Sanktionsfreie Mindestsicherung für Arbeitslose, nicht aber für Faule – Gregor Gysi zum Bedingungslosen Grundeinkommen

In einem Gespräch mit „jung und naiv“ hat sich Gregor Gysi wieder einmal zum Bedingungslosen Grundeinkommen geäußert (Danke für den Hinweis an Christoph Guthmann). Gysi sagt folgendes:

„Das geht nicht, glaube ich, weil ich denen, die arbeiten, erklären muss, warum dann auch derjenige, der einfach keine Lust hat, der faul ist, warum sie den, für den unentlohnt, ohne dass sie Geld bekommen, mitarbeiten müssen, damit der alles zur Verfügung gestellt bekommt.“ Auf diese Passage folgt sein Plädoyer für eine sanktionsfreie Mindestsicherung für Arbeitslose.

Sind Arbeitslose bei ihm gleichgesetzt mit Arbeitsuchenden, also mit Arbeitswilligen? Nur wenn Gysi diese gleichsetzt, also eine Prüfung der Arbeitswilligkeit voraussetzt und solche Arbeitslose meint, die sie bestehen, kann er sie von den anderen unterscheiden, die er als faul bezeichnet. Eine sanktionsfreie Mindestsicherung also für arbeitswillige Arbeitslose, nicht aber für alle Arbeitslosen? Und was ist mit den anderen, die in anderen Aufgaben ihre Aufgabe entdecken, sollen sie nicht auf Basis einer Mindestsicherung die Möglichkeit erhalten, diese Aufgaben wahrzunehmen? So muss er es wohl meinen, doch von einer sanktionsfreien Mindestsicherung im Allgemeinen kann dann nicht gesprochen werden – sie bleibt eine schöne rhetorische Blase, in der sich der Sprecher wohlfühlen und sein Gewissen beruhigen kann. Überhaupt, in einem System sozialer Sicherung, dass alle Mindestsicherungen, die es vorsieht, von Erwerbsarbeit ableitet oder sie an die Bereitschaft zu ihr bindet, kann es keine sanktions- oder repressionsfreie Mindestsicherung geben (siehe hier).

Gysi müsste, wenn er es ernst meint, den Schritt zum Bedingungslosen Grundeinkommen machen. Das kann und will er nicht. Dann kann er sich die Rede von der sanktionsfreien Mindestsicherung auch sparen. – Jüngst hatte sich auch Sahra Wagenknecht zum Bedingungslosen Grundeinkommen geäußert, mit einer ähnlichen Haltung.

Sascha Liebermann

„…sich in einem guten Job seinen Lebensunterhalt zu verdienen“ – Sahra Wagenknecht über das Bedingungslose Grundeinkommen

Siehe auch hier

Zu diesem Ausschnitt aus einem Gespräch mit Richard David Precht gibt es nichts Neues über Sahra Wagenknechts Haltung zum Bedingungslosen Grundeinkommen zu berichten. Verwundern kann einen allenfalls, wie selbstverständlich für sie der Zusammenhang zwischen Engagement bzw. Tätigsein und Einkommenserzielung ist. Auf die Frage von Precht, ob sie für die Einführung sei, antwortet sie, dass jeder die „Chance haben sollte“, sich in „einem guten Job seinen Lebensunterhalt zu verdienen“. Sie ist gegen die Hartz IV-Sanktionen, also gegen den Druck und die Bedrohung, die mit Ihnen einhergehen. Da sollte man meinen, wer von „Chancen“ und „Freiräumen“ spricht, dem läge daran, frei entscheiden zu können, wo ein Engagement erfolgen kann und soll. Das hingegen ist nicht Sahra Wagenknechts Sache. Die „Freiräume sich mit Menschen zu beschäftigen“, die wir durch den Produktivitätsfortschritt gewonnen haben, will sie nicht den Menschen selbst überlassen, indem sie auf der Basis eines BGE sich dann entscheiden können, wo und wie sie wirken sollen. Wenn sie von „Fähigkeiten“ spricht, die jeder habe und für die er die Chance erhalten sollte, sie einzubringen, spricht sie stets nur von Erwerbsverhältnissen. Dass ein solches Einbringen heute schon anderswo geschieht, aber unter schwierigen Bedingungen – in Familie und Ehrenamt – lässt sie nicht als vollwertiges Engagement gelten. Es ist gerade der Vorrang von Erwerbstätigkeit, der über die tatsächlich existierende Vielfalt von Engagement hinweggeht und alles, was jenseits von Erwerb liegt degradiert. Dass Sahra Wagenknecht das nicht sieht, ist auf der einen Seite verwunderlich, auf der anderen konsequent: Wer den Sinn des Zusammenlebens in Erwerbstätigkeit alleine erblickt, kann wohl nicht anders. Folgerichtig sieht sie im BGE etwas, womit Menschen abgespeist werden.

Nur am Rande sei erwähnt, wie unglücklich Precht für ein BGE wirbt. Er sieht es nur als Entlastung für die „Abgehängten“ und erkennt nicht den breiten Zusammenhang, in dem es steht und die vielfältigen Möglichkeiten und Auswirkungen, die mit ihm einhergehen. Das war auch bei anderer Gelegenheit schon so.

Sascha Liebermann