Das Bürgergeld, das Bürgergeld

Durch Sachlichkeit ist Kai Whittaker in diesem Zusammenhang in den vergangenen Jahren nicht unbedingt aufgefallen. Mit Bezug auf die Bild-Zeitung, die noch gerne skandalisiert, greift er deren Bericht darüber auf, dass Reinigungsfirmen vermelden, Angestellte würden kündigen, weil es das Bürgergeld gebe. Quelle dafür ist eine Umfrage unter entsprechenden Unternehmen. Dass die Gründe womöglich doch komplexer sind, als die Befragung zutage fördert, wird nicht einmal erwogen. Die Umfrage-Gläubigkeit ist bestechend. Wer ein wenig Erfahrung damit hat, wie anders sich Befragte in Forschungsgesprächen äußern, wieviel differenzierter und zugleich widersprüchlicher, wird auf den Befund der hier genannten Befragung nicht viel geben, schon gar nicht, ohne sie gesehen zu haben. Ein schöner Aufhänger für Bürgergeld-Bashing ist sie trotzdem.

Ein wenig vertiefende Lektüre in die Fraglichkeit solch vermeintlich einfacher Zusammenhänge wäre sinnvoll. Zu methodischen Beschränkungen standardisierter Befragungen siehe hier und hier.

Sascha Liebermann

„Ruhigstell-Politik“ – wer lässt sich denn einfach so ruhigstellen?…

…Immer wieder interessant, was den Bürgern so angedichtet wird, denn nur, wenn sich jemand ruhigstellen lassen wollte, könnte es auch geschehen, wenn nicht, dann nicht. Schon lange ist nachgewiesen und wiederholt bestätigt, dass Leistungsbezieher in jede Richtung gute Gründe für ihr Handeln haben, siehe hier.

Keine Einkommenssicherungsleistung kann das gegen den Willen des Beziehers erreichen, im Fall des „Bürgergeldes“ ist es schlicht ein Märchen, denn weder verzichtet es auf Sanktionen noch auf Erwerbsangebote. So kann man sich unglaubwürdig machen.

Sascha Liebermann

Da weiß man wenigstens, woran man ist – manchmal hilft ein Blick in die Realität…

…z. B. der Statistik zu Sanktionen. Whittaker betreibt reine Vorurteilspflege, denn „die Arbeitsverweigerer“ tragen über die Mehrwertsteuer zum Steueraufkommen bei und kaufen Produkte, von denen dann wieder Löhne bezahlt und öffentliche Aufgaben finanziert werden können. Was soll das also?

Weshalb ist ein Arbeitsuchender der Dumme, der dann ebensowenig sanktioniert werden kann wie „die Arbeitsverweigerer“? Ist er der Dumme, weil er erwerbstätig wird? Hat er denn von seinem Engagement nichts, wenn er dem nachgeht?

Wo bleibt übrigens die Würde der Person, wo das Verständnis dafür, dass hinter dem Phänomen, auf das sich Whittaker stützt, Lebensschicksale stehen, denen besser anders geholfen wäre?

Realitätsverweigerung ist, wenn man glaubt durch Sanktionen leistungsbereite Mitarbeiter gewinnen zu können und zugleich darüber hinwegsieht, wie abhängig ein Gemeinwesen von unbezahlten Tätigkeiten ist. Wer sich die Achtung der Menschenwürde auf die Fahne schreibt, sollte genau hinschauen.

Sascha Liebermann