Am 10.3. war Susanne Wiest, Initiatorin der Petition zum bedingungslosen Grundeinkommen an den Deutschen Bundestag, bei Maischberger (Link zur Sendung) zu Gast. Schon der Titel der Sendung „Panik um den Job. Muss der Staat uns alle retten“ der war irreführend, denn der Staat ist nicht das Almosenamt, von dem wir etwas erbeten, der Staat ist die Gemeinschaft der Bürger. Wenn wir uns an ihn wenden, wenden wir uns an uns selbst.
Gibt es Neues über die Einwände gegen das BGE zu berichten?
Nein. Frau Wiest hat es verstanden, genau diesen Zusammenhang, dass wir eine Bürgergemeinschaft sind und uns fragen müssen, wie wir ein Leben in Würde und Selbstbestimmung ermöglichen können, deutlich zu machen. Unbeirrt von statistischen Nebelkerzen zum gegenwärtigen Beschäftigungsstand, die die Politprofis gerne zünden, und diese als „Tatsachen“(Lesen Sie die Ausführungen von Wolfgang Strengmann-Kuhn) feilbieten, hat Frau Wiest die Freiheit, die das BGE eröffnen würde, verteidigt. Angesichts der geballten Kraft der Talkshowprofis in der Runde war das kein leichtes Unterfangen, denn diese grundsätzlichen Fragen wollte niemand stellen.
Wolfgang Clement meinte noch zu Beginn der Sendung, Freiheit sei ein Grundwert der SPD – man fragte sich unweigerlich, von welcher Partei er sprach, denn in unserem Land setzt sich die SPD für die Freiheit, die das BGE meint, nicht ein – andere aber auch nicht. Keiner der Herren in der Runde, auch Herr Wallraff weder in seinem Kleinkrieg mit Herrn Clement noch in seinem anklagenden Ton (die Besserverdienenden sollen das BGE nicht bekommen), hat die Tragweite des BGE verstanden. Mit ihm wären alle Bürger dadurch anerkannt, dass sie als Bürger das BGE erhalten und nicht würden sie „versorgt“, wie Herr Röttgen meinte. Das BGE ist kein Versorgungsinstrument, sondern ein Mittel zur Ermöglichung, es schüfe mehr Freiräume. Ob sie sich dann noch beraten lassen oder qualifizieren wollen, läge in ihrer Hand.
Wer wie Wolfgang Clement zu seiner Amtszeit „Vorrang für die Anständigen“ forderte, um gegen den vermeintlich hohen Sozialleistungsmissbrauch zu kämpfen, von dem kann man wohl nicht erwarten, dass er ein Auge für die Selbstbestimmung der Bürger hat. So legt sich dann die paternalistische Bevormundung den Mantel der Fürsorglichkeit um, plädiert statt für die Freiheit für Qualifizierungsmassnahmen, die natürlich immer auch bedeuten: Massnahmen der Arbeitsagentur, Zwangsqualifizierung statt Bildung durch Selbstbildung – oder kurz gesagt: Integration von oben auf ein bestimmtes Ziel hin. Auch hier konterte Frau Wiest treffend (sinngemäß): Ich kann mich selbst um meine Bildung kümmern und muss nicht „versorgt“ werden.
Herr Röttgen (CDU) bemühte für sein Verständnis von Eigenverantwortung und Solidarität das Subsidiaritätsprinzip, das in diesem Zusammenhang gerne angeführt wird, weil es angeblich gegen ein BGE spreche. Herr Röttgen hätten selbst stutzen müssen, als er davon sprach, der Mensch als tätiges Wesen habe laut Katholischer Soziallehre Vorrang – ja, ganz recht, nicht aber als Erwerbsarbeiter. Subsidiarität und BGE sind kein Gegensatz, wie er behauptet hat. Wer allerdings Eigenverantwortung auf individualistische Autarkie verkürzt, der ist davon überzeugt, wie Herr Röttgen, dass der Einzelne sich zuerst einmal selbst zu versorgen habe. Eine weltfremde Vorstellung, denn der Einzelne kann sich nicht selbst versorgen, er lebt von den gemeinschaftlichen Leistungen aller – immer und überall. Das ist kein Missstand, der beseitigt werden müsste, es ist vielmehr eine Notwendigkeit unseres Zusammenlebens: Wir sind alle notwendig „Kostgänger“ unseres Gemeinwesens. Es wäre ein Schritt der Befreiung anzuerkennen, dass Freiheit nur durch Gemeinschaft der Bürger möglich ist.
Die Sendung gab einen Ausblick darauf, was uns in diesem Wahlkampfjahr erwartet – die Parteien stecken fest, sie wandeln auf ausgetretenen Pfaden, wie auch Frau Maischberger feststellte. Die BGE-Befürworter sind um so mehr aufgerufen, in diesem Jahr mit vielen Wahlkämpfen diese vielen Möglichkeiten zu ergreifen, um das BGE bekannter zu machen und Politiker mit ihm zu konfrontieren. Die Finanzkrise erweist sich als Chance, denn sie ist eine Sinnkrise.
Sascha Liebermann