„Abkehr“ vom „Hartz IV-Regime“? Die Abkehr hängt am normativen Vorrang von Erwerbstätigkeit…

…das ist der entscheidende Punkt, an dem sich Jobgarantie und Bedingungsloses Grundeinkommen voneinander unterscheiden, denn solange dieser Vorrang nicht aufgehoben wird, bleibt Nicht-Erwerbstätigkeit immer ein normativ nachrangiges Engagement. Daher rührt auch sein stigmatisierender Charakter. Die Jobgarantie will genau das offenbar nicht antasten. Selbst im Falle eines Verzichtes auf Sanktionen wie bei der Garantiesicherung der Grünen oder Forderungen nach einer repressionsfreien Grundsicherung bleibt der normative Vorrang und damit die entsprechende Degradierung anderer Tätigkeiten erhalten. Der Vorrang des einen erzeugt die Nachrangigkeit des anderen. Wer das also nicht will, muss eine Absicherung einführen, die nur einen Vorrang kennt, und zwar den der Person um ihrer selbst und um des Gemeinwesens selbst willen.

Davon abgesehen vernachlässigt die Jobgarantie die Frage, was der Einzelne für „gute Arbeit“ hält, welche ihm sinnvoll erscheint und er im Zweifelsfall auf ein solches Angebot, wie die Jobgarantie es bieten will, verzichten können soll, ohne in einen degradierenden Status zu geraten.

Sascha Liebermann

Differenzierungsgewinn? Keiner – der Slogan nach wie vor treffend

Frühere Beiträge zu Sahra Wagenknechts Haltung zum BGE finden Sie hier und weitere hier. Zur Frage einer repressionsfreien bzw. sanktionsfreien Grundsicherung siehe hier.

WDR Gespräch mit Anna Mayr, die gegen ein Bedingungsloses Grundeinkommen ist und vieles dafür sagt

Dieses Gespräch im WDR lässt einen etwas ratlos zurück. Anna Mayr (siehe auch hier), deren Buch „Die Elenden“ gerade die Bestsellerlisten erklimmt, spricht sich, wie schon an anderer Stelle, klar gegen ein BGE aus, weil es von den drängenden Fragen ablenke. Es sei eine Möglichkeit für Linke, sich zwar irgendwie auch um „Arme“ zu kümmern, sie aber doch nicht zu nah an sich heranzulassen.

In dem Tweet hier erstaunt der herablassende Ton, mit dem sie Diskutanten wie quengelnd streitende Kinder behandelt, ohne auf Argumente einzugehen. Dabei ist, was sie erreichen will, ohne BGE im Grunde nicht zu erreichen.

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„Mehr als jede 3. Arbeitsaufnahme aus #Hartz4 heraus ist kürzer als 6 Monate“…

…was aber folgern wir nun daraus? Sanktionen abschaffen in einem Sozialstaat, dessen normatives Zentrum Erwerbstätigkeit ist? Das ist illusionär, denn Sanktionen dienen gerade dazu, das hier Kritisierte zu erreichen: Disziplinierung und Rückkehr in den Arbeitsmarkt, sonst bräuchte es sie ja nicht. Wie also da herausgekommen? Dann müsste der Paritätische Wohlfahrtsverband aber für ein Bedingungsloses Grundeinkommen plädieren, wogegen er sich bislang immer gestellt hat. Alles andere sind Spiegelfechtereien.

Sascha Liebermann

Das Kind beim Namen nennen statt Verrenkungen mancher Sanktionsgegner

Das Bundesverfassungsgericht hat gestern sein Urteil zur Frage verkündet, ob Sanktionen im Sozialgesetzbuch (Zweites Buch) verfassungsgemäß sind und sie teilweise für verfassungswidrig erklärt. Der Verlauf der öffentlichen Anhörung im Januar 2019 legte es nahe, dass Sanktionen nicht unangetastet bleiben werden. Sie gelten allerdings grundsätzlich weiterhin als verfassungskonform, das Prinzip der Nachrangigkeit sozialstaatlicher Leistungen ist möglich und wird davon nicht angetastet.

Schon länger werden die Sanktionsinstrumente kritisiert und vor allem in Zusammenhang mit der Agenda 2010 gebracht, die ein neues „Regime“ installiert habe, wie mit Erwerbslosen umzugehen sei. Manche Kritiker der Sanktionen fordern schon länger eine repressionsfreie Grundsicherung, lehnen Sanktionen vollständig ab. Wiederum andere stimmen in diesen Chor ein, sind aber gegen ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Robert Habeck stellte vor etwa einem Jahr klar, welche Verpflichtung aufgehoben werden müsste, damit es eine „Garantiesicherung“ geben könnte: die Erwerbsverpflichtung. Just sie ist es aber, die von manchen Kritikern gar nicht oder nur in Grenzen angetastet wird.

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Hilde Mattheis plädiert dafür, Hartz abzuschaffen – was schlägt sie als Alternative vor?

Simone Lange setzt sich immerhin dafür ein, ernsthaft über ein Bedingungsloses Grundeinkommen zu diskutieren. Und Hilde Mattheis? Finden konnte ich zu dieser Frage nur den Hinweis auf einen Beschluss der SPD Ulm auf Mattheis‘ Website. Darin wird zwar ebenso die Abschaffung von Hartz IV gefordert, doch was heißt das konkret und was soll an die Stelle treten? Im Beschluss wird die Einführung eines solidarischen Grundeinkommens als Alternative genannt – nun, damit geht man den Schritt zurück zu einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Das solidarische Grundeinkommen soll ja auf Basis von „Freiwilligkeit“ in Anspruch genommen werden, was bleibt also für die, die es nicht in Anspruch nehmen? In Berlin ist die Antwort klar: sanktionsbewehrtes Hartz IV.

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Demokratie – ohne sie zu thematisieren: Rückblick auf eine Diskussion mit Ulrike Herrmann…

…im Deutschen Historischen Museum, zu der sie und ich am 7. Juli eingeladen waren. Dass Ulrike Herrmann von einem Bedingungslosen Grundeinkommen nicht viel hält, auch wenn sie die Ziele teilt, die einige damit verfolgen, daraus machte sie kein Hehl (siehe z. B. hier und hier). Ihr Einwand richtete sich vor allem darauf, dass es nicht finanzierbar und nicht durchsetzbar sei.

Das Format der Veranstaltung war nicht auf eine Podiumsdiskussion ausgerichtet, so dass wir nur wenig aufeinander reagieren konnten und das Publikum sehr früh mit seinen Fragen zu Wort kam. Die Veranstaltung wurde nicht aufgezeichnet. Ich gebe die in meinen Augen wichtigen Punkte der Diskussion aus der Erinnerung wieder.

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„Hartz IV – undemokratisch?“ Oder Ausdruck des Zeitgeistes und eines verbreiteten Konsenses?

Diese Frage stellt sich angesichts dessen, wie „Die Anstalt“ im ZDF auf sehenswerte Weise die Entstehung von „Hartz IV“ rekonstruierte, geschehen in der Sendung vom 24. April 2018. Zu leicht macht man es sich, wenn das als Projekt „von oben“, von „bestimmten Kreisen“ usw. abgetan wird.

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Sanktionen helfen?

Das sollen sie, nicht bestrafen. Geäußert wurde dies kürzlich in einer Diskussionsrunde von einem Wissenschaftler, der sich intensiv mit den Sozialsystemen und darin den Sanktionen beschäftigt. Hartz IV sei besser als sein Ruf, nur ein geringer Teil der Bezieher werde überhaupt sanktioniert, wie kann es dennoch sein, dass darüber so breit diskutiert wird? In dieser Diskussionsrunde ging es um Auswirkungen des Sanktionssystems, wie es im Sozialgesetzbuch niedergelegt ist, aber eben auch um das Bedingungslose Grundeinkommen. Dabei sind Sanktionen nichts Neues, die Möglichkeit gab es auch im Bundessozialhilfegesetz von 1962 schon, sie kennzeichnen Sozialsysteme, in denen ein dauerhafter Leistungsbezug nicht vorgesehen ist, weil die Aufnahme von Erwerbstätigkeit oberstes Ziel ist.

Was irritierte den Kollegen? Vielleicht war es das, was er übersah. Sicher, wer nicht gegen die Mitwirkungspflicht verstößt, erfährt keine Sanktionen. Aber alle, die im Leistungsbezug sind, sind mit Sanktionen bedroht, denn – darüber informiert die Broschüre zum Arbeitslosengeld „Ihre Rechte, ihre Pflichten“ -, sie sind ein Instrument, das jeden treffen kann. Sanktionen sollen Konformität mit der Gesetzgebung erzwingen, das ist ihr Sinn. Sie treffen aber nicht nur diejenigen im Leistungsbezug, es handelt sich um eine Gesamtdrohung, sie richtet sich an alle, das Gemeinwesen ruft sich selbst zur Ordnung und weist darauf hin, was bei Zuwiderhandeln geschehen kann.

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„Hartz IV überwinden oder doch nicht? Doppelzüngige Andrea Nahles“…

…ein Beitrag von Albrecht Müller auf den Nachdenkseiten.

So berechtigt die Kritk ist, so sehr fragt man sich, was denn der Alternativvorschlag wäre? War es etwa im Sozialstaat vor Hartz IV so, das „Recht auf bezahltes Nichtstun“, wie Andrea Nahles das nannte, erwünscht war? War nicht im Bundessozialhilfegesetz schon niedergelegt, dass der Leistungsbezieher eine Verpflichtung dazu hat, am Verlassen des Leistungsbezugs mitzuwirken? Wer von einer „repressionsfreien Grund- oder Mindestsicherung“ redet, wie es manche tun, die Hartz IV kritisieren, muss sich fragen lassen, ob er auf Sanktionen ganz verzichten will, denn nur dann wäre es möglich, sich von der disziplinierenden Aufgabe der Sozialgesetzgebung zu verabschieden. Dann wäre es tatsächlich möglich, sein Leben in der Grundsicherung zu verbringen, ganz nah dran am Bedingungslosen Grundeinkommen. Mir ist nicht bekannt, dass die Nachdenkseiten dafür Sympathien bislang gehabt hätten.

Sascha Liebermann