sind.
Was wie eine kritische Bemerkung erscheint, erweist sich zum einen als Verantwortungsvermeidung, zum anderen als zynisch. Mit einer solchen Haltung bestätigen wir gerade diejenigen, die eine Basta-Politik betreiben, die uns suggerieren, es gebe keine Alternativen – wenn man sie nicht will, dann gibt es sie auch nicht.
Und zuguterletzt das Misstrauen. Selbst unter Grundeinkommensbefürwortern wird immer gefragt, ob wir schon fähig seien, die Verantwortung zu tragen, die das BGE uns gibt? Ja, wer denn sonst, wenn nicht wir? Ein Schweizer, dem die Frage gestellt würde, ob er zur Demokratie schon reif genug sei, würde uns – zurecht – den Vogel zeigen. Das BGE ist ein zutiefst demokratische Angelegenheit.
Symptomatisch ist auch der Mangel an Selbstkritik, auf den man stößt. Haben wir etwa Hartz IV gute Alternativen entgegengehalten? Haben wir etwa uns lautstark gegen die Privatisierung öffentlicher Aufgaben gewandt? Haben wir bzw. haben sich die Universitäten etwa gegen den Bologna-Unsinn gewehrt? Nach tragfähigen Gegenvorschägen konnten wir lange suchen, Einzelne allenfalls finden wir vor. Darüber können auch die gerne ztitierten Umfragen, denen zufolge so und so viele Deutsche gegen Hartz IV, die Rente mit 67 oder sonstiges seien, nicht hinwegtäuschen. Mit diesen Umfragen macht man sich die Lage schöner als sie ist. Es ist leicht kritisch zu sein, wenn es folgenlos ist. Mir scheint vielmehr, dass wir enorm leidensfähig, weil wir ein so ambivalentes Verhältnis zu unserer freiheitlich demokratischen Ordnung haben.
Das Ohnmachtsempfinden, dem man allerorten begegnet, hat seinen Grund auch in einer Selbstentmachtung. Wo es an Lösungen mangelt, wo man den Eindruck gewinnt, dass unsere Politiker nicht unsere Interessen im Sinne des Gemeinwesens vertreten, müssen wir uns einmischen, statt nörgelnd über sie herzuziehen. Wenn wir hingegen unser Meinung nicht öffentlich kundtun, wenn wir uns nicht z.B. in Initiativen organisiert gegen eine Politik der Intransparenz, wie sie angesichts der sogenannten Finanzkrise vorherrscht, wenden, dann wird sich auch nichts ändern. Wundern sollten wir uns darüber auch nicht.
Sascha Liebermann
Spargel-Panther – Erfindergeist und BGE
Eine Spargelstechmaschine ist entwickelt worden, die soviel Spargel erntet wie acht Arbeitskräfte in der Stunde. Da soll noch jemand behaupten, auch solche Tätigkeiten seien nicht zu rationalisieren. Wie im Film „Grundeinkommen“ am Ende ausgesprochen wird, dass wir einhundert Jahre gearbeitet haben, um uns von schwerer Arbeit zu entlasten, dem sind wir stetig näher gekommen. Rationalisierung und Freiheitsgewinn hängen miteinander zusammen, sind ein Erfolg und kein Problem, wenn es ein bedingungsloses Grundeinkommen gibt.
Mangelnde Informiertheit oder Abwehr von Veränderung? – Eine Abgeordnete zum BGE
Abgeordnetenwatch hat sich zur Aufgabe gemacht, die Kommunikation zwischen Bürgern und Abgeordneten zu fördern und transparent zu machen. Dazu wird ein Portal unterhalten, in dem online Fragen eingestellt werden, auf die Abgeordnete antworten können. Eine solche Antwort auf die Frage, ob die Petition zum BGE von Susanne Wiest angesichts der großen Zahl an Mitzeichnern nicht von der Politik aufgegriffen werden sollte, antwortet Dr. Bärbel Kofler, Mitglied des Deutschen Bundestages, – wer sich mit dem BGE beschäftigt hat, staunt.
Da heißt es z.B.:
Beim allgemeinen Grundeinkommen handelt es sich um eine alternative Leistungsart, die mit dem Prinzip des Wohlfahrtsstaates bricht sowie seine ganze Architektur bzw. Struktur zerstören würde. Denn dieser gründet seit über 100 Jahren auf Sozialversicherungen, die in unterschiedlichen Lebensbereichen, -situationen und -phasen auftretende Standardrisiken (Krankheit, Alter, Invalidität, Arbeitslosigkeit und Pflegebedürftigkeit) kollektiv absichern, sofern der versicherte Arbeitnehmer und sein Arbeitgeber vorher entsprechende Beiträge gezahlt haben.
Das BGE bricht nicht mit dem Wohlfahrtstaat, es stellt ihn auf eine andere Grundlage. Nur weil etwas schon lange besteht, gilt es hier als erhaltenswert ganz in Absehung davon, was es leistet. Das ist bemerkenswert, denn Frau Kofler lässt sich auf die Frage nicht einmal ein, was denn vom alten Wohlfahrtstaat in den neuen hinübergenommen werden könnte, als gäbe es keine Probleme, die zu neuen Lösungen herausforderten. Bedenkt man, dass diese Antwort von heute stammt (9.4.2009), könnte man meinen, die Auswirkungen der Finanzmarktspekulation gäben nicht Anlass über Veränderungen nachzudenken.
Weiter heißt es:
Verfechter des Grundeinkommens geraten zwangsläufig in ein Dilemma, denn sie müssen sich zwischen folgenden zwei Möglichkeiten entscheiden: Entweder erhält jeder Bürger das Grundeinkommen, unabhängig von den jeweiligen Einkommens- und Vermögensverhältnissen. In diesem Fall müssten riesige Finanzmassen bewegt werden, die das Volumen des Bundeshaushaltes (knapp 297 Mrd. EUR) um ein Mehrfaches übersteigen.
Nicht einmal die Mühe wird sich gemacht, über die Finanzierungsfrage und vorliegende Studien sich zu informieren. Als würden heutige Transferleistungen vollständig aus dem Bundeshaushalt bestritten. Aus ihm werden nur bestimmte Anteile getragen. Relevante Bezugsgröße für die Ausgaben ist das Sozialbudget (2007: 707 Mrd. Euro), da es aus unterschiedlichen Quellen finanziert wird. Sollen wir Bürger hier mit einer Nebelkerze von den tatsächlichen Sachverhalten abgelenkt oder gar für dumm verkauft werden? Ist es etwa schlicht Unwissenheit?
Bemerkenswert ist folgende Ausführung:
Außerdem stellt sich unter Gerechtigkeitsaspekten die Frage, warum Millionäre vom Staat monatlich ein von ihnen vermutlich als sehr bescheidenes Almosen empfundenes Grundeinkommen erhalten sollten, während Millionen Bürger mehr als den für sämtliche Empfänger einheitlichen Geldbetrag viel nötiger hätten.
Was auch unter BGE-Befürwortern durchaus strittig ist, ob die sogenannten Reichen ein BGE nötig haben. Hieran wird eines deutlich: Entweder erhalten es alle, dann erst erkennen wir die Bürger als Bürger an, ohne Ausnahme. Oder wir behalten das Bedarfsdenken doch bei und urteilen darüber, wer es braucht und wer nicht? Aber, was heißt eigentlich „brauchen“?
Treffend:
Oder wohlhabende und reiche Bürger bekommen das Grundeinkommen nicht bzw. im Rahmen der Steuerfestsetzung wieder abgezogen. Dann ist es weder allgemein und bedingungslos, noch entfällt die Bedarfsprüfung, denn es müsste ja in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Anspruchsvoraussetzungen nicht durch (verdeckte) anderweitige Einkünfte verwirkt sind.
Ganz genau. Hier trifft Frau Kofler den Nagel auf den Kopf. Auch die sehr liberale, nur auf die Einkommenserfassung zielende Negative Einkommensteuer behält das Verrechnungsprinzip bei und verwandelt dadurch das bedingungslose Grundeinkommen in ein bedingtes. Es muss der Nachweis – wenn hier auch auf einfache Weise durch Erfassung des Einkommens durch das Finanzamt – erbracht werden, dass das erzielte Einkommen unter einer definierten Einkommensgrenze liegt. Der wichtige Schritt, das BGE als von anderen Einkommen unabhängige Einkommensquelle zu gestalten, ist entscheidend. Erst dann ist es als Bürgereinkommen erfahrbar. Dass diejenigen, die mehr Steuern bezahlen als sie Geld durch das BGE erhalten rechnerisch betrachtet Nettozahler sind, ändert an diesem Zusammenhang nichts. Sie könnten sich jederzeit auf das BGE zurückfallen lassen.
Dass Frau Kofler ein BGE nicht will, ist legitim. Dass sie es in der Realität nicht für vorstellbar hält, hat mit dem BGE nichts, mit dem Denken über die Realität viel zu tun. Nicht die Einwände gegen das BGE geben einem zu denken, sondern die mangelnde Bereitschaft, über andere Wege überhaupt einmal nachzudenken.
Sascha Liebermann
Bedingungsloses Grundeinkommen? Geld allein genügt nicht!
So ist eine Stellungnahme der Grundwertekommission beim Parteivorstand der SPD übertitelt, die im vergangenen November veröffentlicht wurde. Die dort gelieferten Einsichten sind nicht überraschend, wenn man nachliest, wer der Kommission angehört. Einzelne Mitglieder hatten sich in den letzten Jahren zum BGE geäußert. Die Friedrich Ebert Stiftung hat nun gleichfalls eine Studie vorgelegt: „Das Grundeinkommen in der gesellschaftspolitischen Debatte“, verfasst von Stephan Lessenich.
Beide Studien zeigen, dass die Debatte nun die SPD auf oberster Ebene erreicht hat. Auch das ist ein Erfolg der anhaltenden, beharrlichen öffentlichen Diskussion dank der vielen engagierten BGE-Streiter.
Nachtrag: Mittlerweile hat die Anhörung zu den beiden Studien stattgefunden. Auf der Website des Archiv Grundeinkommen sind Videomitschnitte der Veranstaltung der Friedrich Ebert Stiftung in Berlin abgelegt. Sie geben einen guten Einblick in die Debatte um das BGE und den Stand der Diskussion in der SPD.
Ein Ausblick auf das Wahlkampfjahr – das bedingungsloses Grundeinkommen bei Maischberger
Am 10.3. war Susanne Wiest, Initiatorin der Petition zum bedingungslosen Grundeinkommen an den Deutschen Bundestag, bei Maischberger (Link zur Sendung) zu Gast. Schon der Titel der Sendung „Panik um den Job. Muss der Staat uns alle retten“ der war irreführend, denn der Staat ist nicht das Almosenamt, von dem wir etwas erbeten, der Staat ist die Gemeinschaft der Bürger. Wenn wir uns an ihn wenden, wenden wir uns an uns selbst.
Gibt es Neues über die Einwände gegen das BGE zu berichten?
Nein. Frau Wiest hat es verstanden, genau diesen Zusammenhang, dass wir eine Bürgergemeinschaft sind und uns fragen müssen, wie wir ein Leben in Würde und Selbstbestimmung ermöglichen können, deutlich zu machen. Unbeirrt von statistischen Nebelkerzen zum gegenwärtigen Beschäftigungsstand, die die Politprofis gerne zünden, und diese als „Tatsachen“(Lesen Sie die Ausführungen von Wolfgang Strengmann-Kuhn) feilbieten, hat Frau Wiest die Freiheit, die das BGE eröffnen würde, verteidigt. Angesichts der geballten Kraft der Talkshowprofis in der Runde war das kein leichtes Unterfangen, denn diese grundsätzlichen Fragen wollte niemand stellen.
Wolfgang Clement meinte noch zu Beginn der Sendung, Freiheit sei ein Grundwert der SPD – man fragte sich unweigerlich, von welcher Partei er sprach, denn in unserem Land setzt sich die SPD für die Freiheit, die das BGE meint, nicht ein – andere aber auch nicht. Keiner der Herren in der Runde, auch Herr Wallraff weder in seinem Kleinkrieg mit Herrn Clement noch in seinem anklagenden Ton (die Besserverdienenden sollen das BGE nicht bekommen), hat die Tragweite des BGE verstanden. Mit ihm wären alle Bürger dadurch anerkannt, dass sie als Bürger das BGE erhalten und nicht würden sie „versorgt“, wie Herr Röttgen meinte. Das BGE ist kein Versorgungsinstrument, sondern ein Mittel zur Ermöglichung, es schüfe mehr Freiräume. Ob sie sich dann noch beraten lassen oder qualifizieren wollen, läge in ihrer Hand.
Wer wie Wolfgang Clement zu seiner Amtszeit „Vorrang für die Anständigen“ forderte, um gegen den vermeintlich hohen Sozialleistungsmissbrauch zu kämpfen, von dem kann man wohl nicht erwarten, dass er ein Auge für die Selbstbestimmung der Bürger hat. So legt sich dann die paternalistische Bevormundung den Mantel der Fürsorglichkeit um, plädiert statt für die Freiheit für Qualifizierungsmassnahmen, die natürlich immer auch bedeuten: Massnahmen der Arbeitsagentur, Zwangsqualifizierung statt Bildung durch Selbstbildung – oder kurz gesagt: Integration von oben auf ein bestimmtes Ziel hin. Auch hier konterte Frau Wiest treffend (sinngemäß): Ich kann mich selbst um meine Bildung kümmern und muss nicht „versorgt“ werden.
Herr Röttgen (CDU) bemühte für sein Verständnis von Eigenverantwortung und Solidarität das Subsidiaritätsprinzip, das in diesem Zusammenhang gerne angeführt wird, weil es angeblich gegen ein BGE spreche. Herr Röttgen hätten selbst stutzen müssen, als er davon sprach, der Mensch als tätiges Wesen habe laut Katholischer Soziallehre Vorrang – ja, ganz recht, nicht aber als Erwerbsarbeiter. Subsidiarität und BGE sind kein Gegensatz, wie er behauptet hat. Wer allerdings Eigenverantwortung auf individualistische Autarkie verkürzt, der ist davon überzeugt, wie Herr Röttgen, dass der Einzelne sich zuerst einmal selbst zu versorgen habe. Eine weltfremde Vorstellung, denn der Einzelne kann sich nicht selbst versorgen, er lebt von den gemeinschaftlichen Leistungen aller – immer und überall. Das ist kein Missstand, der beseitigt werden müsste, es ist vielmehr eine Notwendigkeit unseres Zusammenlebens: Wir sind alle notwendig „Kostgänger“ unseres Gemeinwesens. Es wäre ein Schritt der Befreiung anzuerkennen, dass Freiheit nur durch Gemeinschaft der Bürger möglich ist.
Die Sendung gab einen Ausblick darauf, was uns in diesem Wahlkampfjahr erwartet – die Parteien stecken fest, sie wandeln auf ausgetretenen Pfaden, wie auch Frau Maischberger feststellte. Die BGE-Befürworter sind um so mehr aufgerufen, in diesem Jahr mit vielen Wahlkämpfen diese vielen Möglichkeiten zu ergreifen, um das BGE bekannter zu machen und Politiker mit ihm zu konfrontieren. Die Finanzkrise erweist sich als Chance, denn sie ist eine Sinnkrise.
Sascha Liebermann