„Was das Grundeinkommen wirklich verändert“

Darüber schrieb David Gutensohn auf Zeit Online, nachdem die Ergebnisse des Pilotprojekts Grundeinkommen nun vorliegen. Zuerst berichtet er über eine Gewinnerin und was sie mit dem Grundeinkommen über drei Jahre gemacht hat. Diesen Abschnitt beschließt er mit folgender Passage:

„Korves ist dankbar für das bedingungslose Geld, steht dem Grundeinkommen aber trotzdem kritisch gegenüber. Sie finde es toll, dass Menschen damit ihre Träume verwirklichen können, frage sich jedoch: ‚Würden andere das Geld so sinnvoll einsetzen wie ich?'“

Da für dieses Zitat keine Quelle angegeben wird, nehme ich es so, wie es präsentiert wird. Die Gewinnerin sieht die positive Seite des Grundeinkommens, hat sich etwas aufgebaut als Schwimmtrainerin und ist dennoch skeptisch – aber nicht sich selbst gegenüber. Diese Skepsis gegenüber den Anderen, was die wohl damit machen würden, ist eines der interessantesten Phänomene in der Debatte und taucht schon im ersten Film über das Grundeinkommen von Daniel Häni und Enno Schmidt auf (ab Minute 26). Genauso hätte sie davon ausgehen können, dass Andere eben das tun, was ihnen sinnvoll erscheint, das tut sie aber offenbar nicht. Dieser Haltung bin ich in meiner Forschung zum BGE immer wieder begegnet, sie ist die eigentliche Crux, wenn es um eine Einführung überhaupt einmal gehen sollte. Woher aber rührt diese Skepsis, wenn doch im Alltagshandeln sich diese Skepsis nicht gleichermaßen zum Ausdruck bringt wie in den Deutungen, die zu diesem Handeln entwickelt werden?

Andere Gewinner ziehen ja durchaus andere Schlüsse. Es spricht einiges dafür, dass hinter dieser Skepsis eine ähnliche Haltung sich artikuliert, wie sie gegenüber Bürgeldbeziehern immer wieder zu vernehmen ist, ganz gleich, was Studien dazu zu sagen haben. Da wird über „Totalverweigerer“ phantasiert, über die Chance, bei der nächsten Gelegenheit, die Stelle zu kündigen, um endlich Bürgergeld zu beziehen usw. Dass solche Überlegungen einem durch den Kopf gehen mögen, ist das eine, daraus allgemeine Behauptungen zu machen, ist das andere. Doch befinden sich diese Vorbehalte in guter Gesellschaft, wenn andere in einem BGE „Opium für das Volk“ sehen (Thomas Satterlberger), ein „süßes Gift“ (Anke Hassel) oder „Wahnsinn mit Methode“ (Norbert Blüm).

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„Systemrelevante Berufe: Applaus vom Balkon reicht nicht“…

…darüber schreibt David Gutensohn auf Zeit Online in der Rubrik „Arbeit“.

Erweitert werden müsste diese Betrachtung ins Grundsätzliche, denn „systemrelevant“ politisch gedacht sind einzig die Bürger, sie müssen die politische Ordnung tragen. Systemrelevant, wenn dieses Wort schon benutzt wird, sind all die Tätigkeiten ebenso, die häufig als selbstverständlich vorausgesetzt, gerne in Anspruch genommen, aber letztlich in ihrer Bedeutung nicht wirklich anerkannt werden: das beginnt in der Familie, geht über Nachbarschaftshilfe bis in bürgerschaftliches Engagement.

Siehe auch frühere Beiträge zu dieser Frage hier und hier.

Sascha Liebermann